(SZ)Achilles war groß und gewaltig, an Erscheinung glich er den
Himmlischen. Inwieweit Brad Pitt diesen Vorgaben gerecht wird, soll
uns hier nicht kümmern; die Leute, die ihn für Wolfgang Petersens
Historienfilm "Troya" als König der Myrmidonen angeheuert haben,
werden sich das schon überlegt haben. Was uns aber sehr wohl etwas
angeht, sind Brad Pitts Füße, genauer gesagt deren Größe, und wenn wir
uns dafür interessieren, dann nicht aus Lust am Schlüssellochgucken -
wer würde da auch ausgerechnet auf die Füße schauen! - , sondern aus
Sorge um eines unserer heiligsten Bildungsgüter: die Achillesferse.
Wie die Sun in späthomerischer Rhapsodenart berichtet, geniert sich
Pitt so sehr für seine unförmigen Füße, dass er nicht in Sandalen
auftreten will, sondern in eigens für ihn angefertigten Lederstiefeln.
Lässt man die historische Dimension außer Betracht, so könnte man
sagen, die Achillesferse sei Griechenlands Antwort auf die
Siegfriedsschulter. Beide gehören zu dem, was die vergleichende
Erzählforschung den "wunden Punkt" (vulnerable spot) nennt, ein in
Mythen und Sagen weltweit anzutreffendes Motiv. Bei Siegfried kam der
wunde Punkt dadurch zustande, dass ihm, als er im Drachenblut badete,
ein Lindenblatt auf die Schulter tänzelte, bei Achilles dadurch, dass
ihn seine Mutter Thetis schließlich irgendwo halten musste, als sie
ihn im Styx härtete - und das war die Ferse. Die dramaturgische
Notwendigkeit des wunden Punkts ergibt sich aus der ewig alten
Sehnsucht nach Unverwundbarkeit, und sie korrespondiert in diesem Fall
aufs Schönste mit dessen menschlicher Wünschbarkeit. Nichts Öderes auf
Erden als ein unverletzlicher Held, und kaum etwas Erhebenderes für
uns Nichthelden, als wenn er rasselnd fällt und wir noch im Weinen die
spießbürgerliche Genugtuung haben, dass er, der Kraftmeier und
Maulaufreißer, dank einer vergleichsweise lächerlichen Blöße zu Boden
ging.
Welche Schuhe trug Achilles wirklich? Die "Ilias", in deren 18. Gesang
die Entstehung seiner Rüstung detailliert beschrieben wird, schweigt
sich zu diesem Punkt aus, doch widerspräche es aller Lebenserfahrung,
wenn ein Held wie Achilles barfuß liefe, noch dazu auf einem steinigen
Gelände wie dem vor Troia. Zudem wusste Achilles ja, dass es ihm
aufgesetzt war, am skaiischen Tor durch einen von Paris abgeschossenen
und von Apoll gelenkten Pfeil zu sterben. Einsicht in die
Unabwendbarkeit des Schicksals gebot es ihm förmlich, in Sandalen
anzutreten und nicht etwa in Stiefeln mit Sicherheitskappen, wie sie
die Berufsgenossenschaft für die Männer vom Bau fordert. Um seine
Waffen entbrannte übrigens später ein fürchterlicher Streit. Wenn Brad
Pitt etwas wirklich Achillesmäßiges tun will, dann sollte er nach
Drehschluss wenigstens seine Stiefel wie zufällig liegen lassen.