(SZ)Wen das Wetter nervt, der soll sich nicht lauthals darüber
erregen, sondern schweigen. Denn nervt das Wetter nur Vereinzelte,
dann wird die übrige Menschheit so oder so wenig Verständnis dafür
aufbringen. Nervt es aber alle, dann muss man das nicht zusätzlich in
Worte des Zornes kleiden - weiß ja eh schon jeder. Auf keinen Fall
macht Erregung das Wetter besser.
Statthaft ist es hingegen, Kritik zu üben, wenn jemand nicht
angemessen auf widrige Wetterverhältnisse reagiert und damit der
übrigen Menschheit das Leben schwerer macht als nötig. Zu tadeln ist
der italienische Pensionsbetreiber, der, nachdem die Pensionsgäste in
der Rekordglut römischer Nächte gelitten haben, versonnen darüber
spekuliert, ob er künftig vielleicht doch die Ventilatoren einschalten
solle. Tadel verdient der rheinische Busfahrer, der sich weigert, bei
einer winterlichen Überlandfahrt die Heizung einzuschalten, weil es
dann "vorne zu warm" werde. Den Spitzenplatz im Tadel- Ranking belegt
ein Unternehmen, das sich als ebenso tadelresistent erweist wie das
Wetter. Bei der Deutschen Bahn, genauer in ihren ICEs, herrscht
sommers jener Zustand vor, den der bereits getadelte Busfahrer
vermeiden wollte: Vorne ist es zu warm. Das heißt, zu warm ist es im
ganzen Zug, gefühlte 100 Grad Celsius oder so, außer in dem einen
Waggon, dessen Klimaanlage trotz ihrer statistisch hohen
Unzuverlässigkeit nicht streikt. In diesem Wagen herrschen dann
Bronchitis fördernde Eisschranktemperaturen, die alle Passagiere, die
ihrem Sitzplatz im dampfigen Nebenabteil oder dem Stehplatz vor der
Toilettentür zustreben, zu der Feststellung veranlasst, "hier drin"
sei es ja "richtig schön kühl". (Nebenbei bemerkt wäre auch bei
solchen Gelegenheiten Schweigen Gold.) Es ist also fast überall zu
warm, mithin auch vorne, im Cockpit des Triebkopfes. Dieses hat jedoch
im Gegensatz zum Restzug den Vorteil, dass seine Fenster sich öffnen
lassen. Da der Lokführer verständlicherweise nicht schwitzen will,
macht er vom Privileg des Fensteröffnens Gebrauch, was zudem die
schnelle Entsorgung von biologisch abbaubaren Abfällen wie Apfelresten
enorm erleichtert. Nun verträgt sich ICE- Hightech aber nicht mit
offenen Fenstern, sodass der Zug statt 300 womöglich nur 80
Stundenkilometer fährt.
Bevor jedoch die Wut ob dieser Mischung aus Hitze und Verspätung
überhand nimmt, soll nicht verhehlt werden, dass offene Lokfenster
auch ihr Gutes haben. Oft quellen die ICE-Mülleimer auf den langen
Strecken über. Fahrgäste, die bisher angesichts randvoller Eimer nicht
wussten, wohin mit ihren Apfelresten, haben jetzt jemanden, an den sie
sich wenden können in ihrer Not. Sie übergeben die Strünkchen einfach
dem Lokführer. Der entsorgt sie mit einer lässigen Handbewegung.