(SZ)Auf den ersten Blick haben Marlene Dietrich und Konrad Adenauer
  wenig gemeinsam. Aber für die Pariser sind der Blaue Engel mit den
  verschleierten Augen und der Bundeskanzler mit den schmalen Lippen die
  einzigen Deutschen, die seit dem Zweiten Weltkrieg ein Straßenschild
  verdient haben. Neben der Place du Chancelier Adenauer gibt es jetzt
  eine Place Marlène Diétrich. "Amerikanische Schauspielerin und
  Sängerin deutscher Herkunft" - so wird die Rolle ihres Lebens auf der
  Einladung des Pariser Bürgermeisters zur Enthüllungsfeier korrekt und
  elegant beschrieben. Dabei tut sich Frankreichs Hauptstadt leichter
  als Berlin, das zu Ehren seiner großen Tochter erst nach erheblichem
  Gezerre einen Teil des Potsdamer Platzes umbenannte.

  Paris kreiert einfach einen Platz, wo bisher drei Straßen namenlos
  aufeinander stießen, eine davon sinnigerweise die Rue de Lübeck. Im
  nahen Palais Galliéra, dem Museum der Mode, wird gleichzeitig eine
  Ausstellung von Roben und anderen Reliquien der Diva eröffnet. Und
  bloß ein Katzensprung ist es zur Rue Goethe samt ZDF-Studio oder zum
  Goethe-Institut der Avenue Iéna, die eigentlich an Napoleons Siege in
  Deutschland erinnert. La Dietrich ist in feiner, aber kleiner
  Gesellschaft. Denn außer Gutenberg, Jean-Sébastien Bach, Beethoven,
  Henri Heine und Humboldt hat es gerade ein halbes Dutzend Deutscher zu
  einer Pariser Straße gebracht.

  Schon zu Lebzeiten war Marlene eine Legende, und sie hatte nichts
  dagegen, wenn Freunde an dieser Legende strickten. So war sie nicht
  aus Protest gegen Hitler nach Hollywood gegangen, sondern schon 1930,
  als die Paramount ihr einen Sieben-Jahres-Vertrag bot, während sich
  die Ufa nicht einmal nach ihrem Erfolg in Der Blaue Engel mit
  schriftlichen Garantien an sich bindenwollte. Abscheu gegen das Dritte
  Reich gab den Ausschlag dafür, dass der einzige deutsche Fixstern am
  internationalen Filmhimmel nicht mehr daheim scheinen wollte. Obwohl
  es dabei doch Momente des Flackerns gab. "Marlene Dietrich hat in
  Paris in unserer Botschaft eine formelle Erklärung abgegeben", so
  notierte Joseph Goebbels im November 1937 in sein Tagebuch, "mit
  Betonung, dass sie Deutsche sei und bleiben wolle. Sie soll auch bei
  Hilpert im Deutschen Theater auftreten. Ich werde sie nun in Schutz
  nehmen." Am Ende wurde nichts daraus, obwohl der
  Reichspropagandaminister ihr 200000 Reichsmark pro Film bei freier
  Wahl des Stoffes, des Produzenten und des Regisseurs offeriert hatte.
  Als ihre lange Karriere in Amerika zu Ende war, zog Marlene Dietrich
  nach Frankreich. Sie starb nur wenige hundert Meter von der Adresse
  entfernt, die jetzt ihren Namen trägt. Marlene war gern in Paris. Nur
  begraben wollte sie dort nicht sein.