(SZ)Über Sultan Mehmet II., den Eroberer, hält sich das Gerücht, er
habe bisweilen Anwandlungen von Zartgefühl gehabt. Als er vor nun
ziemlich genau 550 Jahren an der Spitze seiner wilden Scharen das
gefallene Konstantinopel betrat, wollen seine Hofschreiber beobachtet
haben, wie der Gefürchtete mit einem sie zugleich befremdenden wie
verstörenden Ausdruck von Rührung durch den demolierten Kaiserpalast
von Byzanz schritt und Dichterworte murmelte: "In des Palastes leeren
Fensterhöhlen webt die Spinne. Die Eule ruft in Afrasiabs Burg die
Stunde von verlassner Zinne." So sehr sich ein Vergleich des damals
verblichenen byzantinischen Kaiserhauses mit der Führung der CDU
verbietet - oder andererseits angesichts der für beide christlichen
Institutionen sprichwörtlichen Ränke auch wieder nicht -, so eifrig
webt die Spinne ihre Netze auch in einer traurigen Ruine zu Bonn. Dort
lenkte einst ein gefürchteter Imperator die Geschicke seines Reiches,
mittels eines Telefonverzeichnisses übrigens. Einsam und verlassen
wartet das unweit der gleichnamigen Allee der Bundesstadt gelegene
Konrad-Adenauer-Haus auf den Fuß des Eroberers, nicht ahnend, dass
statt dessen bald der Bagger kommt.
Selbst gräßliche Sultane mögen einmal Tränen spüren, von der Deutschen
Telekom aber wird man das nie sagen können. Sie ist der Besitzer der
früheren CDU-Parteizentrale am Rhein und wird tun, was sie immer tut:
rote Zahlen schreiben und zu deren Verwaltung Gebäude von scheußlicher
Gestalt errichten. Letzteres eben auch auf jenem Grund, auf dem noch
das Adenauer-Hochhaus vor sich hindämmert. Dabei könnten dessen Wände
noch so viele Geschichten erzählen, und was hätte sich daraus alles
lernen lassen...
Zum Beispiel: Hüte Dich vor denen aus München - was der Blick aus dem
neunten Stock auf die von den Bayern anno 1583 aufs Heimtückischste in
die Luft gesprengte Godesburg dringend nahe legt. Der hier im Chefbüro
residierende schwarze Riese hat diese Lehre stets und mit Erfolg
beherzigt, erfolgreicher als eine zweite: Unterschätz' nicht die
Sozen. Deren gleich zu Füßen des stolzen CDU-Turms sich krümmende
"Baracke" erschien zwar wie der Beton gewordene sozialdemokratische
Minderwertigkeitskomplex; aber dennoch knallten 1998 dort unten die
Champagnerkorken, während droben im Konrad- Adenauer-Haus die
Teilnehmer einer tristen Wahlparty nach glaubwürdigen Berichten "nicht
einmal mehr Lust verspürten, vom Büffet zu kosten". So endete die Ära
Kohl und bald auch die jenes Hauses, von dem aus die alte Republik
lange beherrscht wurde und das ihr so ähnlich war: stolz aufragend und
doch bescheiden im Äußeren. Und die Macht, die darin steckte, blieb
hinter biederen Textiltapeten verborgen.