((SZ)Was ist Größe? Jedenfalls eine relative Größe, so viel steht
  fest. Die Geschichte der großen Männer umfasst Massenmörder, aber auch
  den Entdecker klitzekleiner Wesen wie des Tuberkelbazillus'. Mancher
  pumpt sich auf über das gewöhnliche Maß, was im Reich der Tiere eine
  erfolgreiche Methode sein kann, um Feinde abzuwehren - der
  Ochsenfrosch ist so ein Beispiel. Ideenreiche Medien aber steigern
  Aufgeblasenheit aller Arten ins Unermessliche, abzulesen an der hohen
  Zahl der Gurus, Mogule, Tycoone, Zaren und Päpste, die das Land
  bevölkern (der Hühnerbaron ist nicht der Geringste unter ihnen).
  Rechnet man noch die selbst ernannten... hinzu, ferner all die
  Vordenker, Querdenker, Urgesteine und enfants terribles, so wird die
  Luft langsam dünn um jene, die weder im Guten noch im Bösen etwas
  Großes an sich entdecken können, im Leben nicht - und wer weiß schon,
  wie das Ende wird.

  Dass vieles relativ sei, ist so ein verbreiteter Spruch, aber den
  meisten Menschen in Wahrheit unangenehm, weil sie nach Sicherheit
  suchen. Als sicherste, eben berechenbare Größe gilt der Rekord, und
  die Rekorde purzeln derzeit nur so in der besonders dünnen Luft des
  Himalaya. Bergsteiger leiden furchtbar darunter, dass praktisch jedem
  Gipfel schon irgendeiner seinen Fußabdruck resp. Stempel aufgedrückt
  hat. Der einzige Weg zur Größe besteht nun darin, sich immer neue,
  rekordträchtige Handikaps auszudenken, was im Falle des vor 50Jahren
  erklommenen Mount Everest dann so aussieht: Am Freitag wurde der
  älteste Gipfelstürmer vermeldet, ein 70-jähriger Japaner, am Sonntag
  die jüngste Besteigerin, eine 15-jährige Nepalesin. Weil nun schon ein
  yetihafter Südtiroler ohne Sauerstoffgerät oben war, die erste Frau
  sowieso; weil ferner die ersten Übermenschen aus 8850 Metern mit
  Skiern abgefahren und mit dem Gleitschirm abgeflogen sind, ist für
  einen neuen Rekord Phantasie gefragt. Noch war kein Yorkshire-Terrier
  auf dem höchsten Gipfel, noch fehlt der erste Barfuß-Aufstieg, und
  überhaupt: Möllemann war auch noch nicht oben, nie hat die Menschheit
  bisher einer Pressekonferenz auf dem Dach der Welt beiwohnen dürfen,
  in der atemlos die Gründung einer neuen, einer großen Partei verkündet
  wird.

  War eigentlich Effenberg schon auf einem Achttausender? Sicher könnte
  er es, wenn er nur wollte. Der Mann ist jetzt schon der Gipfel, ist
  jetzt schon die Höhe. Den Ochsenfrosch lässt er so klein aussehen wie
  einen Tuberkelbazillus, weil der irgendwann die Luft rauslassen muss,
  ob er will oder nicht. Effenberg aber kann sich länger aufblasen, als
  ein Südtiroler vom Basislager bis zum Gipfel braucht, getreu dem Motto
  des amerikanischen Schriftstellers Ambrose Bierce: "Für Größe das ein
  jeder hält, worin er selber sich gefällt."