(SZ) Also, jetzt muss aber wirklich mal was passieren am Arbeitsmarkt.
Inzwischen ist die Lage so verzweifelt, dass selbst Menschen, die
Arbeit haben, diese nicht mehr los werden. Früher hat es noch
ausgereicht zu sagen, dass man aufgibt. Heute muss man offenbar erst
einen Test bestehen, bevor man seinen Arbeitsplatz verlassen darf.
Da hat am Wochenende zum Beispiel der Fußballtrainer Thomas Hörster
versucht aufzugeben. Seine Mannschaft, Bayer Leverkusen, hatte wieder
einmal verloren. Sie steht immer noch auf einem Abstiegsplatz, und es
sind nur noch zwei Spiele bis Schluss. "Steigen Sie jetzt ab?" fragten
die Reporter. Hörster schaute traurig, dann sagte er: "Nach der
Leistung heute, muss ich sagen, habe ich aufgegeben." So etwas, denkt
man, müsste für eine fristlose Kündigung doch ausreichen. Aber nein.
Auf einmal war Aufgeben nicht genug, man sollte es auch ehrlich
meinen. Und genau das zweifelte der Manager des Vereins, Reiner
Calmund, an. Deshalb unterzog er Hörster einem "Glaubenstest". Es ist
dies ein neues Verfahren, das Calmund entwickelt hat. Dabei schaut er
seinem Trainer in die Augen und versucht zu erspüren, was für ein
Gefühl dieser hat. Und nur, wenn dieses Gefühl tiefe und ehrliche
Verzweiflung wäre, würde er ihn feuern. Nun, Hörster hatte Glück. Er
hat den Test bestanden. Er ist raus. Aber was ist mit all den anderen?
Am Wochenende hat ja auch der Bundesfinanzminister versucht
aufzugeben. Die Mannschaft seines Ministeriums hatte gegen höhere
Schulden gekämpft und wieder einmal verloren. "Und der ausgeglichene
Haushalt bis 2006? Schaffen Sie das?" fragten ihn die Reporter. "2006
ist nicht zu schaffen", sagte Hans Eichel. Ihm glaubte man sofort.
Aber gehen ließ man ihn trotzdem nicht. "Eichel bleibt!" sagte der
Kanzler. Warum? Macht es einen Unterschied, ob einer zwei Spiele vor
Schluss aufgibt oder drei Jahre? Lässt einen Ramelow in der Kabine
nicht genauso verzweifeln wie Ulla Schmidt im Kabinett? Vielleicht
liegt es daran, dass der Kanzler den Minister nicht zum "Glaubenstest"
einbestellen konnte. Ihm nicht in die Augen sah, nicht seine Gefühle
erspürte. Nicht fragte: "Hans, glaubst Du denn nicht, dass wir 2006
schaffen?" Sondern leider gerade in Asien war. So ist Eichel an seinen
Arbeitsplatz gefesselt wie einst der irakische Informationsminister
Mohammed Said el Sahhaf, der auch nicht aufgeben durfte. Selbst als
wirklich Schluss war und die Amerikaner in Bagdad standen, wollte er
ihre Mägen noch in der Hölle rösten. Als US-Soldaten dann den
staatlichen Rundfunk stürmten, hatte Sahhaf das Studio verlassen. Er
hatte das schwarze Barett abgenommen und sich einen weißroten Schal um
den Kopf gewickelt. Er hatte "Auf Wiedersehen" gesagt, als er durch
die Tür ging, nicht "Lebt Wohl".