(SZ)Fritze, der splintige, kleine Fritze, sortiert
  frühmorgens Briefe. Drüben, ein paar Tische
  weiter, sitzt die blonde Dienstleistungsfachkraft mit den
  langen Beinen. Der würde Fritze zu gern zeigen, was so
  in ihm steckt, aber er traut sich nicht mehr. Sie hat ihn
  ausgelacht, die Kanaille, und alle haben's
  mitgekriegt. Daran denkt Fritze oft, die Lippen schmal, die
  Augen leuchten stählern blau. Nach dem
  Fußballtraining träumt Fritze in seiner Bude
  davon, dass er einmal ein Großer sein wird. Die
  Blonde wird dann klein werden, so klein, dass sie ihm grad
  noch an den Nabel reicht. Sie trägt eine Binde um die
  Augen, weil es Fritze so gefällt. Gefällt's
  ihm nicht mehr, war's das eben, da steht Fritze locker
  drüber.

  Wenn Fritze groß ist. Er hat dazu PlanA, PlanB,
  PlanC, PlanD. PlanA, "der Küblböck",
  ist schnell verworfen; zu allen nett sein, das will Fritze
  nicht. PlanB, "der Bohlen", taugt nicht besser;
  Fritze bewundert zwar die lässige Art, in der B.
  über Frauen spricht, ist aber leider so unmusikalisch
  wie ein Kölner Geißbock. Bliebe erst einmal
  PlanC: Fritze wird ein Weltfußballer, einer wie Pele,
  Beckenbauer, Zidane oder zumindest so ein halber Weltstar
  wie Matthäus. Das traut sich Fritze zu, andererseits
  sieht er auch die Risiken. Ist nicht der Fußballer
  Effenberg genau daran gescheitert, und das trotz enormen
  Talents, trotz kräftiger Statur und eines
  unbändigen Willens? Ist nicht dieser Effenberg im
  Grunde immer zweite Garnitur geblieben, Zeit seiner
  Laufbahn an der internationalen Spitze kratzend, aber nie
  in die Sphäre der Genies vorstoßend? Fritze
  zweifelt. Denkt an die Blonde im Verteilzentrum. An rote
  Ferraris, exklusive Diskos und Türsteher, die buckeln.

  Und entwickelt PlanD: Fritze wird im Fußball deutsche
  Spitze - so schwer ist das nicht, kein Zidane weit und
  breit. Ansonsten wird Fritze so sein, wie er immer schon
  gern gewesen wäre: Wenn er schlecht spielt, wird er so
  auftreten, als sei er trotzdem der Beste. Wenn ihn das Volk
  mit Geld überhäuft, wird er dem Volk nicht die
  Hand reichen, sondern höchstens einen Finger, und den
  aus gebührender Entfernung. Arbeitslose wird er
  beschimpfen, Penner nur mit der Schuhsohle berühren.
  So wird Fritze ein Star. Wenn er sich von einer Frau
  trennt, wird ihn Herr Beckmann oder Herr Kerner einladen,
  weil die Gründe dieser Trennung untrennbar mit dem
  öffentlich-rechtlichen Auftrag des
  Qualitätsfernsehens verwoben sind. Wenn Herr Kerner
  oder Herr Beckmann zart in ihn dringen, werden sie es mit
  dem leisen Schauer dessen tun, der einer geheimnisvollen,
  unbezwingbaren Macht gegenübersteht. So träumt
  der kleine, splintige Fritze, während er die
  Fußballschuhe reinigt, und seine Augen leuchten
  stählern blau. Der Blonden mit den langen Beinen wird
  er's noch zeigen.