(SZ)Wenn die Bild behauptet, Deutschlands 17 Millionen
Raucher "rasen, toben - und qualmen vor
Wut", so ist das ein wenig übertrieben. In
München beispielsweise sah man gestern keinen der
schätzungsweise 215000 hier ansässigen Raucher
rasen, toben oder gar vor Wut qualmen, jedenfalls nicht
öffentlich, und so war es wohl auch im Rest der
Republik. Das liegt sicher nicht am Wollen: Wer unsere
Raucher je hat rasen, toben oder vor Wut qualmen sehen, der
weiß, dass es da unter der Asche noch tüchtig
glimmt und dass sie, selbst wenn sie nicht husten, eine
rechte Rasselbande sind. Wahrscheinlich kommen sie vor
lauter Verblüffung nicht zum Rasen, Toben und Qualmen
- vor Verblüffung darüber, dass sie jetzt
noch weniger als zuvor wissen, ob sie leben oder nicht doch
besser sterben sollen. Indem die Bundesregierung die
Tabaksteuer um einen Euro pro Schachtel Zigaretten
erhöht, gibt sie wieder einmal den Blick frei auf das
zutiefst Paradoxe der Raucherexistenz.
Wie sein Bruder im Ungeist, der Trinker, ist der Raucher
als solcher zunächst etwas Skandalöses, weil er,
wie man so schön sagt, Raubbau an seiner Gesundheit
betreibt. Im Rahmen dieses Raubbaus vergreift er sich auch
am sog. Volkskörper: in gesundheitlicher Hinsicht
sowieso, daneben aber auch in wirtschaftlicher, weil er
öfter kränkelt als der Nichtraucher und in diesen
Fehlzeiten nichts zum Bruttosozialprodukt beiträgt.
Freilich macht er den Schaden oft dadurch wieder wett, dass
er bald stirbt und so zwar noch Sterbegeld abzockt,
ansonsten aber die Kranken- und Rentenkassen dauerhaft
entlastet. Er tut dies nicht freiwillig, doch
"heilt" in solchen Fällen der
volkswirtschaftliche Nutzen das moralische Manko.
Andererseits: der Raucher (und sein Bruder im Laster, der
Trinker) als Steuerzahler, Melkkuh und Scherschaf. Je
wüster er es treibt, desto mehr Geld schaufelt er in
die Staatskasse, was für ihn allerdings bedeutet, dass
er womöglich schneller als vorgesehen den Löffel
abgibt beziehungsweise die Kurve kratzt, und wenn das
geschieht, ist das für die Krankenkasse ein
höchst ambivalentes Ereignis. Das Gute daran: Diese
Raucherbeine treten vorzeitig ab, dieser Lungenkrebs ist
schon mal aus der Statistik draußen. Das Schlechte
daran: Die anderen Raucherbeine und Lungenkrebse bleiben da
und liegen der guten Ulla Schmidt auf der Tasche, und da
sie ja zudem mit den versicherungsfremden Leistungen -
wie das schon klingt! - geschlagen ist, geht ohne
starke Raucher eigentlich gar nichts mehr.
Wir haben also die paradoxe Situation, dass sowohl nur ein
toter Raucher als auch nur ein lebender Raucher ein guter
Raucher ist. Bedenkt man, dass es in Deutschland 17
Millionen Raucher gibt, dann würde man von der
Bundesregierung schon gern gesagt bekommen, welche Variante
sie bevorzugt.