(SZ) Lieber Leser! Besser kann ein Beitrag nicht beginnen. Das liegt
natürlich an der Schönheit dieser beiden deutschen Wörter: der Leser,
die Liebe. Ihre Schönheit aber kommt von ihrem Wohlklang, welcher sich
durch den Zusammenklang noch steigert. Liebe und Leser, L und L. Wir
stehen mit Andacht vor einem Beispiel jenes uralten Sprachzaubers,
welchen man den Stabreim nennt oder auch die Alliteration. Wieso aber
fällt uns dieses gerade heute ein? Weil wir jeden Tag an den Leser
denken, an den lieben Leser zumal. Das ist die Wahrheit, aber nicht
die ganze. Denn gerade eben sind wir im Plattenladen gewesen, wie
immer (Geiz ist geil!) auf der Suche nach dem aktuellen Preisknaller,
nach dem Schnäppchen. Und dort, auf dem großen Wühltisch "Aktion
Klassik", lagen dann diese Compact Discs, wir haben sie allesamt
käuflich erworben: die Platten Bach fürs Büro, Barock zum Baden,
Barock zum Bügeln, Puccini zur Pasta, Liszt gegen Langeweile, Mozart
als Muntermacher sowie natürlich Verdi für Verliebte. Nur vom Kauf der
Schubert-CD Bei einer Tasse Tee nahmen wir Abstand, weil hier die Muse
unseren unbekannten genialen Stabreimer ein einziges Mal im Stich
gelassen hat. Denkt man an die geradezu überragende Bedeutung des
Leitmotivs "Wandern" im Schubertschen Werk, hätte der Titel Schubert
zum Schuheputzen weitaus näher gelegen als die trübe Tasse Tee.
Bevor man sich nun aber weitere Produkte der Serie herbeiwünscht (die
Platten Lehár für Lesben oder Prokofjew für Prolos), muss man an den
Altmeister und Urvater der Stabreimkunst erinnern, den Tonsetzer und
Wortwerfer Wagner. Der sein gewaltigstes Werk, den "Ring", mit einem
absoluten Meisterstück des Genres beginnen lässt, dem Gesang der
Rheintochter Woglinde: "Weia! Waga! Woge, du Welle! Walle zur Wiege!
Wagalaweia! Wallala weiala weia!" Hatte er solches gedichtet, war
Wagner wohl glücklich. Fühlte dann wohl auch Wollust zum Weibe. Doch
immer blieb da ein Schmerz: dass er Richard heißen musste! Nicht
Wieland, nicht Wolfgang, wie seine Enkel. Nicht Wotan, wie es ihm
gebührte. Ihm, dem Giganten, sind wir alle dankbar verpflichtet. Der
Kollege von der Bad Homburger Wo che, der kürzlich die rauschhafte
Schlagzeile erfand: "Fetisch Fahrrad feierte ein freudiges Fest". Oder
der Anonymus von der Allianz, der eine Podiumsdiskussion über die
politische Karikatur unter das Motto stellte: "Zwischen Karies und
Karitas". Es ist ein Zauber ohne Grenzen und Ende, denken wir nur an
die magischen Doppelnamen: Noelle-Neumann natürlich, Reich-Ranicki.
Oder gar an die Namen mit Binnenstabreim, wie Möllemann. Oder, letztes
Beispiel für heute: Rürup! Fünf Buchstaben nur. Und dennoch die ganze,
geballte Fülle des Wohllauts.