(SZ) Ach, jetzt gibt es nur noch tausend Große Pandas, die in Freiheit
  leben, und in den Zoos noch mal hundert Pandamänner und -frauen, und
  eine davon ist Yan Yan. Yan Yan heißt "die Schöne", aber das ist nur
  so ein Name, den die Menschen sich ausgedacht haben, weil sie der
  Pandafrau schmeicheln wollen. Dabei ist Yan Yan, ehrlich gesagt, auch
  nicht schöner als die 1100 anderen, die es noch gibt. Zwei
  übereinander getürmte Wollknäuel, schwarze Ohren drauf, klassische
  Sonnenbrille ins Gesicht, fertig. Jedenfalls sehen die Fellflecken um
  die Augen doch so aus wie eine Sonnenbrille, oder? Wer eine
  Sonnenbrille trägt, will verhindern, dass jemand in ihn hineinsehen
  kann, durch die Iris direkt in die Seele. Die Sonnenbrille drückt
  Eigensinn und Stolz aus, bei lässigen Schauspielern so sehr wie bei
  lässigen Tieren, von denen - außer dem Panda - nur noch der Dachs eine
  Art Sonnenbrille hat, allerdings ein lächerlich yuppiehaftes Modell.

  Yan Yan aber, Pandafrau von 18 Jahren, wohnhaft im Berliner Zoo,
  geheimnisvoll schleichende Diva: Yan Yan lässt niemanden an ihr
  Innerstes. Nicht den Pandamann Bao Bao, dem sie fast ein halbes Ohr
  abgebissen hätte bei einem seiner hingeschluderten Paarungsversuche.
  Nicht die Pandaforscher, die mit Panda-Pornofilmen anrücken, um sie zu
  stimulieren - oder mit Samenspritzen, um sie künstlich zu befruchten.
  Pandas vergeuden weder Kraft noch Zeit, deshalb sind sie nur einmal im
  Jahr für 36 Stunden empfängnisbereit, aber auch dann läuft ihnen kein
  Sabber aus dem Mund, und die Lust in ihren Augen kann ja keiner lesen.
  Den Zeitpunkt gilt es zu berechnen, da sind Tierärzte wie
  Fallschirmspringer, die auf einem Bierdeckel inmitten eines
  Fußballplatzes landen müssen. Diesmal könnte es gelungen sein, sagen
  sie: Yan Yan ist - zu Ostern, wo Eier als Fruchtbarkeitssymbol
  versteckt werden - erneut besamt worden. Sie warten schon so lange auf
  diese Panda-Geburt in Berlin, die Ärzte und Bürger und Politiker. Sie
  wäre ein großer Tag für die Forschung, für den Zoo, für die Stadt.

  Vor Juli gibt es aber keinen Befund, ob die Besamung geklappt hat. Es
  ist schwierig mit Pandas. Sie sind in allem so diskret, Yan Yan und
  die anderen 1100 letzten Überlebenden der gejagten, vertriebenen Art
  der Ailuropoda melanoleuca. Es werden immer weniger. Sie haben einfach
  keine Lust mehr. Und auch in Berlin wird es Juli werden, und Yan Yan
  wird vielleicht wieder nicht trächtig geworden sein, aber dann können
  die Ärzte es nur noch dreimal versuchen, sie zu befruchten: mit 21 ist
  eine Pandafrau zu alt für ein Kind. Und vielleicht sind die
  misslungenen Experimente am Ende schlimmer für die hilflosen Menschen
  als für ein altes, schwarz-weißes Kuscheltier, das seine Sonnenbrille
  - wie alle stolzen Wesen - auch dann nicht abnimmt, wenn bald der
  letzte Tag gekommen ist.