(SZ)Bisweilen beschleicht einen der Eindruck, dass selbst das so
  genannte "Alte Europa" sich unmerklich abhanden gekommen ist. Was als
  traditionsgesättigter, aber gleichwohl noch immer sehr vitaler
  Zusammenhang ausgegeben wird, erweist sich bei genauerer Betrachtung
  lediglich als bloße Behauptung. Was diesen Verdacht aktuell erhärtet,
  ist, dass Sinn und Wesen des Osterfests von immer weniger Mitmenschen
  begriffen werden. Laut einer Umfrage verwechseln viele jüngere
  Deutsche das Osterfest mit Weihnachten, sind also der Überzeugung,
  dass damit die Geburt Christi gefeiert werde. Andere meinen gar, mit
  dem Fest solle an die Hochzeit Jesu erinnert werden. Vermutlich sind
  die meisten jedoch der Überzeugung, dass an Ostern der Hase, wenn
  schon nicht im Pfeffer liege, so doch in einem Osternest sitze, um
  bunte Eier zu legen. Demzufolge wäre Ostern entweder eine
  Marketingkampagne des chronische Not leidenden gewerblichen
  Mittelstands oder auch nur eine Errungenschaft der Gewerkschaften, von
  denen diese Anhäufung von Feiertagen als arbeitnehmerfreundlicher
  Besitzstand zäh verteidigt wird.

  Das alles zeigt, wie wenig Durchschlagskraft insbesondere die einst so
  rührige und beneidenswert erfolgreiche, weil so überaus volksnahe
  katholische Aufklärung noch besitzt, die den theologisch-spirituellen
  Sinn des Osterfests auf die handliche Faustformel reduzierte: "Das
  Grab ist leer, / Der Kühlschrank voll." Einen nicht unerheblichen
  Beitrag zur Sinnentleerung des Osterfests dürfte aber auch der
  Kulturkampf der vor allem hierzulande auf engstem nachbarschaftlichem
  Raum miteinander konkurrierenden Konfessionen geliefert haben: Während
  nämlich den Protestanten der gestrige Karfreitag als der höchste
  Feiertag gilt, nutzen Katholiken diese hochwillkommene Verlängerung
  des arbeitsfreien Wochenendes dazu, endlich den immer wieder
  aufgeschobenen Osterputz vorzunehmen.

  Auch wer dies betrüblich findet, muss sich zu der Einsicht
  resignieren, dass einer Zeit und Zivilisation, die sich dem Slogan
  "forever young" verschrieben hat, der ursprüngliche österliche
  Sinnzusammenhang von Leiden, Tod und Auferstehung schlicht
  unverständlich geworden ist. Darin kommt ein Infantilismus zum
  Vorschein, dem alles geschichtliche Herkommen und jegliche kulturelle
  Tradition wesensmäßig gleichgültig, wenn nicht gar feindlich sind. Das
  jüngste und nachdrücklichste Exempel dafür liefert die Plünderung des
  Bagdader Nationalmuseums, der die selbstermächtigten Befreier des Irak
  tatenlos zusahen. Möglich, dass sich mancher schlicht sagte, man könne
  die leergeräumten Vitrinen, die Artefakte uralter Kulturen bargen, mit
  Hummel- Figuren aus der Sammlung Donald Rumsfeld viel zeitgemäßer, vor
  allem aber verständlicher wieder füllen.