(SZ)Reden wir umständehalber einmal vom Sperling, passer domesticus,
den Brehm als "kräftig gebauten, kurzleibigen Finken mit mittellangem,
starkem, etwas kolbigem Schnabel" trefflich charakterisiert. Diese
Vogelart, die für gewöhnlich Spatz, gelegentlich auch Mistfink genannt
wird, identifiziert der Vogelkundler als "Kulturfolger". Das bedeutet,
dass der Spatz der sich über das weite Erdenrund unaufhaltsam
ausbreitenden Zivilisation auf dem Fuße folgt, weshalb er auch als
eine gewissermaßen "eingebettete" Tierart gelten könnte. Als
Faustregel für sein Vorkommen mag deshalb die Feststellung des
einschlägigen Experten W. Marshall gelten: "Der Haussperling gehört
zum Getreidebau in dem Grade fast wie der Hamster." Der Volksmund
könnte dies mit dem Bemerken kommentieren, dass die Spatzen solche
Weisheit längst von allen Dächern pfeifen beziehungsweise, wie es
korrekt heißen müsste, "tschilpen".
Der Sperling an sich ist aber auch sonst das Opfer manchen Irrtums.
Weil er meist in quirlig-lärmenden Schwärmen vorzufinden ist, gilt er
gemeinhin als frech. Damit wird seine unerschrockene Intelligenz, die
ihn allen Nachstellungen mit Leimruten, Netzen und anderen
unweidmännischen Jagd methoden erfolgreich hat trotzen lassen,
böswillig verkannt. Ja, den Spatzen ist nicht einmal davor bange, sich
gewissermaßen als Untermieter im Adlerhorst einzulogieren und hier als
Schmarotzer ihr Dasein zu fristen, wiewohl es dem "König der Lüfte"
laut Brehm keineswegs "an gutem Willen, sie abzuwürgen" mangelt. Das
ebenfalls sprichwörtliche "Spatzenhirn" ist, wie zumindest die Ulmer
wissen, eine Verleumdung. Der Sage nach war es ein Spatz, dessen
Beispiel sie aus arger Verlegenheit rettete, als sie beim Bau des
Münsters daran scheiterten, lange Balken quer durch das Portal ins
Kirchenschiff zu schaffen: "Das Tor war zu eng, die Balken zu lang, /
Dem Stadtbaumeister ward angst und bang." Ein Spatz, der sich sein
Nest baute, machte es ihnen vor, wie diese Schwierigkeit zu überwinden
war: Sobald er das Schlupfloch erreicht hatte, wendete er ein Ästchen,
das er quer im Schnabel trug, längs und schob es hinein.
Viel ließe sich noch vom Spatzen lernen, doch dazu scheint es nun zu
spät zu sein. Der graubraun gefiederte Geselle verschwindet aus den
Städten; in Paris soll es um 2050 keinen einzigen Spatzen mehr geben,
sagt ein französischer Vogelkundler. Schlimme Aussichten! "Ein
Städtchen ohne Sperlinge macht einen so traurigen Eindruck wie ein
Haus ohne Kinder, und viele Spatzen in einer Ortschaft sind ein Beweis
ihres Wohlstandes, denn wo es wenig zu brocken gibt, da gibt es auch
wenig zu betteln." So zum letzten Mal Brehm. Wie immer hat er Recht,
und wie immer hört sich sein Rechthaben ausgesprochen schön an.