(SZ) Neunter Kriegstag. Vom Fußball her ist das Phänomen vertraut,
  dass neben dem TV-Moderator ein nicht mehr ganz junger Herr sitzt und
  Dinge vorbringt wie "war'n Ball wie ein Strich" oder "Die Jungs müssen
  über die linke Flanke kommen". Was sagt der Militärexperte anderes?
  Flanke, Vorstoß, Treffer. Leider fordert ein zweiter Experte sogleich:
  Erst die Treffer! Dann der Vorstoß! Ein dritter rät von Vorstößen
  generell ab. So trägt das alle Kanäle verstopfende
  Kriegsexperten-Wesen zu den Wirren dieser Zeit noch bei, weshalb eine
  Übersicht dringend geboten scheint.

  Im Krieg schlägt zuerst die Stunde des Militärs im Ruhestand. Ihn
  erreicht der Anruf der Sendeanstalt, als er im Hobbykeller gerade die
  Schlachtflotte von Scapa Flow nachbastelt. Kurz danach steht er im
  Studio und erklärt, soldatisch knapp ("Häuserkampf schlecht für
  Panzereinsatz"), dank seiner Kontakte zur Militärspitze wisse er
  genau, dass die Jungs über die rechte Flanke kämen. Bedauerlicherweise
  hat der pensionierte General einen natürlichen Feind. Das ist der
  Friedensforscher. Er operiert von SPD- dominierten Hochschulen aus und
  hat seit seiner Ernennung zum Professor schon immer jegliche
  militärische Bewegung einschließlich des Morgenappells im Kasernenhof
  für undurchführbar erklärt ("Ich kann nur vor den Folgen warnen"). Da
  er noch nie recht behalten hat, gerieten seine Ausführungen
  praktischerweise in Vergessenheit, so dass er sie aufs Neue vorbringen
  kann. Den Begeisterten wiederum ängstigen die Folgen des Krieges
  nicht, da er sie nicht begreift. Dieser Expertentyp, meist ungedienten
  Journalistenkreisen entstammend, hat Wichtigeres zu sagen: "Sie müssen
  den Gegner taub, blind und stumm bomben." Oder: "Der Apache ist eine
  Killermaschine." Die Frau lässt man über so schöne Dinge übrigens
  besser gar nicht erst reden.

  Über all dies kann der Veteran nur lächeln. Er hat doch schon alles
  gesehen. Steht auf Du mit alten Schlachtrossen wie dem Kongo- Müller,
  hat die Ödnis der Schnee-Eifel durchstreift, war '56 Gefährte des
  Rückzugs. Ihn überrascht gar nichts mehr, weshalb leider auch er
  niemanden mehr überrascht mit seiner Klage, die Lehren von damals
  würden mal wieder nicht gezogen. Der grantelnde Veteran ist
  Einzelgänger, ganz im Gegensatz zum Wichtigtuer. Dieser, von Beruf
  vielleicht stellvertretender Leiter des Instituts für ballistische
  Studien, vermag seine Expertise der militärischen Lage so perfekt
  anzupassen, als habe er es schon immer gesagt. Rollt am Freitag der
  Vormarsch, verkündet er: Donnerstag stehen sie vor Bagdad. Führen die
  Marines am Donnerstag unschöne Häuserkämpfe in staubigen
  Wüstennestern, sagt er: Das war doch zu erwarten; nur Laien könnten
  glauben, der Krieg sei ein Computerspiel. Damit hat der Experte etwas
  Richtiges gesagt. Nur gemerkt hat er es nicht.