(SZ)Keineswegs von ungefähr werden gerade jetzt die Nationalflaggen,
  die vor dem New Yorker Uno-Gebäude an mächtigen Masten zerren, immer
  wieder ins Bild gesetzt. Schön bunt sind sie, und in der
  kombinatorischen Fülle ihrer Farben sagen sie jedem, wohin er gehört -
  und wer die anderen sind. Fahnen stecken nicht nur die
  Spielfeldgrenzen ab; vor allem sind sie ein Symbol, um das man sich
  schart, wenn der Patriotismus mobil macht und wenn es gilt, den
  anderen zu zeigen, wo es langgehen soll. "Wenn die Fahne flattert", so
  weiß es das russische Sprichwort, "ist der Verstand in der Trompete."

  Wie zu vielen anderen einschlägig belasteten Traditionsbeständen, so
  hält der Deutsche auch zur eigenen Fahne eine gewisse Distanz. Das
  kann nicht verwundern, denn im vergangenen, im 20. Jahrhundert hat er
  sich viermal (und wenn er östlich von Elbe und Werra lebte, sogar
  fünfmal) an ein neues Nationaltuch gewöhnen müssen, was eine größere
  Anhänglichkeit vermutlich nachhaltig verhinderte. Im so genannten
  anderen deutschen Staat ließ die sich nur schwer herstellen, am
  schwersten dadurch, dass die dortige, mit Hammer und Zirkel
  geschmückte Fahne, die hüben gern als "Spalterflagge" geschmäht wurde,
  den Spalier bildenden Genossen millionenfach als "Wink-Element" in die
  Hand gedrückt wurde. Ebenso erfolglos blieben bislang selbst
  diskretere pädagogische Bestrebungen der Politiker, die sich nach
  amerikanischem Vorbild die Nationalflagge hinter ihrem
  Dienstschreibtisch aufstellten; wenigstens tauchte das den
  Hintergrund, der ansonsten nur durch vordergründige Blässe auffiel,
  etwas in Farbe.

  Die modebewussten Italiener haben dagegen ein sehr sympathisches,
  geradezu spielerisches Verhältnis zu ihren Nationalfarben
  Rot-Weiß-Grün. Dass sie in Ausnahmezeiten, etwa wenn ihre Mannschaft
  bei Fußballweltmeisterschaften gesiegt hat, die Fahnen auch weit
  nördlich der Alpen begeistert schwenken und dazu ein ausgiebiges
  Hupkonzert veranstalten, versteht sich. Darüber hinaus servieren sie
  die Nationalfarben seit langem auch als ein Nudelgericht namens Tris
  di Pasta. Kein Wunder, dass sich bei so vielfältiger Verwendung die
  Spektralwerte der italienischen Nationalfarben zu verändern begannen,
  gewissermaßen ins Taumeln und Tanzen gerieten. Damit soll nach dem
  Willen der Regierung Berlusconi Schluss sein. Die verfügte jetzt
  verbindlich, dass die Farbwerte der italienischen Trikolore
  Wiesengrün, Milchweiß und Tomatenrot sein sollen. Ob man mit diesen
  kulinarisch anmutenden Farbwertbezeichnungen einen besonders
  glücklichen Einfall hatte, wird sich zeigen. Das Schwarz-Rot-Gold von
  Weimar möge zur Lehre dienen: Republikfeindliche Spötter
  verunglimpften es im Nu als Schwarz-Rot-Senf.