(SZ) Bomben und Granaten! Alles in Deckung! Es pfeift und zischt und
  kracht um den kämpferischen Olli Kahn, und dank der Medienstreuung
  kriegt auch seine Truppe, der FC Bayern, einiges ab. Aus allen Rohren
  ballern die skandalsüchtigen Gazetten, sofern sie nicht von anderen
  Schaurigkeiten absorbiert sind, vom Superstarfinale, vom
  Kinderschänderhorror. Es herrscht Krieg im Land, und der FC Bayern
  kommt sich vor wie im Unterstand, doch statt mit der weißen Fahne zu
  wedeln, schießt er zurück. Kahn sei nicht das Problem, sagt der
  Manager Hoeneß auf seiner argumentativen Reservebank, aber wenn man in
  Bagdad hocke und warte, dass die erste Bombe fällt, sei das ein
  Problem. Das ist nun wahrlich eine Argumentation, bei der es kracht -
  ein Rohrkrepierer.

  Ist Saddam Hussein das Luder der Weltpolitik? So muss man fragen, wenn
  man die von Uli Hoeneß abgesteckte Problemlage weiter abtastet. Diese
  Ziererei, wenn's darum geht, sich unter den Waffenrock gucken zu
  lassen, diese gespielte Gschamigkeit, was die Potenz und das
  Samud-Potential angeht! Aber was ist mit Ollis Waffenrock? Warum
  weigert er sich, mit den Moral- Inspekteuren von Bild
  zusammenzuarbeiten? Mit dem Luder, man kommt um diese Einsicht nicht
  herum, ist immerhin ein Moment in den Kahn-Mythos geflutscht, das
  bisher fehlte. Es hat aus dem verwöhnten Glücksjungen, der lässigen
  Leitfigur, einen richtigen Helden gemacht, und zwar einen tragischen.
  Der Torwart, der durch flinke Paraden begeisterte, hat nun dramatische
  Fallhöhe. Wo kämen wir hin, wenn ein Held vor jeder Versuchung gefeit
  wäre. Nirgendwohin. Langeweile würde herrschen, Stagnation. Nun aber
  ist wieder die Aura alter, wundersamer Mären um den jungen Mann: Wir
  schützen Kahn, versprechen die Bayern, und schon hat die verklemmte
  Freistoßmauer etwas von Nibelungentreue.

  Wem das zu deutsch-bieder ist, der mag seine Gedanken schweifen lassen
  zu jener Gipfelstürmerei, jenem Übermenschentum, das mit dem Namen
  Nietzsche verbunden ist, den nur der Wahnsinn vor Ludereien schützte.
  Wie es scheint, will Hoeneß mit seinen Kurzschlüssen dem hammerharten
  Philosophen nacheifern. Dabei konnte Nietzsche auch ganz locker sein,
  easy und relaxed. Sein Gedicht "Unter Freunden" zeigt es: "Macht'
  ich's gut, so wolln wir schweigen; / Macht ich's schlimm -, so wolln
  wir lachen / Und es immer schlimmer machen, / Schlimmer machen,
  schlimmer lachen, / Bis wir in die Grube steigen. / Freunde! Ja! So
  soll's geschehn? / Amen! Und auf Wiedersehn!" Wahrscheinlich kann man
  sich einen lachenden Olli, einen schweigenden Uli nicht wirklich
  vorstellen. Vielleicht sollten sie Nietzsche als philosophischen
  Trainer verpflichten. Der hat sein Gedicht in diesem Sinne schon mal
  als ein "Nachspiel" deklariert.