(SZ)Die Schwerkraft ist, sehr laienhaft ausgedrückt, jener magische
  Klebstoff, der uns Menschen einerseits am Fliegen hindert, wenigstens
  am Fliegen aus eigener Kraft, der uns andererseits aber auch davor
  bewahrt, dass wir samt unseren Sachen vom Boden gerissen und
  zentrifugal ins All geschleudert werden. Nun gibt es ja Situationen,
  in denen es absolut notwendig ist, die Bodenhaftung für kurze Zeit zu
  lösen, und eine davon, vielleicht die klassische schlechthin, ist das
  Backen von Pfannkuchen. Deren Teig ist so beschaffen, dass sie, würde
  man sie zur Halbzeit nicht wenden, am Ende auf der Unterseite
  verbrannt und auf der Oberseite roh wären. Das kann auch bei anderen
  Gerichten vorkommen, doch nur bei Pfannkuchen hat es zu einer
  Wendetechnik geführt, die zwischen Kunst, Sport, Physik und Akrobatik
  seltsam hin- und herpendelt: zum Pfannkuchenwerfen.

  Im Grunde gehört das Pfannkuchenwerfen zu den entbehrlichen
  Küchenfertigkeiten: Man kann einen Pfannkuchen ohne weiteres mit dem
  Wender umdrehen, zur Not sogar mit der Schaumkelle; ebenso hat es sich
  bewährt, den Pfannkuchen auf einen Topfdeckel gleiten zu lassen und
  dann umgedreht wieder in die Pfanne zu stürzen. Freilich sind es
  gerade die Lockungen der Nutzlosigkeit, denen die Kunst offenkundig am
  wenigsten widerstehen kann. So, wie ein Gedicht nichts bringt und eine
  Sinfonie zu nichts gut ist, hat auch das Pfannkuchenwerfen sein' Sach'
  auf Nichts gestellt und nur das zweckfrei Schöne im Auge. Dass ihm zur
  reinen Kunst noch ein Stück fehlt, liegt am Schaustellerhaften,
  Jongleurmäßigen und latent Marktschreierischen dieser Technik. Nicht
  von ungefähr ist, wo Pfannkuchen geworfen werden, auch die Rekordsucht
  zur Stelle: Der Leipziger Ralf Laue hat 1997 einen Pfannkuchen in 2
  Minuten 416-mal hochgeworfen, und Mike Cuzzacrea aus Lockport, genannt
  "The Pancake Man", schaffte 1999 den Marathonlauf in 3 Stunden, 2
  Minuten und 27 Sekunden, wobei er nebenher immer einen Pfannkuchen
  warf.

  In Leeds haben Studenten jetzt errechnet, dass der perfekte
  Pfannkuchenwurf von der persönlichen Wurfgeschwindigkeit abhängt, und
  die ergibt sich laut dpa aus der Wurzel von mal Schwerkraft, geteilt
  durch die vierfache Entfernung vom Ellbogen zum
  Pfannkuchenmittelpunkt. Das klingt nach einem akademischen Jux, doch
  selbst wenn es das nicht ist, liegt die Sinnlosigkeit zutage. Das
  Schönste an der Pfannkuchenwerferei ist schließlich ihr Misslingen,
  sei es, dass der Pfannkuchen am Plafond hängen bleibt, sei es, dass er
  auf den Kopf des Kochs fällt oder sonst wohin. Generationen von
  Cartoonisten haben davon gelebt, und wahrscheinlich verdankt sogar der
  Kaiserschmarrn seine Existenz den Abstürzen in österreichischen
  Küchen. Rechnerisch war das schlecht, doch der Welt hat es überaus gut
  getan.