(SZ) Wer hat schon Geschmack, wenn es um den richtigen An- und Aufzug
geht? Einige schaffen sich immer zu kurze Beinkleider an, so dass der
bekannt lächerliche Hochwassereffekt eintritt, siehe den ehemaligen
US- Präsidenten Nixon. Manche Damen glauben an die ewige Jugend und
präsentieren daher ihre würdige Körperlichkeit so, als bestände sie
bis in alle Ewigkeit aus jenen aphroditischen Vorzügen, an denen
Männer sich nicht bloß sattsehen wollen.
Zum Schlimmsten gehören die um den Hals geschlungenen Stoffteile,
Schlips oder Krawatte genannt: Alles kann auf ihnen abgebildet sein,
Reichsadler und Tapetenmuster, Urwälder und Bibliotheken, Stars und
vor allem Stripes, Streifen, schräg, bunt, grell, in jeder
Farbkombination. Wer jedoch einen Anstrich von Seriosität braucht,
wird sich freudig jeden Morgen sozusagen symbolisch strangulieren beim
Zuziehen des Knotens: Kanzler oder Ladenschwengel, Bestatter oder
Finanzbeamte, Banker oder Ressortchefs. Matthew Thompson, Beamter beim
Arbeitsamt im britischen Stockport, aber hat es satt und klagt auf
Lösung von Windsor- und anderen Knoten: Krawattenzwang sei ein Akt der
Männerdiskriminierung. Kolleginnen dürften sich anziehen, wie sie
wollten. Selbst T-Shirts seien erlaubt. Außerdem komme er nur selten
in Kontakt mit der Öffentlichkeit, wie er der Times sagte, und weiter:
"Die Kleidervorschriften ergeben keinen Sinn. Warum wird mir mit
Rauswurf gedroht, wenn ich keine Krawatte trage?" Doch, so ein
Sprecher des Arbeitsministeriums, das Image der Behörden werde
wesentlich durch das Erscheinungsbild der Mitarbeiter geprägt. Deshalb
musste im vergangenen Jahr auch Dennis Fitzpatrick seine Jeans
ausziehen, durfte aber jederzeit mit schockfarbenem Schlips und
Schottenrock antreten.
Schuld an der ganzen Misere sind jene Kroaten, die Louis XIV. als
Söldner nach Frankreich holte. Die trugen eine weiße "hravatska", die
am Kragen als Rosette befestigt wurde, und deren Enden über die Brust
hingen. Das gefiel Louis und seinen Untertanen. Bald gab es Signor de
Miramond, den "Cravatier" des Königs, der für Ludwigs Krawattl
zuständig war. In der englischen Tradition trieb Beau Brummel die
Schlips-Philosophie am weitesten. "Meine erste Sorge gilt meiner
Krawatte, ich arbeite Stunden in der Hoffnung, dass sie wie hastig
gebunden wirken mag," Worte, die ein Zeitgenosse auf ihn münzte. Der
Amerikaner Jesse Langsdorf hat dann in den zwanziger Jahren den bis
heute üblichen Längsbinder erfunden, dem Matthew Thompson nun Ade
sagen will. Frauen wie George Sand trugen einst Krawatten als Zeichen
der Emanzipation. Bei der Weiberfasnacht aber nehmen sie Matthew
Thompson beim Wort: die Frauen schneiden den Kerlen die Schlipse
einfach ab.