(SZ) "Im Fußball habe ich alles über das Leben erfahren", hat Albert
Camus einmal geschrieben, und bestimmt wusste er, wovon er sprach.
Camus trug ja die 1, damals in Algier, im Tor von Racing
Universitaire. Kein großes Team, sie spielten in blauen Trikots,
himmelblau mit weißen Streifen, tollten auf dem Feld herum wie
harmlose Kinder, ließen ihren Gegnern jeden Raum - und Camus lernte
hinten in seinem Tor, was es heißt, allein gelassen zu werden, die
letzte Instanz zu sein, deren Versagen das Drama eines Fußballspiels
vollendet. Erlebnisse auf und neben dem Rasen können prägend sein für
das ganze Leben: den Trainer Vogts beispielsweise haben sie zum
einsilbigen Einsiedler gemacht, den Giesinger Nachwuchskicker Franz B.
zum strahlenden, schwatzenden Planeten Beckenbauer, den Torwart Camus
zum - nach wie vor fußballverliebten - Philosophen, der in seinem Werk
"Der Mythos von Sisyphos" sein Leiden und das aller anderen Fußballer
und Menschen in einen Satz gegossen hat: "Das Leben ist naturgemäß
niemals leicht."
Oh ja, das weiß auch Klaus Toppmöller, dabei sah es so aus, vor der
Ewigkeit von einem halben Jahr, als gelte der Satz für alle, nur nicht
für ihn. Da tollten seine Leverkusener auf dem Feld herum, sahen aus
wie Kinder: das Riesenbaby Lucio, der blonde Musterschüler Ramelow,
der sensible Neuville mit dem Gesicht eines traurigen Clowns. Aber sie
gewannen, das Leben war leicht wie ein Windhauch, der dem Trainer
Toppmöller die grauen Haare zerwuschelte und seinen Mantel dermaßen
aufblies, dass man ihn leicht mit einem Heißluftballon verwechseln
konnte. Wer ihn hörte, den Trainer des Jahres, nahm eine Stimme wahr,
die von tausend Zigaretten runtergetunt worden war auf den Klang eines
Brummbären, gütig und nachsichtig und immer auch ein bisschen
einschläfernd. Irgendwann waren die Leverkusener eingedöst, verloren
alle Spiele, erst gegen Madrid und später auch gegen Cottbus.
Irgendwann stand er allein am Rand: einer, der wie Sisyphos einen
Stein den Berg hinaufwälzt, und wenn er fast oben ist, kullert der
Stein wieder herunter - ein Stein, so mächtig wie der Manager Calmund,
der ihn soeben entlassen hat.
Klaus Toppmöller hat noch nie was gewonnen. Er stand immer kurz davor,
ehe das gesamte Werk ins Rutschen geriet. Aber nur Menschen, die nicht
nachdenken, werden ihn deshalb Floppmöller nennen. Er bleibt ja der
einzige Trainer, der wenigstens vorübergehend Mannschaften bastelt,
die die Fans träumen lassen bei so einem Spiel. "Ich habe meinen
Spielern immer gesagt: Nie, nie aufgeben. Dies gilt auch für mich",
sagt Klaus Toppmöller, ein moderner Sisyphos und übrigens genau der,
den Camus gemeint hat, als er damals schrieb: Der Kampf gegen Gipfel
vermag ein Menschenherz auszufüllen.