(SZ)Haben wir was verpasst? Ist irgendetwas Schreckliches passiert,
dass der Pudel gleichsam über Nacht in Verruf geraten ist? Jawohl, der
Pudel: der Tröster von Millionärswitwen und Lebensgefährte von
Modeschöpfern, der auch noch die grausigsten Verunzierungen, die
Phantasien durchgeknallter Hundescherer, die Kleidchen aus Samt und
Seide, mit Würde, ja sogar mit einer gewissen Grazie zu ertragen weiß.
Ein Hund, der im Zirkus Teller auf der Schnauze balancieren und im
Alltag statt Chappi schon mal Kaviar fressen muss, kurzum: ein Tier,
das es wahrlich nicht leicht hat im Leben und jetzt gemeinerweise auch
noch dauernd beleidigt wird. Kein Mensch hat bisher im ganzen, großen
Königreich dem britischen Premierminister Tony Blair vorgeworfen, er
sei des amerikanischen Präsidenten Dackel oder Mops - auch Pinscher
und Berner Sennenhunde sind unseres Wissens noch nicht zum Vergleich
herangezogen worden. Nein, immer heißt es, Blair sei Bushs Pudel. Da
fragt man sich natürlich: Womit hat der Hund das verdient?
Sage keiner, es könne für ein Tier doch nicht das Schlechteste sein,
mit dem führenden Politiker eines großen Landes verglichen zu werden.
Hunde sind sensible Lebewesen, und was es für die zarte Seele eines,
sagen wir, Bullterriers bedeutete, käme man auf die Idee, ihn mit dem
amerikanischen Verteidigungsminister auf eine Stufe zu stellen, das
kann man ahnen. Dem Pudel dürfte es ähnlich gehen, denn er weiß
natürlich, dass es nicht schmeichelhaft gemeint ist, mit Blair in
einem Atemzug genannt zu werden. Dass der Brite Männchen macht vor dem
Supermächtigen in Washington, soll das heißen, dass er auf dessen
Kommando hört und nichts tut, was den Herrn vergrätzen könnte. Für
Blair mag das alles zutreffen - aber auch für den Pudel? Ist es
wirklich gerecht, ihn als den Tony Blair der Hundewelt zu veralbern?
Hilf, guter, alter Brehm, hilf, sag' was Nettes über die gedemütigte
Kreatur, tu was zu ihrer Ehrenrettung - und schon tut er es. Brehms
Tierleben, Unterkapitel Canis familiaris extrarius genuinus, wir
zitieren: "Der Pudel ist unter allen Hunden am besten gebaut. Er hat
die schönste Kopfform, den wohlgebildetsten Leib, seinGgeschmackssinn
ist fein, sein Geruchssinn ist berühmt ..." und in diesem Stil geht es
weiter: gelehrig, gutmütig, feinfühlig, gescheit, ein wahres Feuerwerk
von brillanten Attributen, wie man sie über Politiker eher selten
liest. Doch da, was steht da? "Immer schaut er seinen Herrn an, immer
will er ihm zu Diensten stehen, ist unterwürfig im höchsten Grade."
Mensch, Pudel, ist das wahr? Wenn es so ist, dann freilich gibt es
nicht mehr viel, was wir für dich tun können, außer dir ein dickes
Fell zu wünschen gegen all den Hohn und Spott - und natürlich
weiterhin viel Spaß beim Männchenmachen in Washington!