(SZ)Es sind trübe und düstere Zeiten jetzt - und da möchte man
manchmal von allen Finsternissen gar nichts mehr wissen. Dann
verzichtet man ängstlich auf die nächste Tagesschau. Dann sehnt man
sich geradezu nach harmlosen Bildern und einfältigen Nachrichten. Nach
Botschaften, in denen Wörter wie "Krieg", "Rumsfeld" oder
"Rentenreform" nicht vorkommen. Also liest man die Journale und
Magazine jetzt mal lieber von hinten nach vorn als umgekehrt. Und
findet, auf Seite 169 des neuen Spiegel, auch schnell das tröstende
Bild. Eine Szene voll Frieden und Unschuld: zehn ranke nackte Männer.
Die Fußballspieler des SC Fortuna Köln. Zwar ist es ein wenig seltsam,
dass es nicht elf Männer sind - wo sind die Auswechselspieler
geblieben? Und eigenartig ist auch, wie die zehn Männer das doch wohl
Männlichste hinter zusammengepressten Händen fast furchtsam verbergen.
Aber egal. Man freut sich.
Doch dann kommt die Trostlosigkeit rasch zurück. Ja, sie verstärkt
sich noch, wenn man nun weiter seelische Hilfe sucht in der bunten
Welt des Fußballs. Und dabei bald schon die aktuellen Konfessionen des
Spielers Alex Alves (Berlin) entdeckt: "Sex vor dem Spiel macht mich
stärker!", gibt der erblondete Brasilianer stolz bekannt. Eine frohe
Botschaft, ja doch! Aber warum steckt einen ihre kindliche, pralle
Lebensfreude nicht an? Warum denkt man sofort: Alex, halt doch bitte
mal die Klappe!?Weil einen diese ewige, klebrige Vermischung der
Weltphänomene "Sex" und "Fußball" lange schon nervt. Weil man nichts
mehr hören will über Effenberg und seine Frau Strunz. Oder über die
späten Vaterfreuden des alternden Fußballkaisers. Oder über die
exotischen Verwirrungen des braven Sportlehrers Hitzfeld. Oder über
Laberlothars Gespielinnen. Auch der jahrelange, gewiss gut gemeinte
Großeinsatz des Fußballgottes Pelé gegen das weltweite Übel der
Erektionsstörungen (jeder fünfte hat sie!) führt beim Liebhaber des
Sports eher zur Ernüchterung als zu neuer, frühlingsfrischer Lust.
Fußball, das war einmal: ein wirklicher Fluchtort vor den Übeln der
Welt. Eine autonome Republik der Leidenschaft, mit sicheren Grenzen zu
den allzu bekannten Schlachtfeldern namens "Liebe" oder "Krieg".
Denken wir nur an unsere unsterblichen Helden von Bern: Wie viel
sportliches und erst recht männliches Geheimnis umgibt sie bis heute!
Niemals hätten sie neckische Nacktfotos gemacht, niemals öffentlich
über Sex (vor dem Spiel, nach dem Spiel oder auch im Spiel selber)
geplaudert. Und doch war es keine prüde, sondern eine tief
leidenschaftliche Zeit, damals. Fritz Walter liebte seine Italia, die
Liebe nahm kein Ende mehr. "Männer, ihr müsst brennen!", rief Trainer
Herberger. Und die Männer brannten, und wir mit ihnen. Der Rest aber?
War Schweigen. Kein Völler, kein Koller kann brennen so heiß ...