(SZ) Am Wochenende standen sie wieder im Licht, die deutschen
Weicheier. Würdenträger, Bischof und Kardinal, Geißlers aller
Schattierungen, Zehntausende demonstrierend auf der Straße. Ruhige
oder scharfe Töne wider Krieg überhaupt, besonders jenen geplanten
gegen Irak und seinen Ausrufer Bush dort drüben. Was ist los mit den
Deutschen? Hedonistische Egoisten? Man kann uns wohl nicht begreifen,
ohne zurückzublättern in der Kriegs-Geschichte des Landes, genau bis
an jenen Punkt, wo im viel strapazierten "kollektiven Gedächtnis" der
Name Stalingrad eingekapselt ist. Sechzig Jahre, welthistorisch ein
Klacks, ist es her, seit dieses Volk Europa sich unterjocht hatte,
unter der wohlgelittenen Anführung des Gröfaz Hitler. Eine
rassistische, militaristische Melange, fast ohne Vorbehalte. Bis eben
der so genannte "Wendepunkt" des Zweiten Weltkriegs sich ereignete,
wie man raunte, oder endlich ein "Anfang vom Ende"? Stalingrad. Heute
Wolgograd. Die sechste Armee, 250000 deutsche Soldaten, war
schließlich eingekesselt an jenem Ort der Schlacht und des
Schlachtens. 150000 sind elend verreckt. Ein Rest, halb verhungert,
erfroren und im Stich gelassen, kapitulierte; an ihrer Spitze der tags
zuvor beförderte Generalfeldmarschall F. Paulus. Außerdem aber sind in
Stalingrad umgekommen eine Million Rotarmisten und Zivilisten.
Einen Weltkrieg früher hatte der deutsche Generalstabschef E. von
Falkenhayn eine solch zynische Kriegführung erfunden und praktiziert,
welche er "Weißbluten" des Feindes nannte. Was bei Verdun, später in
Stalingrad und anderswo allerdings auch Weißbluten der eigenen Armeen
bedeutete. Am 3. Februar 1943 meldete das offizielle Bulletin des
Hitler-Krieges, der Wehrmachtsbericht: Der Kampf um Stalingrad ist zu
Ende. Danach aber sind sie nicht etwa still gewesen, die Oberbonzen
des Nazireiches. Nein, Hitler, welcher in seinem Feldherren- und
Durchhalte-Wahn die Tragödie Stalingrad nahezu allein zu verantworten
hatte - er tobte. Dass Paulus und Offiziersgenossen sich nicht
totgeschossen hätten! Weil, so Hitler weiter, "bei uns" Intellekt
gezüchtet werde und zu wenig die Charakterfestigkeit. Goebbels,
Trompeter seines gottgleich angebeteten Hitler, dichtete am Heldenepos
Stalingrad, schrie den "totalen Krieg!" hinaus und befahl der Presse
zu schreiben: "Was wäre aus Deutschland und Europa geworden, wenn der
Nationalsozialismus nicht zur Macht gekommen wäre?!" - zehn Jahre
zuvor. Ja, was wohl.
Es könnte sein, dass die unerträglichen Deutschen "Stalingrad" sich
gemerkt und allmählich begonnen haben, ihren früheren Militarismus
sein zu lassen. Es könnte sein, dass die protestierenden
hedonistischen Weicheier samt ihren Bischöfen sich so schlicht und
einfach nicht rekrutieren lassen - nicht mehr.