(SZ) Wir stellen uns den Zirkusdirektor Köllner vor: wie er in einem
Geschäft für Inneneinrichtungen erscheint, auf der Suche nach einem
Teppich. Nichts Grelles, nichts Auffälliges, um Gottes willen, eher
etwas zum Verstecken. Nicht zu dick, man soll schon noch atmen können
darunter, Hauptsache groß, sehr groß, aber wenn Sie so etwas nicht
haben, war nur eine Frage, vielen Dank. Wir sehen den Zirkusdirektor
danach in einer Telefonzelle stehen, eine Nummer in New York
anwählend, unter der sich Christo meldet, der berühmte Künstler
Christo, der schon die Kunsthalle Bern unter Planen hat verschwinden
lassen, eine Brücke in Paris, auch den Reichstag in Berlin. Er habe da
ein neues Objekt, würde der Zirkusdirektor rufen, man könnte das
Projekt "Wrapped Elephant" nennen. Aber Christo würde ihm sagen, guter
Mann, ich habe anderes im Sinn, Größeres. Ich will eine Stoffbahn über
den Arkansas River spannen, ich will den Central Park einpacken, und
da kommen Sie mir mit einem Elefanten!
Alles hängt vom Standpunkt des Betrachters ab. Für den großen Künstler
Christo ist so ein Elefant sehr klein, für den Direktor eines kleinen
Wanderzirkus ist er groß, ein großes Problem. Köllner ist auf der
Flucht mit seiner Elefantenkuh namens Kenia, weil die Behörden sie ihm
wegnehmen wollen, wegen Tierquälerei. Ist einfach abgehauen, vor einer
Woche in der Nacht, aus dem Winterquartier, flüchtig trapsende Füße
und stampfende Beine, ein Mann und sein Elefant, zwei Schatten, die
wohl kleiner wurden und immer kleiner, ein winziger Punkt am Horizont,
daneben ein etwas größerer. Schließlich waren sie weg, sind vielleicht
im Ausland, vielleicht bei Bekannten mit riesigen Wohnzimmern,
vielleicht in den verschwiegenen Räumen einer Kathedrale, im
Kirchenasyl. Die Polizei verfolgt alle Spuren, inzwischen wird
bundesweit gesucht, womöglich schon an einem Fahndungsplakat
gearbeitet. Besonderes Merkmal: Rüssel.
Eine abenteuerliche Geschichte, die sich wie ein romantisches Märchen
anhört, aber tatsächlich das Drama eines Elefanten erzählt, dem mit
Peitschen und Stöcken alles Wilde, Mächtige, Elefantöse ausgetrieben
worden ist. Die Polizisten und Tierschützer haben bei ihren Recherchen
Erbärmliches über den Zirkus gefunden: dass ein anderer, inzwischen
eingeschläferter Elefant dort mit einem Seil an der Decke festgebunden
worden sei, weil er aus eigener Kraft nicht mehr stehen konnte. Kenia
suchen sie noch immer vergeblich. "Es ist leichter, als Sie denken,
einen Elefanten zu verstecken", hat ein Polizeisprecher gesagt.
Vielleicht, weil man keinen Teppich und keinen Christo dafür braucht.
Gefangene Elefanten werfen manchmal Laub und Stroh über sich und
inszenieren so ihre Beerdigung. Wenn sie todtraurig sind, verstecken
sie sich selbst.