(SZ) Manche Worte kommen am liebsten auf Stelzen daher.
  "Tiefschürfend" ist so ein hochtrabendes Wort. Es tritt kaum jemals
  auf ohne kostbare Gedanken im Schlepptau. Gravitätisch stolziert es
  neben dem Geist und dem Tiefsinn einher, verachtet alles Flache und
  hat seine Herkunft aus den schmutzigen Flözen und Stollen längst
  vergessen. Das geht nun schon geraume Zeit so, ohne dass die Deutschen
  sich gefragt hätten, warum ihre Sprache dem Widerpart des
  Tiefschürfenden, dem Flachschürfenden, nicht einmal spaßeshalber
  Einlass gewährt.

  Der Rentner Herbert Schlegel aus Berlin ist, wie schon sein Nachname
  ahnen lässt, bergmännisch und geologisch bewandert. Er kennt die
  Schlünde, in denen die Stelzen des Tiefschürfenden stecken, und er ist
  ein Mann der Tat. In der untergegangenen DDR hat er an der Suche nach
  Braunkohle, Erdgas und Erdöl teilgenommen. Und nun hat er ein Projekt
  in Angriff genommen, das dem vereinten Deutschland den Weg aus der
  Krise weisen könnte. Flugs erwarb er in den USA eine blaue
  Plastikpfanne mit Siebboden und Schlitzen an der Seite, um hierzulande
  das Flachschürfen populär zu machen. Seine Idee ist so einfach wie
  bestechend: in der Mark Brandenburg, einer der flachsten Gegenden
  Deutschlands, nach Gold zu schürfen. Und sage niemand, der Mann habe
  nichts auf der Pfanne! Sein Eldorado liegt nicht in Utopia, es liegt
  im Mahlsorfer Elsengrund nahe Berlin, wo er und seine Freunde einen
  echten Nugget bereits gefunden haben.Der ist nicht sehr groß, nur fünf
  Millimeter dick, aber es ist ja erst der Anfang. Noch steckt in der
  ehemaligen Streusandbüchse des Deutschen Reiches das Flachschürfen und
  Goldwaschen in den Kinderschuhen. Noch hat es die Goldgräberstimmung
  schwer gegen die allgemeine Depression und Unzufriedenheit. Noch
  liegen die sandigen Bäche Brandenburgs, noch liegen die Kaulsdorfer
  Seen und der Müggelsee, die Rentner Schlegel als Goldgründe ausgemacht
  hat, im Winterschlaf. Aber bald werden sich Goldsucher aus ganz
  Deutschland in die Mark aufmachen, deren Name so vertraut nach
  stabiler Währung klingt und die sich nun als Nachschublager für
  Deutschlands Goldreserven entpuppt.

  Professor Heubeck von der Freien Universität Berlin hat Rentner
  Schlegel Rückendeckung gegeben: Man könne nach einem langen Waschtag
  in der Mark durchaus mit einem kleinen Gläschen Blattgold nach Hause
  kommen. Schürfgenehmigungen hält der Professor für unnötig, solange es
  sich um eine landschaftsschonende Freizeitbeschäftigung handelt. Schon
  ist im bankrotten Berlin der "Goldsucherclub" gegründet worden. Mit
  Blick auf die Rentenversicherung ist zu hoffen, dass daraus eine
  Massenbewegung wird. Das Tiefschürfende hat abgewirtschaftet, es lebe
  Rentner Schlegel, der Flachschürfende!