(SZ)Morgens um sieben ist die Welt angeblich noch in Ordnung, doch was
ist um drei? Diesen Freitag um drei Uhr hatte die Agentur dpa bereits
ein Gespräch mit dem Geschäftsführer des Verbandes der pyrotechnischen
Industrie (VPI) hinter sich, um 3.01 Uhr ließ sie eine entsprechende
Nachricht vom Stapel. "Mit Millionen...", so begann ihr Titel, und man
erwartete eine Meldung des Inhalts, dass die Deutschen an Silvester
"mit Millionen" ihresgleichen feiern oder Gott bewahre "mit Millionen"
um sich werfen. Beim Weiterlesen erfuhr man aber folgendes: "Mit
Millionen schwerem prächtigen Feuerwerk ins neue Jahr." Da ahnte man,
dass die Welt morgens um drei weit weniger in Ordnung ist als um
sieben, und musste noch froh sein, dass die Überschrift nicht weiter
ausgebaut worden war. Zum Beispiel so: "Mit Millionen schwerem und
Farben prächtigem Feuerwerk ins Nagel neue Jahr."
Die Rechtschreibreform, ja ja! Es hat seinen Charme, dass die nämliche
Agentur eineinhalb Stunden vor der Feuerwerksmeldung (wann schlafen
die Brüder eigentlich?) eine Nachricht aussandte, wonach es vor
hundert Jahren, bei der Orthographiereform von 1901/03, zu ähnlichen
Scherereien gekommen sei wie heute. Von einer Reform im eigentlichen
Sinn konnte auch damals nicht die Rede sein, da die großen Themen
wohlweislich ausgeklammert wurden. Im Kleinen kam man immerhin zu
einigen vorzeigbaren Ergebnissen, etwa indem das "c/cc" in
Fremdwörtern der Aussprache angeglichen wurde: Korps statt Corps,
Akzent statt Accent. In deutschen Wörtern wurde "th" durch "t"
ersetzt, tun statt thun, wobei man auch hier nicht weiter als nötig
ging: Das sehr deutsche, ja teutsche Möbel Thron behielt sein edles,
altersdunkles "th", so dass sogar Kaiser Wilhelm II. geruhen konnte,
"Allerhöchst sich mit den. .. Vorschlägen einverstanden zu erklären".
Die Regelungen traten am 1. Januar 1903 in Kraft. Konrad Duden gab
sich weder über ihre Dürftigkeit noch über die Chancen einer großen
Reform Illusionen hin: "Hätte man damit eine gründliche Reform der
Rechtschreibung verbinden wollen, so hätte man alsbald den Boden unter
den Füßen verloren und wäre einem in der Luft schwebenden Trugbilde
nachgejagt." Das Trugbild könnte heute noch in der Luft schweben,
hätten es die Reformer von 1977 ff. nicht heruntergeholt und zu
tätigem Leben zu erwecken versucht. Wie man mittlerweile weiß, hat die
gute Absicht eine Missgeburt hervorgebracht, indem nur ein Teil der
Neuerungen akzeptiert und richtig angewendet wird. Der andere Teil
hingegen verursacht fortzeugend ständig neue Fehler - Fehler, die es
vorher überhaupt nicht gab und die man auch gerne in die Büchse der
Pandora zurückstopfte, wenn man nur wüsste, wie. Saudumm, die ganze
Sache, wirklich Sau dumm.