(SZ)Wir gehören nicht zu denen, die sich stolz dazu bekennen, von
  Mathematik "nicht die Bohne" zu verstehen. Dabei entspräche es nur der
  Wahrheit, leider. Was wir stattdessen tun, ist dies: Wir bringen der
  Mathematik jene Verehrung entgegen, auf die sie als die kristallenste
  aller Wissenschaften Anspruch hat, und ganz besonders bewundern wir
  ihre Heroen: Euklid, Fermat, Gödel, und wie die Burschen sonst noch
  heißen. Eben wird bekannt, dass Yasumasa Kanada und sein Team von der
  Universität Tokio die Kreiszahl wieder ein Stückchen weiter
  ausgerechnet haben. Sie stehen jetzt bei 1241 Milliarden Stellen
  hinter dem Komma, was nach Archimedes (3 Stellen), Tsu Chung-Chih (6),
  Al Khasi (14) und van Ceulen (34) etwas übertrieben wirkt. Für ihren
  Rekord haben sie einen Supercomputer 400 Stunden rackern lassen, und
  man kann im Interesse des Uni-Papierlagers nur hoffen, dass keiner auf
  die Idee kommt, die Datei auszudrucken.

  Fern sei es uns, Kritik an den Rechenkünstlern zu üben, selbst wenn
  sie uns manchmal so vorkommen wie Rilkes Panther, der "hinter tausend
  Stäben keine Welt" erkennen konnte. Was kommt hinter 1241 Milliarden
  Stellen? Die nächste Milliarde? Gott? Das Nichts? Das Gelbe vom Ei?
  Wir werden es nie erfahren, weswegen hier der Mann gelobt werden soll,
  der kürzlich ein im Wortsinn erdnahes Problem mit Hilfe der Mathematik
  aufgedröselt hat: Burkard Polster von der Monash University,
  Victoria/Australien. Er beschäftigte sich mit der bestmöglichen
  Führung des Schuhbändels alias Schnürsenkels durch die Ösen des Schuhs
  und kam zu einem Ergebnis, das die klassischen Schnürungen - über
  Kreuz und gerade - als partiell mangelhaft entlarvt. Sie garantieren
  eine hohe Schnürfestigkeit, verbrauchen jedoch viel Senkel. Wer daran
  sparen will, muss die Schuhe so schnüren, dass das Bändelmuster an
  Fliegen erinnert, und zwar an die, die man zur Oper umbindet. Klingt
  schwerer, als es ist, kann aber im Detail an der Monash University
  abgefragt werden.

  Im Advent hört man oft von Johannes dem Täufer, der sich selbst für
  unwert hielt, dem Herrn die Schuhriemen zu lösen. So sicher das ein
  theologisch zu hinterfragendes Wort ist, so wenig hat die
  Bibelwissenschaft bisher herauszufinden versucht, ob die Schuhbändel
  damals so vertrackt geführt waren, dass sie zur Metaphernbildung
  förmlich herausforderten. Überhaupt weichen die Geisteswissenschaften
  dem Thema aus. Weder wollen die Historiker wissen, wie viele Kriege
  verloren gingen, weil die Fußsoldaten über schlecht gebundene Senkel
  stolperten, noch interessiert es die Psychologen, was in Seminaristen
  vorgeht, denen beim gemeinsamen Spaziergang just da die Schuhbändel
  aufgehen, von wo sie einen guten Blick in den Pausenhof des
  Mädchenpensionats haben. Forscher, nehmt euch ein Beispiel am Kollegen
  Polster!