(SZ) Zunehmend in den friedvollen Adventstagen, welche der heiligen
Geschenkweihnacht vorausgehen, spüren Qualitätszeitungen kleine
Unmutswellen. Man bilde die Welt derart finster ab, dass beim
Frühstück schon der kalte Kaffee sauer zu werden drohe, wie ein
Adliger alter Schule drastisch sich ausdrückte. Journalisten
ausschließlich negativ, nachtschwarze Zyniker, die!, lautet ein
Vorurteil. Unterdrücken das Gute, Wahre, Schöne. Wir sind den
Hinweisen dankbar nachgegangen. Und es stimmt. Wenn man die Augen
blank putzt, die Tracht der Meldungen durchraschelt, findet man
massenhaft Reader-Digest- artige Vorkommnisse, welche im Gegensatz zur
ewigen Renten- und Steuerdiskussion Herz und Gemüt erwärmen. Jedes für
sich Aufmachung auf der Eins, Themenseite oder zumindest
Feuilletonaufsatz eines dahingaloppierenden Lehrstuhlinhabers. Alles
Fehlanzeige. Beispiele?
Man kann in bestimmten Warenhäusern (Namensnennung nur noch gegen
Vorkasse) mit guter Deutschmark einkaufen. Jawohl, sie nehmen alte
Schwarzgeld- Tausis, ohne zu fragen! Ebenso hätten wir aufmachen
sollen (und es nicht getan) die Vollendung der diesjährigen
Weihnachtsverbudung deutscher Fußgängerzonen. Logistisch wie
sadistisch großartig. Wir verschwiegen die neuen, schmucken
("verschlankten" - haha) Bundesbahn-Uniformen, bei deren Anblick die
Zahlung von Umbuchungsstrafen eine Freude sein sollte. Unerwähnt blieb
auch eine Gutnachricht von höchstem Wert. Die Wirte! Kleinlaut sind
sie auf einmal, bei moderaten Preisen. Wahnsinnig zuvorkommend.
Andererseits denke man sich unsere Salbung mit dem Öl des Positiven
nicht gar zu einfach. Einem Boulevardblatt würde es genügen, die
schönste Nachricht der Woche einfach abzudrucken: Großer Bahnhof für
Kanzlergans Doretta. Eine Qualitätszeitung hingegen recherchiert
zwanghaft. Dann käme heraus, dass jenes vor zweieinhalb Jahren durch
ein Machtwort der Schröderschen Stieftochter Clara errettete
"Promi-Federvieh" (dpa) in Wahrheit ein Ganter ist und nunmehr mit der
"Gans" namens Gert in lesbischer Verbindung lebt, während sie
gleichsam mit links für die brandenburgische Region Prignitz Reklame
watschelt. So wichtig erscheint die ehem. "Kanzlergans", dass es
zweier ausgewachsener Agentur-Korrespondenten bedurfte, um ein Feature
von 42 Zeilen zu verfassen. Siehste. Kaum wird recherchiert,
verwandelt sich das vermeintliche Luststück unversehens in eine ernste
Sache für die Vier.
Die besondere Nachricht zum Schluss. Wir armen Deutschen verwahren 3,4
(oder 4,3 - genaue Zahl deckt das Bankgeheimnis) Billionen
Privatvermögen auf der hohen Kante. Mittels dieser Summe ließen sich
zehn Bundesetats oder dreihundert Qualitätszeitungen reichlich mit
frischem Geld versehen.