(SZ) An der Schnittstelle zwischen dem Totenreich und der
  Lebenswirklichkeit stoßen Pietät und Realität manchmal zusammen, dass
  die Funken stieben. Da sieht zum Beispiel der Vorsitzende der
  Verbraucherinitiative für Bestattungskultur Aeternitas (Ewigkeit),
  Hermann Weber, Deutschland am Rande eines Volksaufstandes gegen den
  Friedhofszwang für Urnen. Laut einer Umfrage hätten sechzig von
  hundert Deutschen nichts dagegen, wenn der Nachbar Totenasche im
  Garten beisetzen oder im Haus aufbewahren würde. Die Menschen seien
  der "verstaubten Friedhofsregularien" überdrüssig und wünschten
  individuelle und bescheidene Bestattungsformen. Aber noch vor Webers
  Warnung vor dem Volksaufstand hat der Landtag von Nordrhein-Westfalen
  ein neues Friedhofsgesetz beraten, das erlauben soll, Tote ohne Sarg
  zu beerdigen, Urnen in Privaträumen aufzubewahren und Asche zu
  verstreuen - vorausgesetzt, der Verstorbene habe das im Testament
  festgelegt. Und die Totenruhe müsse gewährleistet sein.

  Damit sei es dann wohl vorbei, höhnte es aus dem Kreis von
  Bestattungsunternehmen, Friedhofsgärtnern, Steinmetzen und städtischen
  Friedhofsämtern, wenn die Urnen beim Staubwischen auf der Kommode hin-
  und hergeschoben würden, gar nicht zu reden von den Umzügen in unserer
  von Mobilität geprägten Gesellschaft. Dann würden sie vielleicht
  zusammen mit dem Hausmüll entsorgt. Entgegen solcher Barbarei trage
  das traditionelle Friedhofsrecht zur Bewahrung der "christlich
  orientierten Bestattungskultur" bei, zitierte der Evangelische
  Pressedienst aus einer Fachtagung für das Beerdigungswesen.
  Schließlich müssten Erdbestattungen (zur Zeit durchschnittlich
  5000Euro bei demnächst halbiertem Sterbegeld) erheblich teurer werden,
  wenn viele Leute, um Geld zu sparen, die Urnen daheim aufbewahrten.
  Auch die beiden großen Kirchen übten scharfe Kritik an den Plänen.

  Da mag sich mancher, der über Hygiene und Geschäft hinausdenkt,
  fragen, welche theologischen Gründe es für Friedhofspflicht und
  Sargzwang wohl geben könnte. Werden unsere unsterblichen Seelen nicht
  im Himmel aufbewahrt? Ist es am Jüngsten Tag für die Auferstehung der
  Toten wichtig, dass der Ort ihrer Ruhe bekannt ist? Und was wird dann
  aus den Matrosen, für die auf den Gedenksteinen an Land steht "Sie
  haben kein Grab als die See"? Oder aus den in Massengräbern
  verscharrten Soldaten und Ermordeten, von denen es nur heißt "Ihre
  Namen kennt Gott"? Nehmen sie an der Auferstehung nicht teil? Am
  deutschen Friedshofszwang mit Eichensarg und Blumenschmuck je nach
  Jahreszeit zeigen sich schlechtes Gewissen und angewandter Unglaube.
  Hermann Weber von Aeternitas wünscht sich eine offene Diskussion über
  den Umgang mit dem Tod. Wer traut sich?