(SZ) Alle reden vom Reformstau. Wir nicht. Wir reden vom Wetter.
Genauer gesagt: Wir reden von Bernold. Bernold? Ja, Bernold.
Zugegeben, das ist ein etwas ausgefallener Name. Und außerdem ist
Bernold mit dunklen Wolken und Regenschauern im Bunde. Wenn sich das
zweite Tief des kommenden Jahres vorzustellen hätte, dann würde es
sagen: Gestatten, Bernold. Das geht aber nur, weil Tief Bernold ein
Lichtstreifen am trüben deutschen Horizont ist. Ausgerechnet über dem
Wetterdienst ist die Sonne der Deregulierung aufgegangen. Ein System
ist gestürzt, das seit Adenauers Zeiten Bestand hatte. Die
bürokratisch von Vornherein festgelegte Namensliste, nach der seit
1954 die Meteorologen der Freien Universität Berlin die Tiefs und
Hochs in Deutschland tauften, ist gefallen. Jetzt darf jeder Bürger
zum Wetterpaten werden. Den ersten gibt es schon: Bernold. Er hat 199
Euro an die Wetterfrösche gezahlt. Ein Hoch kostet 299 Euro. Denn
Tiefs haben, das ist irgendwie tröstlich, eine kürzere Lebensdauer als
Hochs. Dafür gibt es, das ist dann wieder nicht so tröstlich, mehr
davon.
Um aber auf Bernold zurückzukommen: Er ist aus zwei Gründen das zweite
Tief im kommenden Jahr. Erstens, weil die Namen auch weiterhin in
alphabetischer Reihenfolge vergeben werden, und zweitens, weil 2003
alle Tiefs männlich und alle Hochs weiblich sind. Ach, die Sonne der
Deregulierung steht noch längst nicht im Zenit. Erlaubt sind nur
allgemein gebräuchliche Vornamen, Firmennamen und Nachnamen nicht. Das
in diesem Jahr noch zu vergebende Tief mit "X" darf Xenia heißen, aber
nicht Xerox. Kosenamen sind leider auch verboten: Kein Hoch
Schnuckiputz darf über Norddeutschland, kein Tief Mäusebär durch
Sachsen ziehen. Das ist bitter, auch und gerade unter
medienpolitischen Gesichtspunkten. Eben erst beginnt sich im deutschen
Fernsehen der Wetterbericht ins Erzählerische, ins dramatisch
Gestikulierende, ja gelegentlich ins Kabarettistische zu entwickeln,
da werden ihm die schönsten Entwicklungsmöglichkeiten schon wieder
genommen. Etwa die in Richtung Lindenstraße. Wäre es nicht schön, wenn
die Nation aus den Ansagen der Nachrichtensprecher das Echo der
eigenen Familiengeschichten heraushören könnte? Wenn die Namen nicht
kahl und bloß dastünden, sondern das Sturmtief Onkel Alfred über dem
Münsterland auftauchte, das Hoch Oma Else aber schon im Anzug wäre?
Aber wir leben nun einmal in Deutschland. Bestimmt sind die Politiker
dem Bürger längst zuvorgekommen. Wahrscheinlich hat die CDU sich fürs
nächste Jahr längst das Hoch Angela und das Tief Gerhard gesichert.
Und Rexrodt agitiert hinter den Kulissen für die Aufhebung der
Geschlechtertrennung, damit Guido nicht aufs Tief festgelegt bleibt.
Nur einer war schneller: Bernold.