(SZ)Bei allem Respekt vor dem kürzlich aufgefundenen "Jesus-
Knochenkasten": Im Kirchenvolk hat er weit weniger Aufsehen erregt als
unter den Archäologen und Bibelkundlern. Nicht dass den Gläubigen die
familiären Verhältnisse Jesu Christi völlig egal wären, aber ihr
Hauptproblem sind sie auch nicht. Die meisten haben ohnedies nur eine
vage Ahnung von Jakobus, Joses, Judas, Simon, Salome und Maria und
sind sehr erstaunt, wenn sie erfahren, wie diffus deren
verwandtschaftliche Beziehung zu Jesus ist. Je nach konfessioneller
Ausrichtung sind das entweder leibliche Brüder/Schwestern,
Halbbrüder/-schwestern oder Cousins/Cousinen des Herrn, ein derart
verwirrender Befund, dass man vermuten könnte, bei der Hl. Familie
habe es sich um eine Frühform der Patchworkfamilie gehandelt. Das
übliche Bild - Joseph hobelt, Maria näht, Jesus sinniert - wäre
demnach aufgenommen worden, als die übrigen sechs gerade außer Hauses
waren, in der Schule vielleicht oder beim Bezirksligaspiel Nazareth
gegen Kana.
Wie auch immer: Auf dem Ossuarium, vulgo Knochenkasten, steht in
aramäischen Lettern "Jakob, Sohn des Joseph, Bruder des Jesus"
geschrieben. Für die Optimisten unter den Forschern ist das ein
Jesus-Beweis, fast so wasserdicht wie ein Auszug aus dem Jerusalemer
Melderegister. Nicht die Namen als solche seien der Knüller, sagen
sie, denn die habe es damals so häufig gegeben wie heutzutage Meier,
Müller und Schmidt, sondern deren aparte Kombination. Ein Wunder, wenn
man so will. Umso erstaunlicher, dass man diese hart am Rand der
Heiligkeit angesiedelte Mirakelkiste auf Reisen schickte. Sie wurde
nach Toronto in Kanada gebracht, und prompt passierte, was immer
passiert, wenn nichts passieren soll: Das Behältnis kam beschädigt im
Royal Ontario Museum an, und die Koryphäen dort können nun zusehen,
wie sie den Riss zwischen den Wörtern "Joseph" und "Bruder von Jesus"
mit Polyvinylacetat wieder kitten.
Wie transportiert man übrigens Ossuarien? Es handelt sich dabei
immerhin um Steingehäuse, und die nimmt man, wenn man fliegt, ja nicht
als Handgepäck mit, zum einen wegen ihres Gewichts, zum anderen weil
die Gepäckfächer ohnedies gesteckt voll sind mit Businesskoffern, die
an Kantigkeit und Verdrängung ihren Besitzern nichts nachgeben.
Normales Fluggepäck also, wenn auch mit sattem Übergewicht, und man
malt es sich gern aus, wie das in der Gepäckausgabe des Flughafens
Toronto weitergeht: Koffer hinter Koffer rollt auf dem Band herein,
dann auf einmal eine braune Kalksteintruhe, die keiner heben kann und
die eine Bruchstelle hat, weil sie den Arbeitern schon beim Entladen
des Fliegers ausgerutscht ist. "Damn!" werden sie gerufen haben,
möglicherweise sogar "Shit!", nicht ahnend, dass sie soeben ein Stück
Weltgeschichte in Händen hatten.