(SZ) Das Lese-Abenteuer unserer Kindheit hat einen bestimmten Klang.
Ein kurzes, hartes Klacken, dem ein weicherer, geschmeidigerer Ton
folgt, und wieder das Klacken, und wieder das Weiche, und wieder, und
wieder - und wer oder was ist das? Der Mann mit dem Holzbein. Durch so
viele Bücher humpelt und rumpelt und bumpelt er. In der Schatzinsel
ist es Long John Silver, der Schiffskoch, in Moby Dick Käptn Ahab.
Halt: Ahab trug und wurde getragen von Walknochen. Aber ansonsten war
Holz das, nun ja, das gängige Material. An all diese Geschichten
unserer frühen Jahre und an die Töne, die aus ihnen klangen, hat uns
jetzt Heather Mills erinnert, die Frau Paul McCartneys. In einer
Talkshow bei Larry King hat sie ihr Holzbein abgeschraubt und auf den
Tisch gelegt, wie eine Trophäe, wie ein Souvenir. Er dürfe den Stumpf
anfassen, scherzte Mills zu King, solle sich aber dessen bewusst sein,
dass Paul dann eifersüchtig werde.
Seltsamer Scherz irgendwie. Um ihn verhallen zu lassen, um die vielen
Ersatzbeine, die von unseren Gedanken Besitz ergriffen haben, zu
vergessen, um uns ein wenig zu entspannen, betreten wir einen großen,
großen Wald voller Bäume, die mit ihren ausladenden Wipfeln den Weg
verdunkeln. Doch das Licht genügt, um zu erkennen: Es ist ein Holzweg.
Kein Irrtum, ein Holzweg. Er führt nirgendwo hin, er war, wie alle
Holzwege, nur angelegt worden, um Holz zu befördern, er ist in der
Geschichte das Gegenteil von einem Salzweg gewesen, der stets ein Ziel
hatte, nämlich den Austausch von Ware, das Geldverdienen. "Jener geit
den Holtweg, der andere den Soltweg", hieß es im Ostpreußischen.
Doch wie laut es auf unserem Holzweg ist! Dass keine Stille herrscht!
Wie viele Menschen hier unterwegs sind! Ottmar Hitzfeld sehen wir, der
hofft, er werde noch lange Trainer beim FC Bayern bleiben. Marius
Müller-Westernhagen, welcher denkt, seine Lieder hätten Format. Auch
Gerhard Schröder stromert herum, immer noch im Glauben, es läge kein
Blei überm Land. Doch sehen wir ebenso eine Gruppe von Männern, die an
einer Stelle verharren, die sich bücken, die allem Anschein nach mit
einer festen Absicht hierher gekommen sind. Was tun sie? Nun, sie
arbeiten fleißig. Sie wenden eine gerade erfundene wissenschaftliche
Methode an, senden mit Hilfe von Elektroden Signale in den Boden, und
der Boden gibt ihnen Antwort. Echot, ob er in seiner Tiefe
archäologisch wertvolle Holzobjekte berge. Vor kurzem haben diese
Männer, Forscher der TU Clausthal im Harz, unter einem Moor bei
Biberach bereits eine n neun Meter breiten Bohlenweg entdeckt. Das war
eine Sensation, und nun wollen sie mehr, immer mehr, das ist
natürlich. Was werden sie als Nächstes finden? Einen alten Holzvogel
(oriolus galbula)? Ein kleines Holzveilchen (viola hirta)? Oder ein
schönes Holzbein (John Silver)?