(SZ) Wieder kommt es vor, dass ein Mensch von sich behauptet, in der
Hauptsache Erfinder zu sein, in des Wortes ursprünglicher Bedeutung,
vom Teufel besessen, mit Leib und Seele. Ein größerer Erfinder sogar
als der selige Th. Alva "die Glühbirne" Edison. Leider sei man etwas
verkannt. Ja, in diesem Genre grassieren Neid und Missgunst,
bedauerlicherweise, so auch jüngst, auf der Ideenmesse IENA zu
Nürnberg, dem "Mekka", (andere sagen: Wimbledon) einer nostalgischen
Erfinderwelt. Gleichwohl hört man in Kinderkreisen neuerdings häufiger
das Ausbildungsziel Erfinderin respektive Erfinder, nachdem seriösen
Berufen die Luft auszugehen droht. Journalisten, Pfarrer. Mutmaßlich
erträumt sich's Kind eine Hexenexistenz in der Nesthockerwerkstatt
daheim, im gemütlichen Oberstübchen der Eltern. Nein, Kinder, haut ab,
werdet Controller, Partygirl, Klatschreporter; dergleichen hat
Zukunft. Erfinder sind out, werden nicht gebraucht, alles Große längst
erfunden, verstanden. So Bahnchef Mehdorn, ein bisschen früher der
Reißverschluss, (mutmaßlich durch Kurt Tucholsky), die Äolsharfe,
rauchloses Schießpulver, zuletzt eine Geldvernichtungs- oder
Abschmelz-Maschine genannt Börse - kurz: jegliche Art kleiner und
dicker Apparate,Tötungsvorrichtungen, Quasselkästchen. Vor allem
Letztere erfreuten sich seit jeher der besonderen Vorliebe der
Erfinderschaft, sehr zum Schaden der sittlichen Reife des
Menschengeschlechts.
Tragischer Kern der Erfindungsgeschichte ist die derzeitige
Kollektivierung der einstmals hoch-individualistischen, konspirativen
Zunft. Heute besorgen riesige Departments in den globalisierten
Mega-Konzernen das Entwerfen - sie erfinden so genannte
Synergie-Effekte sowie neue Verpackungen für uraltes Zeugs. Sind sie
damit fertig, wird das kreative Kollektiv auf der Stelle gefeuert. In
der goldenen Zeit hingegen - das aufbruchssüchtige neunzehnte
Jahrhundert auf dem ersten Platz - muss Erfinden eine Lust gewesen
sein. Genialität & Geistesblitz, ergänzt durch Grübelei und Rotspon:
fertig war der Bleistift mit Radiergummi backside, was dem
(natürlich!) Mann 500 000 Schweizer Goldfranken eingebracht haben
soll. Eine teuer zu berappende Liste, enthaltend 695 noch nicht
erfundene Dinge vom vorletzten Fin de Siècle war folgerichtig "Wege
zum Reichtum" überschrieben.
Letzte Leser sollte es anrühren, dass es ein Leben vor jener krass
materialistischen Erfinderwelt gab. Zur Goethezeit wurden namentlich
Geschichtenschreiber und "Romanen"-Dichter unter die Erfinder
eingereiht, was sowohl zutrifft als auch diese Kolumne ehrt. Uns
träumte übrigens, dass ein Trolly-Koffer uns zum Kauf angeboten wurde,
welcher oben eine wassergefüllte, elektrisch heizbare Röhre enthielt,
wider die Kälte der Welt. Diese Idee sei hiermit freigegeben.