(SZ) Es ist noch gar nicht lange her, da machten die wichtigen Männer
  beim FC Bayern einen Plan. Sie würden, beschlossen sie, die besten
  Fußballspieler aus dem ganzen Land nach München holen. Würden ihnen
  das neue, weiße Anti-Schweiß-Trikot anziehen, das niemals nach
  Anstrengung aussieht, sondern immer nur nach Zauberei. Die Spieler
  würden dem Fußball, dieser unbezähmbaren Lederkugel, alles
  Unbezähmbare, Ledrige, Kugelige nehmen. Und schließlich, bei der WM
  2006, würde eine ausschließlich aus Bayernspielern zusammengebastelte
  Mannschaft namens FC Bayern Deutschland auflaufen. Ach was,
  aufschweben würde sie, die Fußballer hätten sich längst Flügel
  antrainiert, weiße Flügel mit dem Werbelogo der Lufthansa. Und ihre
  Freistöße wären wie Blitze, ihre Flanken wie Regenbögen, die Netze der
  Tore müssten aus Titan sein, um nicht unter der Gewalt ihrer Schüsse
  zu zerbersten. Und während die Fußballer anderer Teams dauernd auf das
  Spielfeld rotzten, würden die deutschen Bayern oder bayrischen
  Deutschen goldenes Konfetti auf den Rasen rieseln lassen.

  Es war ein Plan, eine kühne Idee; der Versuch, aus der Wirklichkeit zu
  fliehen. Aber die Wirklichkeit hat den FC Bayern eingeholt, in der
  Champions League. Die Wirklichkeit war brutal und nass in La Coruña,
  wo es schüttete wie vor Monaten über Dresden. Wo ein Wind blies, nicht
  so wie jener, der gerade in Niedersachsen ein Windkraftrad aus dem
  Acker gerupft hatte. Aber immer noch mächtig genug, um das Haar von
  Mehmet Scholl zu zerwuscheln und Ze Roberto fast ins Seitenaus zu
  wehen. Ausgeschieden, in der Vorrunde. "Im Fußball habe ich alles über
  das Leben erfahren", hat Camus einmal geschrieben. In dieser Nacht
  konnte man alles über den FC Bayern erfahren, einen deprimierten,
  erschöpften, also perfekten Repräsentanten seines Landes. Durchweicht
  waren die Bayern. Ihre Trikots, mit der Werbung für deutsche
  Telekommunikation, hingen schmutzig an ihnen wie gebrauchte
  Servietten. Sie waren Verlierer, sie hießen zum Beispiel Ballack. Oder
  Ballast? Die anderen waren Sieger, sie hießen zum Beispiel Victor. Der
  schoss das 1:0 in der 54. Minute.

  Nach dem Spiel sprach der erbleichte Trainer Ottmar Hitzfeld und sah
  mit seinen mephistophelisch geschwungenen Augenbrauen so erbleicht und
  mephistophelisch aus wie Franz Müntefering nach den
  Koalitionsverhandlungen. Übrigens: Kann es ein Zufall sein, dass
  ausgerechnet jetzt der Torwart Kahn über den Golfplatz trottet,
  während seine Kollegen überall geschrubbt werden? Ist das nicht so,
  als würde ein deutscher Verteidigungsminister im Pool mit einer Gräfin
  planschen, während seine Armee in den Krieg zieht? Kann man wohl
  sagen. Man kann vielleicht sogar sagen, der FC Bayern war noch nie so
  sehr der FC Bayern Deutschland wie im Augenblick.