(SZ)Hat ein fast makelloser weißer Fleck je einen so hohen Preis
  erzielt? Dieser Tage wurde in London für mehr als 100000 Euro eine
  Karte von Afrika versteigert, die nur den Umriss des Kontinents zeigt
  sowie den mit Bleistift eingetragen Verlauf des Kongo. Die Karte fand
  sich im Nachlass von John Rowlands, der 1841 in einem elenden Dorf in
  Wales geboren wurde. Die Mutter, eine Dienstmagd, hatte drei Kinder
  von drei Vätern. Wer damals und dort und unter solchen Umständen das
  Licht der Welt erblickte, hatte keine Chance, es sei denn, er nutzte
  sie. John Rowlands ging zur See und gelangte nach Amerika. Dort erfand
  er sich einen Adoptivvater, einen Baumwollhändler namens Henry Hope
  Stanley. Als Henry Stanley schrieb er Reportagen für den Missouri
  Democrat über die wenig ruhmreichen Vernichtungsfeldzüge, die von der
  US-Kavallerie gegen die Indianer geführt wurden. Dann hatte er den
  Einfall, der seinen journalistischen Durchbruch vorbereitete: Er legte
  sich den dritten Namen Morton zu.

  Als Henry Morton Stanley wurde er vom New York Herald 1867 nach
  Abessinien in einen jener afrikanischen Kolonialkriege entsandt, in
  dem unbotmäßige Eingeborene, die sich gegen die so genannte
  Zivilisation zur Wehr setzten, von der zivilisierten Welt mit
  Maschinenwaffen niedergemacht wurden. Dieser Teil seiner Karriere
  diente Evelyn Waugh später als Anregung für die Journalismus-Satire
  "Scoop". Stanley jedoch wurde unsterblich, als er nach 411 Tagen
  unsäglicher Strapazen am 10.November 1871 am Tanganyika-See auf den
  seit Jahren verschollenen schottischen Missionar David Livingstone
  stieß und diesen mit den Worten begrüßte: "You are Doctor Livingstone,
  I presume." Solche Lakonie machte Stanley mit einem Mal berühmt. So
  berühmt, dass er es sich leisten konnte, als erster Weißer dem Lauf
  des Kongo zu folgen und von der Quelle bis zur Mündung zu kartieren,
  so gut es eben damals ging. Belgiens Leopold II. hatte ihn mit der
  Mission beauftragt, selbstredend auch das im Namen der Zivilisation.

  Das ist verdammt lang her, aber Afrika ist ein Erdteil der harten
  Kontraste geblieben - und eine riesige Wunde, aus der bis heute ein
  nicht zu stillender Blutstrom fließt. "Herz der Finsternis", nannte
  Joseph Conrad diesen Teil des Schwarzen Kontinents, nachdem König
  LeopoldII. ein Schreckensregiment kolonialer Ausbeutung errichtet
  hatte. Ein Ort der Finsternis ist er geblieben und kurioserweise auch
  ein weißer Fleck, was die Aufmerksamkeit der Welt angeht. Denn noch
  immer gilt das Wort Bismarcks, der 1888 dem Afrikaforscher Eugen Wolf
  sagte: "Ihre Karte von Afrika ist ja sehr schön, aber meine Karte von
  Afrika liegt in Europa. Hier liegt Russland und hier liegt Frankreich,
  und wir sind in der Mitte; das ist meine Karte von Afrika."