(SZ)Sicher haben manche, die es angeht, auf dieses granatenmäßige
Event schon so lange gewartet, dass sie darüber grau geworden sind.
Man schrieb das Jahr1990, als die Vereinten Nationen den 1. Oktober
zum "internationalen Tag der älteren Menschen" erklärten, und seitdem
ist das ein fröhliches, weltumspannendes Fest, von dem, nimmt man die
Sache wörtlich, praktisch keiner ausgeschlossen ist. Gibt es doch so
gut wie immer einen, der jünger ist, so dass bis auf diesen einen
ausschließlich ältere Menschen existieren, welche sich an diesem
Dienstag dankbar und fröhlich hochleben lassen. Wahrscheinlich geht es
ihnen dann wie den Bäumen der Welt, welche am internationalen Tag des
Baumes so entspannt ihre Glieder ausstrecken, als gäbe es weder
Förster noch Miniermotten und Borkenkäfer.
Wahrscheinlich ist das aber gar nicht so gemeint. Ältere Menschen
waren früher einmal alternde oder alte Menschen. Sie als solche zu
bezeichnen, gilt jedoch nun als unsportlich, wenn nicht gar als
rücksichtslos. Alte Männer und alte Frauen treten nur noch in der
Literatur auf, im normalen Leben sind sie nur älter als andere, oder
sie sind Senior(inn)en. Die Franzosen haben für sie die Klasse des
troisième âge erfunden, des dritten Lebensalters, wobei weitgehend
offen bleibt, wann das zweite endet. Manche Frauen verharren
zeitlebens in der mittleren Stufe, was einer von innen wirkenden Kraft
oder der modernen Chirurgie zu danken ist. Manche Männer hingegen
altern zwar äußerlich, kommen aber wesensmäßig nie ganz über die
Pubertät hinaus - was ursprünglich nicht so vorgesehen war.
Allerdings wäre wenig gewonnen, wenn die Rücksichtnahme nur
semantischer Natur wäre. Die modernen Gesellschaften reagieren auch
sonst sehr sensibel auf die ersten Anzeichen des Alters. Arbeitgeber
rühmen nimmermüde den Erfahrungsschatz und die soziale Kompetenz
langgedienter Arbeitnehmer. Sie sind aber auch so feinfühlig, den über
50-Jährigen die schwierige Entscheidung darüber abzunehmen, wann die
Maloche ein Ende haben soll. Dass die Jüngeren, die dann nachrücken,
billiger sind als die Älteren, ist ein unerwünschter, aber
hinzunehmender Nebeneffekt. Die über 50-Jährigen werden nun frei für
selbstlos zu verrichtende Dienste in der so genannten
Zivilgesellschaft, was ihnen mit schönen Worten gedankt wird. Später
winken ihnen spezielle Seniorenheime mit allerlei Kurzweil und so viel
Personal, dass die Zuwendung kein Ende nehmen will. Kinder und
Kindeskinder stören das Idyll nicht über Gebühr, weil sie, dem
allgemeinen Gebot der Mobilität folgend, über das ganze Land verstreut
sind. Somit wäre also alles bestens bestellt für die älteren Menschen,
jedenfalls in diesen Breiten. Am Freitag ist dann Welttiertag.