(SZ)In unserer Rubrik "Jubiläen, die keiner feiert" wollen wir heute
  daran erinnern, dass vor 27 Jahren Saddam Hussein nach Paris aufbrach.
  Für einen Mann im besten Alter, besonders für einen starken Mann, wird
  so etwas leicht zur Erlebnisreise, noch mehr, wenn jemand wie Saddam
  nicht viel herumkommt in der Welt, nicht einmal in der arabischen.
  Machen wir es kurz: Die Sache wurde ein Riesenerfolg. Frankreichs
  aufstrebender Premierminister nahm sich des Gastes an, nannte ihn
  seinen Freund, einen großen Staatsmann, und fuhr mit ihm am Wochenende
  aufs Land. Auf Fotos stehen sich die beiden so nahe, dass der Franzose
  an dem Iraker mutmaßlich den süßen Duft von Petroleum schnuppern
  konnte. Für die Mirage-Flugzeuge, die Saddam immer so gern mochte,
  verschaffte ihm der Premier einen Rabatt von 1,75 Millionen Dollar pro
  Stück. Und er verkaufte ihm den Atomreaktor Osirak.

  Da waren Leute, denen die Sache gefährlich vorkam und die es deshalb
  nahe liegend fanden, die Rolle des Regierungschefs hervorzuheben:
  Gehässige Formulierungskünstler tauften den Reaktor "Ochirac". Einer
  der Skeptiker, Jitzhak Schamir, trieb die Vorsicht so weit, dass er
  seine israelischen Phantoms ausschickte, die den mittlerweile
  ebenfalls aufstrebenden Reaktor hinwegbombten. Das hatten die Perser,
  die damals mit Saddam im Krieg lagen, auch schon versucht, aber
  erfolglos. Atomschläge blieben ihnen kraft Schamir erspart, aber sie
  setzten dem Israeli dafür in Teheran kein Denkmal, selbst als der
  starke Mann im Irak sie mit seiner Chemie als "Ungeziefer" traktierte.
  Undank ist der Welt Lohn, Irren menschlich und moralische Empörung
  über den Besitz von Massenvernichtungswaffen eine Frage des Datums.
  Auch seine Bakterien hat Saddam mit freundlicher Unterstützung von
  Regierungen gezüchtet, die ihn jetzt nicht mehr kennen wollen.

  Zum Glück sind nicht alle Sprichwörter wahr. Alte Freundschaft rostet
  doch. Schon der 15. Jahrestag des historischen Pariser Besuchs wurde
  nirgends mehr begangen. Da hatte der Dieb von Bagdad soeben Kuwait
  gestohlen. Als das Ereignis sich zum 20. Mal jährte, war der
  Aufsteiger im Elysée angekommen, Saddam aber längst nicht mehr
  nahöstlicher Großmeister des Laizismus, sondern als Hitler der Stunde
  in Quarantäne. Zugleich mit dem 25. hätten sich allenfalls zehn Jahre
  Sanktionen zelebrieren lassen. Erst zum 27. kam wieder jemand auf den
  Gedanken, dass man etwas unter-nehmen müsste. Drei französische
  Abge-ordnete, noch dazu aus der Regierungspartei, pilgerten an den
  Tigris, um dort einen Versuchsballon der Nostalgie stei-gen zu lassen.
  Er stürzt im freundlichen Feuer ab, wie es im Militärjargon heißt. Am
  Ende ist auch Linientreue der (politischen) Mode unterworfen.