[1] Im andern Jahr des Reichs Nebukadnezars hatte Nebukadnezar einen Traum,
davon er erschrak, daß er aufwachte. [2] Und er hieß alle Sternseher, und
Weisen und Zauberer und Chaldäer zusammenfordern, daß sie dem Könige seinen
Traum sagen sollten. Und sie kamen und traten vor den König. [3] Und der
König sprach zu ihnen: Ich habe einen Traum gehabt, der hat mich
erschreckt; und ich wollte gerne wissen, was es für ein Traum gewesen sei.
[4] Da sprachen die Chaldäer zum Könige auf chaldäisch: Herr König, GOtt
verleihe dir langes Leben! Sage deinen Knechten den Traum, so wollen wir
ihn deuten. [5] Der König antwortete und sprach zu den Chaldäern: Es ist
mir entfallen. Werdet ihr mir den Traum nicht anzeigen und ihn deuten, so
werdet ihr gar umkommen und eure Häuser schändlich verstöret werden. [6]
Werdet ihr mir aber den Traum anzeigen und deuten, so sollt ihr Geschenke,
Gaben und große Ehre von mir haben. Darum so sagt mir den Traum und seine
Deutung! [7] Sie antworteten wiederum und sprachen: Der König sage seinen
Knechten den Traum, so wollen wir ihn deuten. [8] Der König antwortete und
sprach: Wahrlich, ich merke es, daß ihr Frist suchet, weil ihr sehet, daß
mir's entfallen ist. [9] Aber werdet ihr mir nicht den Traum sagen, so
gehet das Recht über euch, als die ihr Lügen und Gedichte vor mir zu reden
vorgenommen habt, bis die Zeit vorübergehe. Darum so sagt mir den Traum, so
kann ich merken, daß ihr auch die Deutung treffet. [10] Da antworteten die
Chaldäer vor dem Könige und sprachen zu ihm: Es ist kein Mensch auf Erden,
der sagen könne, das der König fordert. So ist auch kein König, wie groß
oder mächtig er sei, der solches von irgendeinem Sternseher, Weisen oder
Chaldäer fordere. [11] Denn das der König fordert, ist zu hoch, und ist
auch sonst niemand, der es vor dem Könige sagen könne, ausgenommen die
Götter, die bei den Menschen nicht wohnen. [12] Da ward der König sehr
zornig und befahl, alle Weisen zu Babel umzubringen. [13] Und das Urteil
ging aus, daß man die Weisen töten sollte. Und Daniel samt seinen Gesellen
ward auch gesucht, daß man sie tötete. [14] Da vernahm Daniel solch Urteil
und Befehl von dem obersten Richter des Königs, welcher auszog, zu töten
die Weisen zu Babel. [15] Und er fing an und sprach zu des Königs Vogt
Arioch: Warum ist so ein streng Urteil vom Könige ausgegangen? Und Arioch
zeigte es dem Daniel an. [16] Da ging Daniel hinauf und bat den König, daß
er ihm Frist gäbe, damit er die Deutung dem Könige sagen möchte. [17] Und
Daniel ging heim und zeigte solches an seinen Gesellen, Hananja, Misael und
Asarja, [18] daß sie GOtt vom Himmel um Gnade bäten solches verborgenen
Dings halben, damit Daniel und seine Gesellen nicht samt den andern Weisen
zu Babel umkämen. [19] Da ward Daniel solch verborgen Ding durch ein
Gesicht des Nachts offenbaret. [20] Darüber lobte Daniel den GOtt vom
Himmel, fing an und sprach: Gelobet sei der Name GOttes von Ewigkeit zu
Ewigkeit; denn sein ist beides, Weisheit und Stärke! [21] Er ändert Zeit
und Stunde; er setzt Könige ab und setzt Könige ein; er gibt den Weisen
ihre Weisheit und den Verständigen ihren Verstand; [22] er offenbaret, was
tief und verborgen ist; er weiß, was in Finsternis liegt; denn bei ihm ist
eitel Licht. [23] Ich danke dir und lobe dich, GOtt meiner Väter, daß du
mir Weisheit und Stärke verleihest und jetzt offenbaret hast, darum wir
dich gebeten haben; nämlich du hast uns des Königs Sache offenbaret. [24]
Da ging Daniel hinauf zu Arioch, der vom Könige Befehl hatte, die Weisen zu
Babel umzubringen, und sprach zu ihm also: Du sollst die Weisen zu Babel
nicht umbringen, sondern führe mich hinauf zum Könige, ich will dem Könige
die Deutung sagen. [25] Arioch brachte Daniel eilends hinauf vor den König
und sprach zu ihm also: Es ist einer funden unter den Gefangenen aus Juda,
der dem Könige die Deutung sagen kann. [26] Der König antwortete und sprach
zu Daniel, den sie Beltsazar hießen: Bist du, der mir den Traum, den ich
gesehen habe und seine Deutung zeigen kann? [27] Daniel fing an vor dem
Könige und sprach: Das verborgene Ding, das der König fordert von den
Weisen, Gelehrten, Sternsehern und Wahrsagern, stehet in ihrem Vermögen
nicht, dem Könige zu sagen, [28] sondern GOtt vom Himmel, der kann
verborgene Dinge offenbaren; der hat dem Könige Nebukadnezar angezeiget,
was in künftigen Zeiten geschehen soll. [29] Dein Traum und dein Gesicht,
da du schliefest, kam daher: Du, König, dachtest auf deinem Bette, wie es
doch hernach gehen würde; und der, so verborgene Dinge offenbaret, hat dir
angezeiget, wie es gehen werde. [30] So ist mir solch verborgen Ding
offenbaret, nicht durch meine Weisheit, als wäre sie größer denn aller, die
da leben, sondern darum, daß dem Könige die Deutung angezeiget würde, und
du deines Herzens Gedanken erführest. [31] Du, König, sahst, und siehe, ein
sehr groß und hoch Bild stund vor dir, das war schrecklich anzusehen. [32]
Desselben Bildes Haupt war von feinem Golde; seine Brust und Arme waren von
Silber; sein Bauch und Lenden waren von Erz; [33] seine Schenkel waren
Eisen; seine Füße waren eines Teils Eisen und eines Teils Ton. [34] Solches
sahst du, bis daß ein Stein herabgerissen ward ohne Hände; der schlug das
Bild an seine Füße, die Eisen und Ton waren, und zermalmete sie. [35] Da
wurden miteinander zermalmet das Eisen, Ton, Erz, Silber und Gold und
wurden wie Spreu auf der Sommertenne; und der Wind verwebte sie, daß man
sie nirgends mehr finden konnte. Der Stein aber, der das Bild schlug, ward
ein großer Berg, daß er die ganze Welt füllete. [36] Das ist der Traum. Nun
wollen wir die Deutung vor dem Könige sagen. [37] Du, König, bist ein König
aller Könige, dem GOtt vom Himmel Königreich, Macht, Stärke und Ehre
gegeben hat [38] und alles da Leute wohnen, dazu die Tiere auf dem Felde
und die Vögel unter dem Himmel in deine Hände gegeben und dir über alles
Gewalt verliehen hat. Du bist das güldene Haupt. [39] Nach dir wird ein
ander Königreich aufkommen, geringer denn deines. Danach das dritte
Königreich, das ehern ist, welches wird über alle Lande herrschen. [40] Das
vierte wird hart sein wie Eisen. Denn gleichwie Eisen alles zermalmet und
zerschlägt, ja, wie Eisen alles zerbricht, also wird es auch alles
zermalmen und zerbrechen. [41] Daß du aber gesehen hast die Füße und Zehen
eines Teils Ton und eines Teils Eisen, das wird ein zerteilt Königreich
sein; doch wird von des Eisens Pflanze drinnen bleiben, wie du denn gesehen
hast Eisen mit Ton vermenget. [42] Und daß die Zehen an seinen Füßen eines
Teils Eisen und eines Teils Ton sind, wird es zum Teil ein stark und zum
Teil ein schwach Reich sein. [43] Und daß du gesehen hast Eisen mit Ton
vermenget, werden sie sich wohl nach Menschengeblüt untereinander mengen,
aber sie werden doch nicht aneinander halten, gleichwie sich Eisen mit Ton
nicht mengen läßt. [44] Aber zur Zeit solcher Königreiche wird GOtt vom
Himmel ein Königreich aufrichten, das nimmermehr zerstöret wird; und sein
Königreich wird auf kein ander Volk kommen. Es wird alle diese Königreiche
zermalmen und verstören, aber es wird ewiglich bleiben. [45] Wie du denn
gesehen hast, einen Stein ohne Hände vom Berge herabgerissen, der das
Eisen, Erz, Ton, Silber und Gold zermalmet. Also hat der große GOtt dem
Könige gezeiget, wie es hernach gehen werde; und das ist gewiß der Traum,
und die Deutung ist recht. [46] Da fiel der König Nebukadnezar auf sein
Angesicht und betete an vor dem Daniel und befahl, man sollte ihm
Speisopfer und Räuchopfer tun. [47] Und der König antwortete Daniel und
sprach: Es ist kein Zweifel, euer GOtt ist ein GOtt über alle Götter und
ein HErr über alle Könige, der da kann verborgene Dinge offenbaren, weil du
dies verborgene Ding hast können offenbaren. [48] Und der König erhöhete
Daniel und gab ihm große und viele Geschenke und machte ihn zum Fürsten
über das ganze Land zu Babel und setzte ihn zum Obersten über alle Weisen
zu Babel. [49] Und Daniel bat vom Könige, daß er über die Landschaften zu
Babel setzen möchte Sadrach, Mesach, Abed-Nego; und er, Daniel, blieb bei
dem Könige zu Hofe.