Er ist Firmenpraesident und Designer-Legende in Personalunion: Bob
Bates kennt man seit seligen Textadventure-Tagen bei Infocom, heute
produziert seine kleine, aber feine Company "Legend Entertainment"
einen Hit nach dem anderen - wie macht der Amerikaner das nur?
Die Legende lebt, und das nun bereits seit knapp 42 Jahren: Bob Bates
kam am 11.12.1953 (wie es sich fuer einen zukuenftigen Praesidenten
gebuehrt) in Washington D.C. zur Welt und verbrachte vier Jahre seiner
Kindheit in England - wovon heute noch seine ausgesuchte Hoeflichkeit
und die Begeisterung fuer Fussball und Cricket zeugen. Spaeter hat er
Philosophie und Psychologie an der amerikanischen Georgetown University
studiert; sein eigentlicher Berufswunsch lautete Schriftsteller. Doch
nach zwei Jahren, in denen er tagsueber Touristen durch die Stadt
fuehrte und naechtens an einem Roman arbeitete, schenkte ihm sein Vater
Mitte der 80er Jahre einen Rechner und das Infocom-Abenteuer "Zork";
schon war es um Bob geschehen...
Die Begeisterung fuer Computerspiele liess ihn mit einem Freund die
Firma Challenge gruenden, welche von Infocom eine Lizenz fuer deren
Entwicklungssystem kaufen wollte. Statt dessen kauften die Koenige des
interaktiven Romans aber Mr. Bates, der fuer Infocom dann 1987 das
Programm "Sherlock: The Riddle of the Crown Jewels" schrieb - es sollte
das letzte reine Textadventure der Kulthersteller sein; das 1989
erschienene Bates-Abenteuer "Arthur: The Quest for Excalibur" enthielt
bereits Grafiken und laeutete das Ende einer Aera ein: Am 5.5.1989
mussten die Pioniere unter den Fittichen von Mediagenic ihre Bueros
endgueltig schliessen. Zwar liess Activision das Label Infocom in den
90ern wieder auferstehen, allerdings mit neuen Mitarbeitern und ohne
Bob.
Der hatte gemeinsam mit Michael Verdu im Oktober 89 Legend Entertainment
gegruendet, eine Adventure-Schmiede, deren erste Produkte die alten
Qualitaeten eines verstaendigen Parsers mit neuen wie einer komfortablen
Benutzeroberflaeche und hochaufloesender Grafik zu vereinen wusste. Der
erste Title wurde von Steve Meretzky, dem ehemaligen Chef-Witzbold bei
Infocom, entwickelt und wegen des grossen Erfolges mit zwei
Fortsetzungen geadelt: "Spellcasting 101: Sorcerers get all the Girls".
Was sich seit dieser Uni-Persiflage getan hat und noch tun wird, soll
dieses Gespraech klaeren.
?: Bob, euer "Death Gate" steht den Abenteurern ja nun schon seit
einigen Monaten offen, wo bleibt der Nachschub?
BB: Keine Sorge, der rollt. So steht als naechstes "Mission Critical" an,
ein SF-Adventure mit tollen SVGA-Grafiken, sehenswerten Animationen
und namhaften Schauspielern. Als maennlichen Hauptdarsteller konnten
wir Michael Dorn gewinnen, der seit der TV-Serie "Star Trek: The
next Generation" ein Begriff sein duerfte. Die weibliche Hauptrolle
hat Patricia Charbonneau inne, die man aus Kinostreifen wie "K-2"
und "Robocop II" kennt. Mit Susannah Falcon ("Wolf") und Jeff Mandon
("America's most wanted") sind auch die Nebenrollen prominent
besetzt, und dennoch soll hier bis Herbst viel mehr entstehen als
nur eines der ueblichen interaktiven Filmchen. Wer sagt denn, dass
sich gute Videoaufnahmen nicht auch mit gutem Gameplay kombinieren
lassen?
?: Na, wir jedenfalls nicht. Aber was ist eigentlich mit der von Legend
so erfolgreich befahrenen Fantasy-Schiene passiert - duerfen die
Fans von "Xanth" oder "Death Gate" etwa nicht mit Fortsetzungen
rechnen?
BB: Freilich duerfen sie, aber bevor wir uns an ein zweites Spiel zu
Anthony Piers' [sic] Saga oder dem Todestor von Weis und Hickman
machen, wird "Shannara" von Terry Brooks versoftet. Seine Fantasy-
Bestseller erscheinen ja in den USA bei Random House, und da dieser
weltgroesste Buchverlag an meiner Company beteiligt ist, kann der
Nachschub an guten Romanvorlagen als gesichert gelten. "Wheel of
Time" von Robert Jordon ist z.B. fuer eine Versoftung ebenso im
Gespraech wie Spider Robinsons "Callahan's Crosstime Saloon".
?: Bei soviel Auswahl stellt sich die Frage nach den Kriterien...
BB: Wichtig sind eine packende Story und interessante Charaktere, wobei
ich bei "Shannara" auch voll auf die Designer vertraue - immerhin
haben Corey und Lori Cole ja fuer Sierra schon die sehr erfolgreiche
"Quest for Glory"-Serie entwickelt.
?: Uns ist zu Ohren gekommen, dass die beiden von Sierra gefeuert
wurden, weil sie sich etwas zu sehr mit den Figuren von "Quest for
Glory IV" identifizierten und unter hygienisch untragbaren
Bedingungen im Wald hausten - das kann doch nur ein wildes Geruecht
sein, oder?!
BB: Keine Ahnung, wie reinlich die Leute sind; sie leben ja in
Kalifornien und damit am anderen Ende des Kontinents. Auf jeden Fall
gehen sie mit viel Liebe zum Detail ans Gamedesign heran, und was
sie bisher geliefert haben, gefaellt mir sehr.
?: Den Kaeufern hat von jeher die Benutzeroberflaeche der Legend-
Adventures gefallen, wie sie zuletzt auch noch bei "Death Gate"
verwendet wurde. Habt ihr dieses System weiter verbessert, oder
erwartet uns da etwas voellig Neues?
BB: Grundsaetzlich bleiben wir bei der durchdachten Maussteuerung nebst
SVGA-Grafik und Sprachausgabe, auch wenn natuerlich immer weiter am
Spielkomfort gefeilt wird. So sollen demnaechst fuer den deutschen
Markt perfekt uebersetzte Versionen erscheinen, wobei wir gerade
hier wissen, was wir unserem guten Ruf schuldig sind - wer aus der
Tradition von Parser-Adventures kommt, wird sich auch in anderen
Sprachen nur mit korrekten Satzstrukturen zufriedengeben!
?: Nicht zuletzt unser Schlussredakteur wird sich freuen, das zu hoeren.
Und nahezu jeder Abenteurer in der Redaktion wuerde sich ueber ein
neues, von Bob Bates persoenlich geschriebenes Spiel freuen,
schliesslich waren "Eric the Unready" oder auch "Timequest" ja
wirklich feine Programme. Darf man also hoffen, dass der legendaere
Praesident auch mal wieder selbst in die Tasten greift?
BB: Ja und nein. Fuer "The Great Game", ein kommendes Spionage-Adventure,
das unter Mitarbeit des ehemaligen CIA-Direktors William Colby
entsteht, habe ich zumindest das Konzept entwickelt.
?: Wird dieses Spiel nicht bei Activision veroeffentlicht? Und war nicht
auf der letzten ECTS [European Computer Trade Show, London] zu
erfahren, dass wegen eines Giftgas-Szenarios, das fatal an den
Anschlag von Tokio erinnert, Aenderungen im Design erforderlich
sind?
BB: All das ist richtig, weshalb ich zu dem Thema aber auch nichts
Genaueres sagen kann. Das Game wird von Activision in Eigenregie
betreut, es mag also durchaus sein, dass einige Konzepte aus dem
Anfangsstadium bereits wieder verworfen sind. Persoenlich kuemmere
ich mich derzeit auch mehr um ein Programm im Auftrag der
Regierung...
?: Ein Trainings-Adventure fuer Agenten? Neue Planspiele fuer den
Pentagon-Rechner?
BB: Nein, eine Nummer kleiner. Ich soll ein Game entwickeln, mit dem die
Regierungsangestellten alle Paragraphen gegen Bestechung spielend
lernen. Wer weiss z.B. schon, dass man die offiziellen Bonusmeilen
fuer Vielflieger nicht privat verbrauchen darf?
?: Na, das koennte man sich zumindest denken. Trotzdem ist die Idee von
Edutainment fuer Beamte vielversprechend, vielleicht setzt sich so
was auch mal hierzulande durch. Wird man das Programm denn auch
regulaer im Laden kaufen koennen?
BB: Keinesfalls, an dieser Art von Publicity ist unserer Regierung gar
nicht gelegen - noch nicht einmal Fotos duerfen veroeffentlicht
werden!
?: Das war zu befuerchten. Kommen wir daher zu weniger geheimen Dingen,
wie etwa zu deinem Ex-Kollegen von Infocom. Was treibt denn Steve
Meretzky so?
BB: Na, mit Steve telefoniere ich tatsaechlich noch sehr oft...
?: Vielleicht wegen "Spellcasting 401"? Oder sollte die Zauberlehre
bereits mit der Klasse 301 beendet sein?
BB: Ehe wir da ueber die Zukunft nachdenken, muss erst mal die
Vergangenheit voll bewaeltigt sein. So ist doch eben erst die
CD-Version seines "Superhero League of Hoboken" erschienen, fuer das
wir das Cover der Floppy-Fassung neu gestalten mussten. Es war
einfach zu euro-avantgardistisch; in den USA konnte sich keiner so
recht vorstellen, was fuer ein Spiel das sein soll - beim simpleren
Motiv der CD duerfte das hingegen auf Anhieb klar werden.
?: Also, uns gefiel das urspruengliche Artwork ganz ausgezeichnet; wir
haben es letzten September sogar zum Cover- und Postermotiv des
Magazins gekuert.
BB: Wirklich? Toll! Schickt es mir doch bitte, denn wenn eines unserer
Spiele auf dem Titel eines grossen Magazins war, haengen wir dieses
Cover gerahmt in unsere Bueros.
?: Kein Problem, solange du uns weiter ueber Ex-Infocomler aufklaerst.
Hast du z.B. noch Kontakt mit Mike Berlyn und Mark Blank, die ja
erst vor kurzem "Live Action Football" fuer Accolade entwickelt
haben?
BB: Eher wenig, zumal ich nicht verstehen kann, wie publizierte
SF-Autoren ihr Talent an blosse Multimedia-Software vergeuden
koennen. Aber das ist wohl leider die Zukunft, oder? Jedenfalls
arbeitet Dave Lebling fuer eine Video Processing-Firma, und Brian
Moriarty ist den Bildschirm-Abenteuern ebenfalls untreu geworden -
nach "Loom" von Lucas Arts werkelte er an dem Weltraumfrachter
"Loadstar" fuer Rocket Science. Dabei waren "Trinity" und
"Wishbringer" doch so wundervolle Spiele...
?: Tja, dann eben zurueck zu dir. Wie verbringst du deine Freizeit,
spielst du selbst noch die Werke anderer? Und was sind ueberhaupt
deine persoenlichen Lieblingsadventures?
BB: Fuer mich sind die alten Infocom-Textwuesten immer noch das Groesste,
wenn es mit Grafik sein soll, halte ich Ron Gilberts "Monkey Island"
fuer nach wie vor unerreicht. Im Grunde kann ich es mir heute aber
kaum noch leisten, mich in ein Spiel wirklich zu vertiefen, da man
mich dann tagelang nicht mehr vom Rechner trennen kann. Oft genuegt
schon ein Schachprogramm, um mich fuenf Naechte am Stueck
wachzuhalten!
?: Willkommen im Club der Suechtigen! Wie sehen deine
"Ersatzbefriedigungen" aus?
BB: Nun, ich lese sehr viel; das Spektrum reicht von Geschichte ueber
Philosophie und grosse Literatur bis hin zu Science-fiction [sic]
und Fantasy. Und weil ich wegen meines schlechten Gedaechtnisses nie
ein Buch wegwerfe, gibt's immer wieder Zoff mit meiner Frau - die
uebrigens als Marketingdirektorin bei Legend arbeitet. Ansonsten
singe ich noch zusammen mit drei Freunden in einem "Barber Shop
Quartett" A-cappella-Nummern im Folkstil der Jahrhundertwende. Auch
in Sachen Film bevorzuge ich Musikalisches, etwa alte Streifen mit
Fred Astaire und Ginger Rogers oder solche mit den Marx Brothers.
Auf dem Plattenspieler dreht sich haeufig eine Scheibe von Paul
Simon, und wenn es mal Sport sein soll, dann spiele ich eben mit
meinem fuenfjaehrigen Sohn Frisbee.
?: Dafuer wuenschen wir dir auch zukuenftig viel Zeit, obwohl uns viele
neue Legend-Highlights ehrlich gesagt lieber waeren. Auf alle Faelle
bedanken wir uns herzlich fuer das nette Gespraech!