aus: PC Joker 7/8'95 (Juli/August 1995)

smalltalk - Ein offenes Gespraech mit: Bob Bates

   Er ist Firmenpraesident und Designer-Legende in Personalunion: Bob
   Bates kennt man seit seligen Textadventure-Tagen bei Infocom, heute
   produziert seine kleine, aber feine Company "Legend Entertainment"
   einen Hit nach dem anderen - wie macht der Amerikaner das nur?

Die Legende lebt, und das nun bereits seit knapp 42 Jahren: Bob Bates
kam am 11.12.1953 (wie es sich fuer einen zukuenftigen Praesidenten
gebuehrt) in Washington D.C. zur Welt und verbrachte vier Jahre seiner
Kindheit in England - wovon heute noch seine ausgesuchte Hoeflichkeit
und die Begeisterung fuer Fussball und Cricket zeugen. Spaeter hat er
Philosophie und Psychologie an der amerikanischen Georgetown University
studiert; sein eigentlicher Berufswunsch lautete Schriftsteller. Doch
nach zwei Jahren, in denen er tagsueber Touristen durch die Stadt
fuehrte und naechtens an einem Roman arbeitete, schenkte ihm sein Vater
Mitte der 80er Jahre einen Rechner und das Infocom-Abenteuer "Zork";
schon war es um Bob geschehen...

Die Begeisterung fuer Computerspiele liess ihn mit einem Freund die
Firma Challenge gruenden, welche von Infocom eine Lizenz fuer deren
Entwicklungssystem kaufen wollte. Statt dessen kauften die Koenige des
interaktiven Romans aber Mr. Bates, der fuer Infocom dann 1987 das
Programm "Sherlock: The Riddle of the Crown Jewels" schrieb - es sollte
das letzte reine Textadventure der Kulthersteller sein; das 1989
erschienene Bates-Abenteuer "Arthur: The Quest for Excalibur" enthielt
bereits Grafiken und laeutete das Ende einer Aera ein: Am 5.5.1989
mussten die Pioniere unter den Fittichen von Mediagenic ihre Bueros
endgueltig schliessen. Zwar liess Activision das Label Infocom in den
90ern wieder auferstehen, allerdings mit neuen Mitarbeitern und ohne
Bob.

Der hatte gemeinsam mit Michael Verdu im Oktober 89 Legend Entertainment
gegruendet, eine Adventure-Schmiede, deren erste Produkte die alten
Qualitaeten eines verstaendigen Parsers mit neuen wie einer komfortablen
Benutzeroberflaeche und hochaufloesender Grafik zu vereinen wusste. Der
erste Title wurde von Steve Meretzky, dem ehemaligen Chef-Witzbold bei
Infocom, entwickelt und wegen des grossen Erfolges mit zwei
Fortsetzungen geadelt: "Spellcasting 101: Sorcerers get all the Girls".
Was sich seit dieser Uni-Persiflage getan hat und noch tun wird, soll
dieses Gespraech klaeren.

?:  Bob, euer "Death Gate" steht den Abenteurern ja nun schon seit
   einigen Monaten offen, wo bleibt der Nachschub?

BB: Keine Sorge, der rollt. So steht als naechstes "Mission Critical" an,
   ein SF-Adventure mit tollen SVGA-Grafiken, sehenswerten Animationen
   und namhaften Schauspielern. Als maennlichen Hauptdarsteller konnten
   wir Michael Dorn gewinnen, der seit der TV-Serie "Star Trek: The
   next Generation" ein Begriff sein duerfte. Die weibliche Hauptrolle
   hat Patricia Charbonneau inne, die man aus Kinostreifen wie "K-2"
   und "Robocop II" kennt. Mit Susannah Falcon ("Wolf") und Jeff Mandon
   ("America's most wanted") sind auch die Nebenrollen prominent
   besetzt, und dennoch soll hier bis Herbst viel mehr entstehen als
   nur eines der ueblichen interaktiven Filmchen. Wer sagt denn, dass
   sich gute Videoaufnahmen nicht auch mit gutem Gameplay kombinieren
   lassen?

?:  Na, wir jedenfalls nicht. Aber was ist eigentlich mit der von Legend
   so erfolgreich befahrenen Fantasy-Schiene passiert - duerfen die
   Fans von "Xanth" oder "Death Gate" etwa nicht mit Fortsetzungen
   rechnen?

BB: Freilich duerfen sie, aber bevor wir uns an ein zweites Spiel zu
   Anthony Piers' [sic] Saga oder dem Todestor von Weis und Hickman
   machen, wird "Shannara" von Terry Brooks versoftet. Seine Fantasy-
   Bestseller erscheinen ja in den USA bei Random House, und da dieser
   weltgroesste Buchverlag an meiner Company beteiligt ist, kann der
   Nachschub an guten Romanvorlagen als gesichert gelten. "Wheel of
   Time" von Robert Jordon ist z.B. fuer eine Versoftung ebenso im
   Gespraech wie Spider Robinsons "Callahan's Crosstime Saloon".

?:  Bei soviel Auswahl stellt sich die Frage nach den Kriterien...

BB: Wichtig sind eine packende Story und interessante Charaktere, wobei
   ich bei "Shannara" auch voll auf die Designer vertraue - immerhin
   haben Corey und Lori Cole ja fuer Sierra schon die sehr erfolgreiche
   "Quest for Glory"-Serie entwickelt.

?:  Uns ist zu Ohren gekommen, dass die beiden von Sierra gefeuert
   wurden, weil sie sich etwas zu sehr mit den Figuren von "Quest for
   Glory IV" identifizierten und unter hygienisch untragbaren
   Bedingungen im Wald hausten - das kann doch nur ein wildes Geruecht
   sein, oder?!

BB: Keine Ahnung, wie reinlich die Leute sind; sie leben ja in
   Kalifornien und damit am anderen Ende des Kontinents. Auf jeden Fall
   gehen sie mit viel Liebe zum Detail ans Gamedesign heran, und was
   sie bisher geliefert haben, gefaellt mir sehr.

?:  Den Kaeufern hat von jeher die Benutzeroberflaeche der Legend-
   Adventures gefallen, wie sie zuletzt auch noch bei "Death Gate"
   verwendet wurde. Habt ihr dieses System weiter verbessert, oder
   erwartet uns da etwas voellig Neues?

BB: Grundsaetzlich bleiben wir bei der durchdachten Maussteuerung nebst
   SVGA-Grafik und Sprachausgabe, auch wenn natuerlich immer weiter am
   Spielkomfort gefeilt wird. So sollen demnaechst fuer den deutschen
   Markt perfekt uebersetzte Versionen erscheinen, wobei wir gerade
   hier wissen, was wir unserem guten Ruf schuldig sind - wer aus der
   Tradition von Parser-Adventures kommt, wird sich auch in anderen
   Sprachen nur mit korrekten Satzstrukturen zufriedengeben!

?:  Nicht zuletzt unser Schlussredakteur wird sich freuen, das zu hoeren.
   Und nahezu jeder Abenteurer in der Redaktion wuerde sich ueber ein
   neues, von Bob Bates persoenlich geschriebenes Spiel freuen,
   schliesslich waren "Eric the Unready" oder auch "Timequest" ja
   wirklich feine Programme. Darf man also hoffen, dass der legendaere
   Praesident auch mal wieder selbst in die Tasten greift?

BB: Ja und nein. Fuer "The Great Game", ein kommendes Spionage-Adventure,
   das unter Mitarbeit des ehemaligen CIA-Direktors William Colby
   entsteht, habe ich zumindest das Konzept entwickelt.

?:  Wird dieses Spiel nicht bei Activision veroeffentlicht? Und war nicht
   auf der letzten ECTS [European Computer Trade Show, London] zu
   erfahren, dass wegen eines Giftgas-Szenarios, das fatal an den
   Anschlag von Tokio erinnert, Aenderungen im Design erforderlich
   sind?

BB: All das ist richtig, weshalb ich zu dem Thema aber auch nichts
   Genaueres sagen kann. Das Game wird von Activision in Eigenregie
   betreut, es mag also durchaus sein, dass einige Konzepte aus dem
   Anfangsstadium bereits wieder verworfen sind. Persoenlich kuemmere
   ich mich derzeit auch mehr um ein Programm im Auftrag der
   Regierung...

?:  Ein Trainings-Adventure fuer Agenten? Neue Planspiele fuer den
   Pentagon-Rechner?

BB: Nein, eine Nummer kleiner. Ich soll ein Game entwickeln, mit dem die
   Regierungsangestellten alle Paragraphen gegen Bestechung spielend
   lernen. Wer weiss z.B. schon, dass man die offiziellen Bonusmeilen
   fuer Vielflieger nicht privat verbrauchen darf?

?:  Na, das koennte man sich zumindest denken. Trotzdem ist die Idee von
   Edutainment fuer Beamte vielversprechend, vielleicht setzt sich so
   was auch mal hierzulande durch. Wird man das Programm denn auch
   regulaer im Laden kaufen koennen?

BB: Keinesfalls, an dieser Art von Publicity ist unserer Regierung gar
   nicht gelegen - noch nicht einmal Fotos duerfen veroeffentlicht
   werden!

?:  Das war zu befuerchten. Kommen wir daher zu weniger geheimen Dingen,
   wie etwa zu deinem Ex-Kollegen von Infocom. Was treibt denn Steve
   Meretzky so?

BB: Na, mit Steve telefoniere ich tatsaechlich noch sehr oft...

?:  Vielleicht wegen "Spellcasting 401"? Oder sollte die Zauberlehre
   bereits mit der Klasse 301 beendet sein?

BB: Ehe wir da ueber die Zukunft nachdenken, muss erst mal die
   Vergangenheit voll bewaeltigt sein. So ist doch eben erst die
   CD-Version seines "Superhero League of Hoboken" erschienen, fuer das
   wir das Cover der Floppy-Fassung neu gestalten mussten. Es war
   einfach zu euro-avantgardistisch; in den USA konnte sich keiner so
   recht vorstellen, was fuer ein Spiel das sein soll - beim simpleren
   Motiv der CD duerfte das hingegen auf Anhieb klar werden.

?:  Also, uns gefiel das urspruengliche Artwork ganz ausgezeichnet; wir
   haben es letzten September sogar zum Cover- und Postermotiv des
   Magazins gekuert.

BB: Wirklich? Toll! Schickt es mir doch bitte, denn wenn eines unserer
   Spiele auf dem Titel eines grossen Magazins war, haengen wir dieses
   Cover gerahmt in unsere Bueros.

?:  Kein Problem, solange du uns weiter ueber Ex-Infocomler aufklaerst.
   Hast du z.B. noch Kontakt mit Mike Berlyn und Mark Blank, die ja
   erst vor kurzem "Live Action Football" fuer Accolade entwickelt
   haben?

BB: Eher wenig, zumal ich nicht verstehen kann, wie publizierte
   SF-Autoren ihr Talent an blosse Multimedia-Software vergeuden
   koennen. Aber das ist wohl leider die Zukunft, oder? Jedenfalls
   arbeitet Dave Lebling fuer eine Video Processing-Firma, und Brian
   Moriarty ist den Bildschirm-Abenteuern ebenfalls untreu geworden -
   nach "Loom" von Lucas Arts werkelte er an dem Weltraumfrachter
   "Loadstar" fuer Rocket Science. Dabei waren "Trinity" und
   "Wishbringer" doch so wundervolle Spiele...

?:  Tja, dann eben zurueck zu dir. Wie verbringst du deine Freizeit,
   spielst du selbst noch die Werke anderer? Und was sind ueberhaupt
   deine persoenlichen Lieblingsadventures?

BB: Fuer mich sind die alten Infocom-Textwuesten immer noch das Groesste,
   wenn es mit Grafik sein soll, halte ich Ron Gilberts "Monkey Island"
   fuer nach wie vor unerreicht. Im Grunde kann ich es mir heute aber
   kaum noch leisten, mich in ein Spiel wirklich zu vertiefen, da man
   mich dann tagelang nicht mehr vom Rechner trennen kann. Oft genuegt
   schon ein Schachprogramm, um mich fuenf Naechte am Stueck
   wachzuhalten!

?:  Willkommen im Club der Suechtigen! Wie sehen deine
   "Ersatzbefriedigungen" aus?

BB: Nun, ich lese sehr viel; das Spektrum reicht von Geschichte ueber
   Philosophie und grosse Literatur bis hin zu Science-fiction [sic]
   und Fantasy. Und weil ich wegen meines schlechten Gedaechtnisses nie
   ein Buch wegwerfe, gibt's immer wieder Zoff mit meiner Frau - die
   uebrigens als Marketingdirektorin bei Legend arbeitet. Ansonsten
   singe ich noch zusammen mit drei Freunden in einem "Barber Shop
   Quartett" A-cappella-Nummern im Folkstil der Jahrhundertwende. Auch
   in Sachen Film bevorzuge ich Musikalisches, etwa alte Streifen mit
   Fred Astaire und Ginger Rogers oder solche mit den Marx Brothers.
   Auf dem Plattenspieler dreht sich haeufig eine Scheibe von Paul
   Simon, und wenn es mal Sport sein soll, dann spiele ich eben mit
   meinem fuenfjaehrigen Sohn Frisbee.

?:  Dafuer wuenschen wir dir auch zukuenftig viel Zeit, obwohl uns viele
   neue Legend-Highlights ehrlich gesagt lieber waeren. Auf alle Faelle
   bedanken wir uns herzlich fuer das nette Gespraech!