Zermatt Inside - April 2021                                    Seite 4/5


                            Lawinengefahr!


Lawinengefahrensituationen erfordern ein gutes Zusammenspiel von
verschiedenen Organisationen. Zermatt ist in der gluecklichen Lage, auf
erprobte Strukturen zurueckgreifen zu koennen. Auch neuzeitliche Mittel
wie beispielsweise die im Kanton Wallis vorgeschriebene
Notfallinterventionsplanung (NIPL) kommen dabei zur Anwendung.


Wenn das Lawinenbulletin nichts Gutes verheisst

  Zermatt kann auf die Gefahreneinschaetzung von drei erfahrenen
  Naturgefahrenbeobachtern zurueckgreifen, deren Aufgabe im Winter die
  taegliche Einschaetzung der Lawinengefahr ist. Diese Einschaetzung
  wird den Verantwortlichen der Einwohnergemeinde, der Matterhorn
  Gotthard Bahn und dem Strassenmeister der Kantonsstrasse mitgeteilt.
  Bereits bei einer sich anbahnenden grossen Lawinengefahr tauschen
  sich die Verantwortlichen und die Naturgefahrenbeobachter
  regelmaessig aus. So koennen schon fruehzeitig Massnahmen, wie
  vorsorgliche Sperrungen von Wanderwegen oder Strassen, eingeleitet
  werden. Auch in der Lawinensituation von Ende Januar 2021 wurden
  fruehzeitig Massnahmen ergriffen, um am Morgen des ersten Tages
  abgelegene, schwer zugaengliche oder besonders gefaehrdete
  Winterwanderwege zu sperren.

Lawinengefahr - ein meist wachsendes Ereignis

  Im Gegensatz zu vielen anderen Naturereignissen stellt die
  Lawinengefahr ein wachsendes Ereignis dar. Daraus resultieren auch
  immer wieder Ueberraschungen. So auch Ende Januar 2021. Der
  Schneefall setzte viel frueher als prognostiziert ein und der
  gefallene Schnee war ungewoehnlich leicht. Aufgrund des bereits
  bekannten schwachen Aufbaus der Altschneeschicht konnte von allem
  Anfang an von einer zunehmenden Lawinengefahr im Verlaufe der
  kommenden 48 Stunden ausgegangen werden. Der starke und heftige
  Schneefall fuehrte dazu, dass die Kantonsstrasse schon sehr frueh
  zwischen Zermatt und Taesch geschlossen werden musste. Zudem bahnte
  sich eine Gefaehrdung der exponierten Winterwanderwege an. Die
  Lawinengefahr nahm im Verlauf des Tages ungewoehnlich rasch zu.

  Das Vorgehen in einer solchen Situation wird in der NIPL der
  Einwohnergemeinde in der Phase I eines Lawinenereignisses genau
  vorgegeben. In einer der ersten Handlungen wird der Stabschef des
  Gemeindefuehrungsstabes (GFS) ueber die Lawinensituation und ueber
  die getroffenen Massnahmen in einem Kurzrapport informiert.

Wenn aus einem Standardfall ein groesseres Ereignis wird

  Am Nachmittag vom Mittwoch, 27. Januar 2021, gingen erste kleinere
  und mittlere Lawinen nieder. Aufgrund des ungewoehnlich leichten
  Schnees entwickelten diese Niedergaenge eine sehr grosse Druckwelle.
  Dies fuehrte dazu, dass exponierte Quartierstrassen (Spiss- und
  Furistrasse) in den Gefahrenbereichen teilweise sehr kurzfristig und
  sehr schnell gesperrt werden mussten. Die Sperrung der Spissstrasse
  bildet zugleich den Uebergang von einem alltaeglichen Ereignis zu
  einem ausserordentlichen Ereignis (Phase II der NIPL). Somit geht die
  Einsatzleitung vom bisherigen Leiter an den Stabschef des GFS ueber.

Von der Aussenwelt abgeschnitten

  In der Nacht vom Mittwoch, 27. Januar, auf Donnerstag 28. Januar,
  gingen mehrere Lawinen an teilweise aussergewoehnlichen Orten nieder.
  So wurde die Bahnstrecke Taesch - Zermatt in den "Schilten"
  verschuettet. Die Verschuettung der Gleise war nicht
  aussergewoehnlich stark, dennoch kann bei Lawinengefahr nicht
  ungeachtet dessen sofort geraeumt werden. Die sichere Raeumung
  braucht ihre Zeit.

  Aufgrund der Schlechtwettersituation und in Absprache mit allen
  Leistungspartnern wurde auf den Aufbau einer Luftverbindung nach
  Taesch verzichtet. Es zeichnete sich im Verlauf des Ereignisses auch
  kein dringlicher Bedarf ab.

Einzelhangbeurteilung

  Die Gefaehrdung von Gebaeuden und Strassen wird nicht nur nach dem
  Lawinenbulletin beurteilt, sondern ist auch von einem Lawinenhang zum
  anderen unterschiedlich. Bestes Beispiel dafuer ist die Spissstrasse.
  Waehrenddem am Mittwoch noch der ganze Abschnitt zwischen der
  Verzweigung Untere Mattenstrasse und Einstellhalle Riffel gesperrt
  werden musste, konnte aufgrund von Lawinenabgaengen im Schafgraben
  der untere Abschnitt Garage Central bis Einstellhalle Riffel nach
  einer Neubeurteilung wieder geoeffnet werden. Der obere Teil musste
  zum Unmut der Anwohner und Gewerbebetriebe gesperrt bleiben.

  Im Verlauf des Donnerstagabends zeichnete sich die Notwendigkeit
  einer weiteren, unangenehmen Massnahme ab. Den Bewohnern in den roten
  Lawinengefahrenzonen wurde "Hausaufenthalt" angeordnet. Dies ist die
  sanfteste aller Schutzmassnahmen gegenueber der Wohnbevoelkerung in
  gefaehrdeten Gebaeuden. Diese Massnahmen wurden aufgrund der
  Einzelhangbeurteilung durch den Naturgefahrenbeobachter und den GFS
  beschlossen. Aus diesem getroffenen Entschluss wurde die Feuerwehr in
  Zusammenarbeit mit der Regionalpolizei mit der Umsetzung beauftragt.

Gesperrt ist gesperrt und gilt fuer alle

  Die Uebertretung einer Absperrung hat sich in den letzten Jahren
  geradezu zu einem Volkssport entwickelt. So wurde durch die
  Regionalpolizei mehrmals festgestellt, dass sich Personen auf der
  gesperrten Kantonsstrasse zwischen Taesch und Zermatt befanden. Zu
  Fuss, mit Touren- oder auch normalen Skiern wurden die frischen
  Lawinenkegel ueberquert. Auch bei der gesperrten Spissstrasse wurden
  mehrfach die Absperrungen uebergangen und Leib und Leben riskiert.
  Ungeachtet dessen, dass bei einer Personenverschuettung die
  Einsatzkraefte ihr eigenes Leben fuer eine wahrscheinliche Bergung
  riskieren muessen.

  In einigen Faellen konnten solche "Tourengaenger" durch die Polizei
  mit Bussenfolge dingfest gemacht werden. Die Kosten dieses Einsatzes
  wurden den Verursachern in Rechnung gestellt.

Der lange Weg zur "Normalitaet"

  Die Lage entspannte sich. Nach Abklingen der Schneefaelle und der
  Neubeurteilung der Gefahrenhaenge konnten die angeordneten Massnahmen
  - in umgekehrter Reihenfolge - ab Donnerstagnachmittag langsam wieder
  zurueckgefahren werden. Besonders eindrucksvoll war die aeusserst
  zuegige und professionelle Raeumung der Strasse Taesch - Zermatt
  unter Beizug eines Pistenbullys der Zermatt Bergbahnen AG und grosser
  Baumaschinen der oertlichen Bauunternehmungen.


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https://inside.zermatt.ch/2021/2/01.pdf