Project Gutenberg's Die unheilbringende Krone, by Ferdinand Raimund
#7 in our series by Ferdinand Raimund

Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the
copyright laws for your country before downloading or redistributing
this or any other Project Gutenberg eBook.

This header should be the first thing seen when viewing this Project
Gutenberg file.  Please do not remove it.  Do not change or edit the
header without written permission.

Please read the "legal small print," and other information about the
eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file.  Included is
important information about your specific rights and restrictions in
how the file may be used.  You can also find out about how to make a
donation to Project Gutenberg, and how to get involved.


**Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts**

**eBooks Readable By Both Humans and By Computers, Since 1971**

*****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!*****


Title: Die unheilbringende Krone
      (oder Koenig ohne Reich, Held ohne Mut, Schoenheit ohne Jugend)

Author: Ferdinand Raimund

Release Date: April, 2005 [EBook #7860]
[Yes, we are more than one year ahead of schedule]
[This file was first posted on May 26, 2003]

Edition: 10

Language: German

Character set encoding: ASCII

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE UNHEILBRINGENDE KRONE ***




Produced by Delphine Lettau and Mike Pullen




This Etext is in German.

We are releasing two versions of this Etext, one in 7-bit format,
known as Plain Vanilla ASCII, which can be sent via plain email--
and one in 8-bit format, which includes higher order characters--
which requires a binary transfer, or sent as email attachment and
may require more specialized programs to display the accents.
This is the 7-bit version.

This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE.
That project is reachable at the web site http://gutenberg.spiegel.de/.

Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE"
zur Verfuegung gestellt.  Das Projekt ist unter der Internet-Adresse
http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar.




Die unheilbringende Krone
oder
Koenig ohne Reich, Held ohne Mut, Schoenheit ohne Jugend

Ferdinand Raimund

Original-tragisch-komisches Zauberspiel in zwei Aufzuegen



Personen
Lucina, Schutzgoettin von Agrigent.
Hades, Fuerst der Unterwelt.
Thanatos, Genius des ewigen Schlafes.
Lulu und Fanfu, Genien.
Tisiphone, Megaera und Alecto, Furien.
Kreon, Koenig von Agrigent.
Phalarius, Feldherr.
Antrogaeus, Unterfeldherr.
Androkles und Clitonius, Hauptleute des Phalarius.
Octavian, ein Landmann.
Ein Jaeger von des Phalarius Gefolge.
Simplizius Zitternadel, ein armer Dorfschneider.
Ewald, ein Dichter.
Riegelsam, ein Weinhaendler.
Heraklius, Fuerst von Massana.
Hermodius, sein erster Minister.
Thestius, ein edler Massanier.
Arete, seine Nichte.
Adrasto, erster Diener des Tempels.
Epaminondas, Hypomedon, Argos und Sillius, Massanier.
Eine Frau von Massana.
Ein Diener des Thestius.
Dardonius, Fuerst von Kallidalos.
Olimar, Astrachan, Abukar und Nimelot, Bewohner von Kallidalos.
 Aloe.
Atritia, ihre Nichte.
Erster, Zweiter und Dritter Geist des Orkus.

Genien.  Geister.  Erscheinungen.  Edle und Krieger
von Agrigent.  Jagdgefolge.  Volk von Massana.
Krieger.  Hoeflinge und Volk von Kallidalos.
Priesterinnen im Venustempel.



Erster Aufzug.

Erste Szene.
(Finsterer Wald.)

Im Hintergrunde links ein gigantischer Fels, mit einer durch ein
ehernes Tor geschlossenen Hoehle.  Neben der Pforte stehen mit Fackel
und Dolch bewaffnet die zwei Eumeniden Tisiphone und Alecto, aus
Stein gehauen.  Megaera, die dritte, ist ueber derselben in sitzender
Stellung angebracht.  Die Pforte ist symbolisch verziert, neben ihr
ein steinerner Opferaltar.  In der Tiefe der Buehne ein See, von
rauhen mit Baeumen bewachsenen Felsen umschlossen.  Im Vordergrund
rechts ein Gebuesche.  Donner murmelt durch den in weiter Ferne
erschallenden


Jubelchor.
Wie des Adlers Kraftgefieder
Seinen Leib zur Sonne traegt,
Fliegen aufwaerts unsre Lieder,
Durch der Freude Schwung bewegt.
Gluecklich, wie in Himmelszonen,
Von der Erde Leid getrennt,
Stolz die ew'gen Goetter thronen,
Herrsch' Kreon in Agrigent.


Phalarius (tritt mit wild zurueckschauenden Blicken hastig ein, er
traegt ein Pantherfell ueber dem Ruecken und ist mit Bogen und Pfeil
bewaffnet).
Bin ich denn noch nicht weit genug gezogen,
Verraeterische Stadt, die mich betrogen?
Wird auch des Waldes duestre Einsamkeit
Durch deines Jubels frechen Schall entweiht?

(Die letzten Worte des Jubelchores erklingen wieder:
"Herrsch' Kreon in Agrigent."

Herrsch' nur Kreon, Volk, jauchz' die Kehle wund,
Ihr zwingt das Glueck zu keinem ew'gen Bund.
Prahlt, Luegner, mit der Kron', die ich erkaempft,
Da nur mein Mut des Krieges Glut gedaempft.
Mich lasst aus Undank meinen Purpur weben,
Ihn faerben mit dem ausgestroemten Leben.
Das ich vergeudet am ersiegten Strand,
Den Lorbeer brechend mit der blut'gen Hand.
Glaubt ihr, ich hab' fuer Agrigent gestritten,
Damit der Rat, nach ungerechten Sitten,
Das Reich verkauft an den unmuend'gen Knaben,
Auf das nur ich ein wahrhaft Recht kann haben?
Denn ist er auch dem Thron verwandt durch Blut,
Bin ich es wuerd'ger noch durch Heldenmut.
Ich glaub' nicht, was des Tempels Diener sagten,
Als schlau sie Jupiters Orakel fragten,
Ob mir, ob wohl Kreon das Reich gehoert;
Es hab' der Gott sich donnernd drob' empoert,
Dass ich's gewagt, als meiner Siege Lohn,
Zu fordern Agrigentens goldnen Thron,
Und ausgesprochen unter ew'gen Blitzen;
"Ich duerfe nie ein Reich der Welt besitzen,
Und Agrigent kann dann nur Glueck erringen,
Wird auf dem Thron Kreon das Zepter schwingen."
So logen sie, als ich zurueckgekehrt,
Aus blut'ger Schlacht zum heisserkaempften Herd,
So logen sie, von aller Scham entwoehnt,
Als Siegesdank fand ich Kreon gekroent.
Da aussen ich des Landes Feind bekriegt,
Hat eigner mich im Innern hier besiegt.
Drum will ich fliehn aus dir, verhasstes Land,
Doch nimm den Schwur als draeuend Unterpfand,
Dass ich noch einmal zu dir wiederkehre,
Zu raechen die durch Trug geraubte Ehre.

(Will ab und erblickt entsetzt der Rachefurien Hoehle.)

Ha, welch ein Pfad hat mich zu euch geleitet,
Blutlose Schwestern, die ihr stets bereitet,
Als der Vergeltung grauenvolle Buergen,
Gewalt'ge Suender dieser Welt zu wuergen.
Euch fordr' ich auf, an euch will ich mich wenden,
Sprengt auf das Tor mit den entfleischten Haenden,
Reicht mir ein Schwert, mich an der Welt zu raechen,
Die mich verhoehnt, und ihren Bau zu brechen.

(Fuerchterlicher Donnerschlag, der verrollt; die Pforte droehnt und
erzittert, dann leuchten schwache Blitze auf das Gebuesche rechts,
das sich in der Mitte auseinanderteilt.  Man erblickt darin Hades,
in Lumpen gehuellt, mit bleichem Antlitz auf einem Steine sitzen, er
hat einen Sack ueber dem Ruecken haengen.)



Zweite Szene.
Phalarius und Hades.
(Hades grinst Phalarius an, der ihn mit Entsetzen betrachtet.)


Phalarius.  Welch ekliche Gestalt, wer bist du?

Hades (mit etwas hohler Stimme, lauernd und gezogen).  Ich?

Phalarius.  Bist du der Rachefurien eine?  (Starr.) Sprich!

Hades (langsam aufstehend, er geht gebeugt und spricht langsam im
hohlen Tone).
Bin keine von den Rachefurien,
Kann selbst kaum mehr auf morschen Knochen stehn;
Bin nicht Tisiphone, Megaer', Alecto,
Nein, nein, ich bin,--vergib,--mich schauert so.

Phalarius.  Du kannst nicht ganz der Erde angehoeren,
Du koenntest sonst den schoenen Glauben stoeren,
Dass nach dem hohen Goetterbild des Zeus
Der Mensch geformet sei durch Prometheus.

Hades.  Nicht ganz ist mehr die Erd' mein Vaterland,
Tief unten ruft es mich am styg'schen Strand;
Harpyen, die wie Nachtigallen klagen,
Verkuenden, dass die Furien um mich fragen.

Phalarius.  Hast du so boes gehaust in dieser Welt,
Dass dir im Enden jeder Trost nun fehlt?
Bist du so arm, dass dich Verzweiflung fasst,
Und hast wohl einst im Uebermut geprasst?

Hades.  So ist es, du hast furchtbar wahr gesprochen,
Doch jetzt ist meines Glueckes Stab gebrochen;
Viel hab' ich einst auf dieser Erd' besessen,
Geliebt ward ich, ich werd' es nie vergessen,
Doch jetzt bin ich gehasst, bin unbeweibt,
   (Weinend.)
So arm, dass mir nichts mehr, als eine Krone bleibt.

Phalarius (nach einer Pause des Erstaunens).
Was sprichst du, eine Kron'?  Wahnwitzig Tier!

Hades.  Willst du sie sehn?  ich trage sie mit mir.
(Mit staerkerer Stimme.)
Ich schenk' sie dir, willst du's mit ihr versuchen,
Ich hoerte dich vorher um eine Krone fluchen,
Doch traegst du sie, legst du sie nimmer ab,
Sie bleibt dem Haupte treu bis an das Grab.

Phalarius.  Was nuetzt die Krone mich, nenn' mir ihr Reich.

Hades (stark).  Die Welt!--Hast du genug?--Was wirst du bleich?

Phalarius.  Soll ich's nicht werden?  Mich befaellt ein Grauen,
Wer kann in solchen Riesenhimmel schauen,
Die Erd', so weit sie reicht, unendlich Bild,
Hat nie die Neugier eines Augs gestillt.
Entflieh, verlass mich, truegerischer Geist,
Der Hoelle gibt, da er zum Himmel weist.
Zeig' her die Kron', wenn du mich nicht geneckt.

Hades.  In meinem Bettelsack ist sie versteckt;
Dem Drachen gleich, der in der Hoehle kauert,
Auf fette Beut' mit gift'gem Zahne lauert.

Phalarius.  Ein Diadem in eines Bettlers Tasche?

Hades.  In schlichter Urn' ruht koenigliche Asche.
   (Mit erhobener Stimme.)
Durch diese Kron', ruht sie auf einem Haupt,
Wird dem, der sie erblickt, des Mutes Kraft geraubt.
Ja, ihr Besitzer darf nur leise winken,
Wer sich ihm naht, muss huld'gend niedersinken.
Es wird der Baum, mit ueppig gruenen Zweigen,
Sein duftend Haupt vor dieser Krone neigen;
Des Waldes Tiere werden bang' erzittern
Und heulend sie in weiter Ferne wittern.
Was er befiehlt, muss streng' vollzogen werden,
Und keiner lebt, der sie entwenden kann auf Erden.
Selbst wenn er schlaeft, die sorgsam stille Nacht,
Geschlossnen Aug's, ihr Eigentum bewacht.
Kein Speer, kein Dolch, kein Pfeil kann ihn erreichen,
Der Krone Macht wird nur dem Mondlicht weichen;
Solang sie dies bestrahlt, ist er verloren,
Und jedes Feindes Schwert kann ihn durchbohren.
Solch Glueck bringt dieser Reif und solches Bangen;
Nun sprich, traegt deine Herrschsucht noch nach ihm Verlangen?

Phalarius.  Den Sturm versoehn' durch eines Schiffes Wrack,
Golkondens Schatz verbirg im Bettelsack,
Dem Pfeil befiehl, er soll den Rueckweg nehmen,
Des Aetna Glut verhindre auszustroemen,
Nur mich bered' nicht, von der Kron' zu lassen,
Gib sie heraus, sie muss das Haupt umfassen.
   (Legt den Helm ab.)

Hades.  Wohlan, schau' nicht zum Himmel, blick' zur Erde,
Sie fleht dich an mit jammernder Gebaerde;
   (Er nimmt die goldene Krone aus dem Sacke, aus dem Feuer stroemt,
    ferner Donner.)
Doch hoer' ihr Wimmern nicht, reich' mir die Stirn',
Bleib stark, bewahr' vor Wahnsinn dein Gehirn.

(Er setzt ihm die Krone auf, fuerchterlicher Donnerschlag, kurze
Musik.  Die Buehne wird lichter.  Die Erde zittert, die Baeume beugen
ihre Zweige, sodass sie eine gruene Kuppel ueber Phalarius Haupt
bilden und sich im See spiegeln.)

Hades.  So, so, der Wald bebt vor dem Koenigshaus,
Es huld'gen dir die Staemme reichbelaubt.

Phalarius.  Ist's Wirklichkeit?  Welch unnennbar Entzuecken!

Hades (beiseite).
Sie wird die Stirn noch heiss genug dir druecken.

Phalarius.  Ha!  Nun ist mein der hoechste Schatz hienieden.
Sprich, Wurm, was kann zum Lohn ich dafuer bieten?

Hades.  Brauch' nichts dafuer, trag sie nur gluecklich fort,
Wir treffen uns schon am Vergeltungsort,
Wenn weit geoeffnet deines Wahnes Grab,
Und du einst sprichst, wie ich gesprochen hab';
   (Weinend.)
Ich bin so arm, mir bleibt nichts als die Krone,
   (grimmig.)
Den Augenblick allein bewahr' ich mir zum Lohne.

(Schleicht ab, den Sack ueber dem Ruecken.)



Dritte Szene.


Phalarius (allein).
Geh, Luegengeist, nie werde ich so sprechen,
So denken nur waer' an dem Glueck Verbrechen.
Nun fort, Phalarius, aus diesem Wald,
Damit dein Ruhm Sizilien durchschallt.
Doch kann ich baun auf dieser Krone Macht?--
Holla, wer schreitet durch des Waldes Nacht?



Vierte Szene.

Voriger.  Antrogaeus mit koeniglichen Soldaten, welche mit Lanzen
bewaffnet sind.

Antrogaeus (von innen).  's ist Antrogaeus und des Koenigs Wache.

Phalarius.  Willkommen, Speere, dienet meiner Rache.
Du, Antrogaeus, sollst der erste sein,
Den ich dem langverhaltnen Hass will weihn.

(Alles eilt auf Phalarius zu.)

Chor.
Du sollst nach Hofe kehrn, Phalar',
Der Koenig will's--
(Die Krone erblickend und erschrocken zurueckweichend.)
                              Ha, welch ein Stern,
Den ich auf deiner Stirn' gewahr'?
Er haelt mich drohend von dir fern.
Wie kann sein Anblick doch erschuettern,
Mich reisst's zur Erd' mit bangem Zittern,
Die Angst erpresst den Ausruf mir;
Sei gnaedig, Fuerst,--ich huld'ge dir!

(Alle sinken bebend auf die Knie.)

Phalarius (wild lachend).
Ha, ha, was laesst mir wohl Kreon befehlen?

Antrogaeus.  Blick' mild auf uns, dein Auge kann entseelen.
Es sendete Kreon nach dir uns aus,
   (Spricht mit beklemmter Brust.)
Dich heimzuleiten nach dem Fuerstenhaus,
Wo sich die Freude waelzt, Bachanten winken,
Dort sollst du reuig an die Brust ihm sinken
Und Abschied deinem duestern Grolle geben,
Dafuer wird er zu neuer Wuerd' dich heben.

Phalarius.  Verflucht sei der, der mir von Reue spricht!
   (Zieht sein Schwert und verwundet ihn.)
Bereue du, wenn dir das Auge bricht!
   (Antrogaeus wird in das Gebuesch gefuehrt.)
Verwahrt die Brust, mein durst'ger Stahl will trinken,
Er wird noch oft in Purpurscheide sinken.
Nun rafft euch auf und horcht auf mein Befehlen.
Ich will der Stadt ein Maerlein dort erzaehlen;
Von einem Siegesfest, wo die Maenaden wueten,
Der Sieger nur allein muss drauss' im Walde brueten.
Von maechtig strahlender Kron', die ihm der Orkus schenkt,
Von wuet'gem Rachgefuehl, das seine Waffe lenkt,
Von gueldenem Palast am diamantnen See,
Wo Freudentaumel herrscht, nicht ahnend baldiges Weh.
Vom Brand, der ihn ergreift, vom grausen Angstgeschrei,
Von Kreons letzter Stund', verzweiflungsvoller Reu'.
Von Feinden waffenlos, die froh im Tanze schweifen,
Von Kriegern roh und wild, die sie wie Schergen greifen.
Vom gluehenden Balkon, von dem man auf mein Winken
Sie wild frohlockend stuerzt, dass sie im See ertrinken;
Dies Maerchen wollen wir der Stadt zum besten geben,
Und wenn sie drob' erbleicht, soll Frohsinn uns beleben.
Dann wird auf des Palastes schwarz gebrannten Truemmern
Der glaenzende Pokal wie Sonnenaufgang schimmern,
Und unsre Fabel geb' zum Schluss der Welt die Lehre;
Dass unbewachtes Glueck nicht lang auf Erden waehre.
   (Fuer sich gemaessigter.)
Ich will das meine wahrn, mich sehe keiner fallen,
Und muesst' es auch geschehn, mein Ruhm kann nie verhallen.
Ich ringe mit der Zeit, es muss nach tausend Jahren
Die Sage von der Kron' die Nachwelt noch erfahren.

(Alle ab, die Baeume biegen sich abwaerts.)



Fuenfte Szene.


Lucina (schwebt schnell auf Rosenschleiern, die auf weissen Wolken
ruhn, auf die Erde nieder, Angst befluegelt ihre Worte).
Was hoert' ich fuer Flueche im Hain hier ertoenen?
Es beben die Luefte, die Felsen erdroehnen,
Hin brauset der Frevler durch waldige Nacht,
Zu liefern die graessliche Hoellenschlacht.
So musste auf Erden ein Boesewicht reifen,
Der's wagt, nach der schrecklichen Krone zu greifen.
Agrigent ist verloren, es jammert die Welt,
Wenn ihn nicht die Macht der Erinnyen faellt.
Was soll ich beginnen, ihr blutigen Stunden,
Zu strafen den Frevel, zu heilen die Wunden?
Er muss ja die grausame Tat erst vollstrecken,
Will ich hier die raechenden Furien wecken.
Nur Tod sprengt des Fatums gewaltige Ketten,
Drum muss ich das Leben des Koenigs erretten.
Schon rennt durch die Strassen der gierige Tross,
Es werde die Wolke zum fluechtigen Ross.

(Die Wolke verwandelt sich in ein schwarzes Ross mit goldenem Zaum.
Lucina setzt sich schnell auf selbes.)

Nun, Rappe, nun magst du die Luefte durchschnauben,
Wir wollen den Moerder der Beute berauben.

(Das Ross fliegt pfeilschnell ab.)



Sechste Szene.

Hades (als Fuerst der Unterwelt, schwarz griechisch gekleidet, eine
schwarze Krone auf dem Haupte, eine Fackel in der Hand, die er in
den Opferaltar der Eumeniden steckt)
So, nun lass die Jagd erschallen
Und die Jaeger nicht ermatten,
Dass mir viele Scharen wallen,
Nach dem Reich der dunklen Schatten;
Denn ich hab's beim Styx geschworen,
Zu entvoelkern diese Erd',
Drum hab' ich Phalar' erkoren,
Er ist dieses Auftrags wer.
Bald wird auch Massana fallen,
Wo ich Unglueck hingebannt,
Lustig wird der Orkus hallen,
Wenn versinkt das stolze Land.
Von der kallidalschen Insel,
Wo mein ries'ger Eber haust,
Hoer' ich jammerndes Gewinsel,
Dass das Meer nicht ueberbraust.
Doch schon roetet sich der Himmel,
   (Man sieht Brandroete.)
Rauch wallt auf, die Zinne kracht.
Im Palaste wogt Getuemmel,
Schnell hat er die Tat vollbracht.
   (Es rasselt donnernd die Pforte der Eumenidenhoehle, Blitze
dringen durch die Oeffnungen.)
Halt, die Eumeniden rasseln
Auf von ihrem Raecherthron,
Wie sie donnernd naeher prasseln,
Ihre Dolche zucken schon.
Ha, ihr sollt mir nicht zerstoeren
Meines Witzes Heldentum,
Ihr moegt seine Taten hoeren,
Eure Rache bleibe stumm.
   (Die Fackel ergreifend.)
Durch die Macht, die mir geworden,
Seit Saturn die Welt umfluegelt,
Bleiben diese Schauerpforten
Ihren Furien versiegelt.
   (Er stoesst die Fackel dreimal gegen die Pforte, es zeigen sich
drei Flammensiegel.)
Durch dies Schreckenstor allein
Koennen nach der Erd' sie dringen,
Darum soll's verschlossen sein,
Mit dem Schicksal muss er ringen,
Ist, was ich gewollt, vollbracht,
Send' ich selber ihn der Nacht.

(Musik.
Schreckliches Geprassel und Geheul inner der Pforte, der See wird
hellrot und wogt fuerchterlich.)

Ha, wie sie empoert nun heulen
Und den See hier blutig faerben;
Bleibt gefangen, gift'ge Eulen,
Nur im Mondlicht kann er sterben.
Doch ich seh' Kreon befreit
Mit Lucina niederschweben,
Er war schon dem Tod geweiht,
Sie betruegt mich um sein Leben.
   (Er tritt zurueck.)



Siebente Szene.
Voriger.  Lucina und Kreon auf Wolken niedersinkend.  Kreon beugt
sein Knie vor Lucina.


Lucina.  Du bist gerettet, holder Fuerst, du lebst durch mich,
Des Landes Schutzgeist war's, der niemals von dir wich.

Kreon.  Es dankt mein klopfend Herz, mein Sinn vermag's noch nicht,
Da vor Erstaunen mir Erinnrung fast gebricht.
Wer bringt mein treulos Glueck, ich straf' den Hochverrat,
Den es an mir und meinem Volk begangen hat.
O gleissnerische Zeit, wer sollt' es von dir glauben,
Durch einen Augenblick kannst du uns alles rauben.
Minuten wissen's kaum, dass mich das Elend fand.
War's denn Phalarius, der drohend vor mir stand?
Woher die Schreckenskron', mit der er frech geprahlt?
Und die mit mag'schem Schein den Brand noch ueberstrahlt.
Woher die Meuterei, wer herrschet nun im Land?
Ihr Goetter staerket mich, es wanket mein Verstand,
Vor ihm bin ich gekniet, vor diesem Boesewicht!

Lucina.  Dein Rasen ist umsonst, die Goetter hoeren's nicht,
Siehst du dort den Altar, auf ihn leg' deine Klagen,
Die Nimmerruhenden magst du um Rat befragen.

Kreon.  So hoert mich denn, ihr maecht'gen Eumeniden!
   (Schlaegt an die Tuer, die erdroehnt.)

Hades (tritt hervor).
Vergebens rufst du sie, du stoerst nur ihren Frieden.

Kreon.  Wer spricht hier Worte aus, die Wahnsinn muesst' bereuen?

Lucina (bebt zurueck).
Erkennst du Hades nicht, den selbst die Goetter scheuen?

Kreon (bebt auch zurueck).
Du, Hades, bist's?

Hades.                          Bin's selbst, der dieses Tor bewacht.


Lucina (Zu Kreon leise).
Er hat dich um dein Reich und um dein Volk gebracht.

Kreon.  Sind die Erinnyen taub, dass sie sich noch nicht zeigen?

Hades.  Erkennt die Siegel hier, der Orkus heisst sie schweigen.

Lucina (jammernd zu Kreon).
O armer Fuerst, Unmoeglichkeit heisst dein Gebiet,
Aus dem die Hoffnung selbst mit banger Furcht entflieht.
   (Zu Hades.)
Ja, du verdienst, dass Goetter dich und Menschen hassen,
Die Glut des ew'gen Pfuhls muss neben dir erblassen.
Doch jener blut'ge See bleib Zeuge deiner Wut!
Lucinas Goettermacht bewahret seine Glut,
Bis sich einst Jovis Bild in seinen Wellen spiegelt.
Und sein allmaecht'ger Blitz die Pforte dort entriegelt.

Hades (mit Hohn).
O Goettin, hold und schoen, wie magst du doch so wueten,
Sieh deine Wundertat treibt neue Todesblueten,
Mich schreckt nicht Zeus, drum sei dein See verflucht.
Und wer durch seine Flut den Durst zu stillen sucht,
Der wird von dieser Stund' die Menschenbrut verachten,
Und einem Tiger gleich nach ihrem Leben trachten;
Doch nur so lang, bis er so vieles Blut vergiesst,
Als aus dem Wundersee sein durst'ger Mund geniesst.

Lucina.  Halt ein, das geht zu weit, du naechtlich Ungeheuer,
Ist dir denn nichts auf dieser schoenen Erde teuer?
Greif an den Himmel hin und raub' ihm seine Sterne,
Die Goetter selbst verjag' nach lichtberaubter Ferne,
Vernicht' auch mich, versuch's, raub' mir Unsterblichkeit,
Beginn den Kampf, fall aus, ich bin dazu bereit.
   (Sie stellt sich ihm mit majestaetischer Miene gegenueber.)

Kreon.  Was klagst du, Erde, noch, ist doch vom boesen Streit
Der weite Orkus nicht, nicht der Olymp befreit.

Hades (kalt und gleichgueltig).
Du nennst unsterblich dich, durch Schmaehung kannst du's sein.
Ich lasse mich mit dir in keinen Zweikampf ein.
Du bist ein Goetterweib, mehr braucht's nicht zu erwidern,
   (Mit vornehmer Nichtachtung.)
Das heisst, du bist ein Weib und kannst mich nicht erniedern.

Lucina (mit hoechster Wuerde).
Ich bin's, und weil ich's bin, bebt stolzer mir die Brust;
Ich bin ein Weib!  des kraeft'gen Erdballs hoechste Lust!
Ein Weib!  Um das der Brand von Troja hat geleuchtet.
Ein Weib!  Um das des Donnrers Aug' sich mild befeuchtet;
Ein Weib!  Vor dem sich tief ganz Persien gebeugt;
Ein Weib!  Das einst ein Gott aus seinem Haupt gezeugt;
Ein Weib!  Das durch die Welt der Liebe Zepter schwingt,
Der Lieb', die auch zu deinem Felsenherzen dringt.
Ein Weib!  Das deinen Arm durch einen Kuss kann laehmen;
Das heisst: du bist ein Mann und kannst mich nicht beschaemen.

Hades.  In schoenen Worten kannst du leicht den Preis gewinnen,
Doch nur durch Mannesgeist gelingt ein gross Beginnen.

Lucina.  Wohlan, so lass uns nicht durch Elemente streiten,
Durch Flammen, Wogen, Sturm Verderben uns bereiten,
Gebrauchen wir des Witzes fein geschliffne Klinge,
Vielleicht gelingt mir's doch, dass ich den Sieg erringe.

Hades.  Was quaelt dich doch die Lust, den Orkus zu bekaempfen?
Wie leicht waer's meinem Witz, den Uebermut zu daempfen.

Lucina (schlau).
Wenn dies dein Geist vermag, warum will er's vermeiden?
Die Goetter muessten dich um deinen Witz beneiden.
Glaub' nicht, dass im geheim die Himmlischen dich achten,
Sie schmaehn auf deinen Geist, den sie schon oft verlachten.

Hades (mit gereiztem Ehrgeiz).
So will ich dir und den Olympschen Goettern zeigen,
Dass meine Schlauheit nicht sich ihrer List muss beugen.
Es soll dir moeglich sein, die Furchtbaren zu wecken,
Doch was ich dir befehl', musst du genau vollstrecken.
Du kannst zu seinem Sturz die Eumeniden brauchen,
Laesst du auf dem Altar ein dreifach Opfer rauchen;
Erst eine Kron', die eines Koenigs Stirn geziert,
Der nie ein Reich besass, noch eins besitzen wird.
Dann einen Lorbeerkranz von eines Helden Haupt,
Der, wenn der Lorbeer rauscht, des Mutes ist beraubt.
Und doch veruebt solch ungeheure Herkulstat,
Dass ihm der Krieger Schar den Kranz geflochten hat.
Nun kommt das dritte noch, es ist ein Diadem,
Der Eitelkeit Triumph, dass es selbst Juno naehm'.
Dies sei aus Myrthenbluet' mit Lilienschnee verwebt,
Und ruh' auf einem Haupt, das sechzig Jahre lebt.
Ein hochbetagtes Weib, mit reich verschlungnen Falten,
Muss es fuer ihren Reiz als Schoenheitspreis erhalten.
Doch Maenner nicht allein, die Mitleid kann versoehnen,
Es muessen Weiber sie mit neid'schen Blicken kroenen.
Dies sind die Dinge nur, die ich von dir begehre,
Und findest du sie aus, dann glaub', dass ich dich ehre.
Bring' sie zum Opfer hier, dann schmelzen jene Siegel,
Die Pforte donnert auf, gesprengt sind ihre Riegel,
Die Eumeniden frei, Phalarius kann fallen,
Und hoer' ich sein Gestoehn' am Acheron erschallen,
Dann nehm' die Kron' ich selbst von seiner blassen Stirn'
Und weihe dir beschaemt, verachtend mein Gehirn.

Lucina.  Beim Zeus, ich bin erstaunt!

Kreon.   Sei nicht so grausam doch,
Dass du die Moeglichkeit belegst mit solchem Joch
Du willst den Flug und kettest unsre Fluegel,
Du spornst den Gaul und engest seine Zuegel.

Hades.  Sie hat's gewollt, ich aendre meinen Ausspruch nie,
Glaubt Ihr, der Hoelle Sued zeugt keine Phantasie?
Hast du vielleicht gewaehnt, Unsterblichste der Nymphen,
Es lasse Hades sich so ungerecht beschimpfen?
Ich bin, was du so schlau gefordert, eingegangen,
Doch bleibet unerfuellt mein dreifaches Verlangen,
So sei's bei des Kozytus Trauerlauf geschworen,
Du wirst des Orkus Spott, und Kreon ist verloren.
   (Geht mit Wuerde ab.)



Achte Szene.
Vorige ohne Hades


Kreon.  Verloren bin ich, ja, mein Sturz war schon vollendet,
Als sich sein Furienblick nach meinem Reich gewendet.
Das Raetsel ist nun klar, ich weiss, wie es geschah,
Mein Unglueck steht entlarvt und frech entkleidet da.
Was ist das Leben doch?  wie waer' ich zu bedauern,
Wenn ich nicht sterblich waer' und muesste ewig trauern.

Lucina.  O traure nicht zu frueh, mein Geist gebaert Gedanken,
Die ihn mit Hoffnungen wie Efeu gruen umranken.
Die Goetter dulden's nicht, dass solch' ein Reich vergeht,
Wo ein so edles Volk fuer seinen Koenig fleht.
   (Nachdenkend.)
Massanas Fuerst ist krank, und wird nicht mehr genesen,
Das Unglueck haust zu arg, es muss das Land verwesen;
Dann hier der blut'ge See, das kallidal'sche Schwein,
Mein Wundermittel wirkt, es kann nicht anders sein.
   (Der Wolkenwagen sinkt wieder herab.)
Drum eile jetzt mit mir nach meinem Luftgefilde,
Vertausch' den Anblick hier mit einem schoenern Bilde.
Ich will durch mag'sche Kunst ein Zauberlicht bereiten,
Dann such' durch Fremdlinge den Trug ich einzuleiten;
Du aber kannst hier nichts zu deiner Rettung helfen,
Drum harrest du auf mich im Kreise meiner Elfen.

Kreon.  So gern du, Goettin, magst nach deiner Heimat ziehn,
So schmerzlich faellt es mir, die meinige zu fliehn.
   (Mit tiefer Ruehrung.)
O du mein teures Reich, ich muss mich von dir trennen,
Den rauhen Felsen nur kann meine Qual ich nennen.
Wo lebt ein Koenig wohl, der solches Leid getragen,
Dass seinem Volke er kein Lebewohl darf sagen?
O Echo, dessen Schall in allen Bergen toent,
Verkuend' das Trauerwort; leb' wohl, mein Agrigent.
Nun folg' ich Goettin dir ins traumbeglueckte Land,
Verlass mein wirkliches, aus dem man mich verbannt;
Doch wenn die Wolken mir mein treues Volk verhuellen,
Wird sich des Koenigs Aug' mit heissen Traenen fuellen.
Magst du den Schmerz als kleinlich auch betrachten,
Er ist ein heil'ges Weh, du darfst ihn nicht verachten.
   (Er kniet vor ihr.)

Lucina (geruehrt die Hand auf sein Haupt legend).
Ich ehre tief dein Leid, es fuehrt dich einst zum Lohne,
Der Schmerz gehoert der Welt, drum traegt ihn auch die Krone.
   (Hebt ihn auf.)
Erhebe dich mein Fuerst.
   (laesst ihn in den Wolkenwagen steigen.)
                                     Ein Thron soll dich
umrauschen.
   (Die Wolke bildet einen Thronhimmel um Kreons Haupt.)
Ist mir Fortuna hold, sollst du ihn bald vertauschen.

(unter zart klagender Musik schwingen sich beide langsam fort.)



Neunte Szene.
(Romantische Gegend.)

(Vorne links ein kleines Haeuschen mit einem Schilde, worauf eine
goldene Schere gemalt ist.  Diesem gegenueber eine natuerliche
Rasenbank, von einem Baum ueberschattet.  Die Musik geht nach der
Verwandlung in Simplizius' Ariette ueber.)


Simplizius (in buergerlicher Kleidung).
Ariette.
         's gibt wenig, die so gluecklich sind
Wie ich aus dieser Welt,
Ich hab' kein Weib und hab' kein Kind,
Und hab' kein' Kreuzer Geld.
Wenn ich auch keine Schulden haett',
Ich wuesst' vor Freud' nicht, was ich taet'.
Ich will im voraus nicht stolziern,
Mein Glueck faengt erst recht an,
Mir scheint, ich werd' mein Gwerb' verliern,
Dann bin ich praechtig dran;
Und 's Ueberraschendste wird sein,
Wenn s' kommen werdn und sperrn mich ein.

Dann schau' ich um ein' Freund mich um,
Der in der Not mich troest',
Der macht, dass ich aus d' Festung kumm,
Da sitz' ich erst recht fest;
Und wenn s' mich dort vielleicht noch schlagn,
Das waer' ein Glueck,--nicht zum Ertragn.

Ja, ja, mancher, der mich so reden hoert, wuerd' sagen: O je, da
kommt schon wieder einer daher, der lamentiert, dass er kein Geld
hat und voller Schulden ist und dass er soll eing'sperrt werdn.  O
Jemine, das ist ein' alte G'schicht'.  (Hochdeutsch.) Ja, wenn's
aber nicht anders ist, was soll man denn machen?  Es ist einmal so,
ich hab' einmal kein Geld, und sie sperrn mich einmal ein,
vielleicht auch zweimal, (lokal) und wenn das so fortgeht, so komm'
ich aus dem Einsperren gar nicht mehr heraus.  Ich bin ein
rechtschaffener Mann, doch von was soll ich denn zahlen?  Ich bin
zwar der angesehnste Schneider hier im Ort, aber ich hab' nur eine
einzige Kundschaft, und das ist mein Glaeubiger, ein Weinhandler,
der weint um seine fuenfhundert Taler, so oft er mich anschaut.
Jetzt bin ich ihm das Geld schon sieben Jahr' schuldig, er ist aber
schon lang gezahlt, denn statt den Interessen hat er mit mir
ausgemacht, dass ich ihm alles umsonst arbeiten muesst', was in seinem
Haus ang'schafft wird.  Da kommen aber die Leut' vom ganzen Dorf in
sein Haus, lassen sich das Mass nehmen, ich muss ihnen umsonst
arbeiten, und er lasst sich zahlen dafuer.  Da hab' ich einen
Zimmerherrn drin--(deutet auf sein Haus, geheimnisvoll) der zahlt
auch nichts.  Ist ein Schmied, ein Reimschmied, schreibt jetzt gar
ein Theaterstuck.  Auf die Letzt bringt er mich noch in ein Stuck
hinein, denn ich hoer', jetzt koennen s' gar kein Stuck mehr
auffuehren, wo s' nicht was von ein' Schneider drin haben, und er
gar, er schreibt eins, das heisst "Die getrennten Brueder", das wird
doch aufs z'sam'nahn hinausgehn.  Er erwartet immer das Geld von der
Post, und jetzt ist ein so ein schlechter Weg, da bleibt's halt
stecken.  (Ruft zum Fenster hinein.) Guten Morgen, Monsieur Ewald,
schon wieder fleissig?  Scribendum!



Zehnte Szene.
Voriger.  Ewald.


Ewald (schlaegt von innen auf den Tisch).  So stoeren Sie mich doch
nicht mit Ihrem unsinnigen Geschwaetz.  (Kommt heraus im einfachen
Gehrock.  mit einem Manuskripte, Tinte und Feder.) Es ist nicht
moeglich, dass ich einen vernuenftigen Gedanken fassen kann, wenn Sie
in meiner Naehe sind.  Gehen Sie doch hinein, ich will hier schreiben.


Simplizius.  Schreiben Sie, wo Sie wollen und an wen Sie wollen,
aber sein Sie nicht unartig mit mir.

Ewald.  Lieber Hausherr, nehmen Sie meine Heftigkeit nicht so auf,
Sie sehen, ich bin ein Dichter, ein begeisterter Mensch.  Wenn man
in Jamben arbeitet, Sie verstehen das nicht so, es sind fuenffuessige
Verse.

Simplizius.  Ja, das ist ja eben das Unglueck, wenn die Vers' eine
Menge Fuess' haben und kein' Kopf.  Das tragt nichts ein, ich wollt',
ich haett' so viel Fuess', als Ihre Schlampen oder Jamben, was Sie da
schreiben, ich war' schon lang davon g'loffen, auf meine kann ich
mich nicht mehr verlassen.

Ewald.  Sie sprechen dummes Zeugs, lassen Sie mich ungestoert.  (Er
setzt sich auf die Rasenbank und ueberlegt.) Der letzte Akt, mir
fehlt's an Stoff.

Simplizius.  Mir auch, wenn ich so ein paar hundert Ellen Gros de
Napel haett', ich wollt' Ihnen Ihre Getrennten schon herausstaffiern.


Ewald.  Nun hab' ich aufhoeren muessen.  Jetzt ist der ganze Dialog
zerrissen.

Simplizius.  Ich wollt', es waer' alles z'rrissen, so krieget ich
doch ein' Arbeit.

Ewald (aufspringend).  Aber lieber Meister, wenn Sie einen Rock
zuschneiden, so wuenschen Sie doch ungestoert zu sein.

Simplizius.  Nun, Sie werd'n doch erlauben, dass es ein' andere
Aufgab' ist, wenn ich einen Rock zuschneid', als wenn Sie da eine
halbe Stund' nachdenken, und hernach fallt Ihnen erst nix ein.  Wenn
Sie einen Vers um ein paar Ellen zu lang machen, so streichen Sie
s' halt weg, aber wenn ich einen Aermel um eine halbe Ellen zu kurz
mach', (er streift seinen Rockaermel hinauf) was g'schieht denn
hernach?

Ewald (stampft mit dem Fusse).  Zum letzten Male rat' ich es Ihnen,
mich ungestoert zu lassen, oder Sie werden mich wuetend machen.

Simplizius (verschroben).  Nu, nu, nur nicht so heftig, meine
schwachen Nerven bitt' ich zu verschonen.  Ueberhaupt zwingen mich
verhaeltnislose Umstaende, mit Ihnen tragisch zu reden.  Ich kann zwar
nichts gegen Sie sagen, Sie sind ein ordentlicher Mann, Sie bleiben
mir meinen Zins schuldig, wie es sich g'hoert.  Aber Sie sind ein
Dichter, der sehr schoene Ideen hat, warum kommt Ihnen denn nicht
auch die Idee, mich zu bezahlen?

Ewald.  Sie sollen Ihr Geld erhalten.

Simplizius.  Ja wann?  ich werd' heut noch eing'sperrt.

Ewald.  Warum?

Simplizius.  Weil ich blessiert bin und nicht ausrucken kann.
(Deutet aufs Zahlen.) Wenn aber das geschieht, wenn sie mich
einsperrn, Herr von Ewald--Sie sind mir schuldig, ich gebrauch'
mein Recht, Sie muessen zu mir hinein.  Wir sind Maenner, wir werden
unser Schicksal zu ertragen wissen.  (Geht gravitaetisch ab ins Haus.)



Elfte Szene.


Ewald (allein).  Ha, ha, ha, ein gutmuetiger Mensch, wenn er nur
nicht so unertraeglich einfaeltig waere, mich dauert seine missliche
Lage.  Morgen erhalte ich die Haelfte meines Honorars, davon will ich
ihn unterstuetzen.  Doch jetzt sei wirksam, Geist.  (Dichtend.)
Sechzehnte Szene, Gefaengnis, Artur allein.

Warum muss ich im finstern Turm hier hausen,
Um den des Meers geschaeftige Wellen brausen;
Ach, waehrend Liebe stillt ihr froh Verlangen,
Haelt mich der Hass hier trauervoll gefangen.
O Schutzgeist, der du meinem Traum dich zeigst
Und sanft dein Haupt zu mir hernieder neigst,
Leit' mich aus meines Kerkers duestern Bann,
Dass ich statt nutzlos sinnen, handeln kann.



Zwoelfte Szene.
Voriger.  Lucina ist waehrend Ewalds Rede unter sehr leisen sanften
Toenen auf Wolken niedergesunken.  Ein Genius traegt eine Fackel.


Lucina.  Wenn du willst des Gedichtes Sinn auf dich beziehn,
So kann ich deines Wunsches regen Drang erfuellen,
Du sollst mit mir nach weit entfernten Landen ziehn
Und des Verlangens Glut im Tatenstrome kuehlen.
Zu hohem Werken hab' ich deinen Mut erkoren,
Weil ich dein Herz und deinen Geist als rein ersehn.

Ewald.  O glanzentzuecktes Aug', zu seltnem Glueck geboren,
Dass du so holder Goettin Reize darfst erspaehn.

Lucina.  Erstaune nicht, entwirf kein Bild von meinen Reizen,
Du bist zur Rettung eines maecht'gen Reichs erwaehlt,
Der Auftrag sei genug, um mit der Zeit zu geizen,
Drum werd' dir auch von mir das Noet'ge nur erzaehlt.
Dich sollen Wolken nach Massanas Strande tragen,
Ein Land, in welchem Unglueck heult in jedem Haus,
Und das vom Meer verschlungen wird in wenig Tagen,
Dort gibst du dich fuer einen Weisen aus,
Entstammend aus Aegyptens heil'gen Pyramiden,
Der nach Massana kommt, um dieses Land zu retten.
Und wenn der Koenig enden will den Lauf hienieden,
Vergoldest du des Todes fuerchterliche Ketten
Und forderst erst fuer diesen Dienst des Reiches Krone.

Ewald.  Wodurch ich dies vollbring', kann ich noch nicht ergruenden.

Lucina.  Nimm diese Fackel hier, sie flammt in jeder Zone,
Wenn du sie kraeftig schwingst, wird sie sich selbst entzuenden,
Den Gegenstand, auf den du ihren Strahl willst leiten,
Wird zephirleicht in ihrem Zauberlicht verrinnen,
Narkot'sche Wohlgerueche um sich her verbreiten,
Und die Gestalt, die du ihm leihen willst, gewinnen.
Er wird im wundervollsten Rosenlicht sich zeigen,
Wie ihn die zartste Phantasie nur koennte malen,
Dass sich die Herzen alle liebend vor ihm beugen,
Und sanfte Ruehrung wird aus jedem Auge strahlen.
   (Gibt ihm die Fackel.)
Verwahr' sie wohl, du wirst sie einst noch dankbar preisen,
Wenn troestet dich ihr welterfreunder Wunderschein,
Doch nicht allein darfst du die Rettungsbahn durchreisen,
Dem kuehnen Mut muss bange Furcht zur Seite sein.
Du wirst wohl selbst wo einen feigen Duemmling kennen,
Den eines Sperlings leises Rauschen schon erschreckt.

Ewald.  Da kann ich dir, o Goettin, keinen bessern nennen,
Als jenen Mann, der sich vor deinem Anblick scheu versteckt.
   (Deutet auf Simplizius ins Haus.)

Lucina.  Nun wohl, du magst mit ihm die Sache selbst verhandeln.

Ewald.  Er ist mir schon gewiss, ich weiss, was ihn bewegt.

Lucina (zeigt auf einen Fels).
Die Fackel wird den Stein in leichten Nebel wandeln,
Der euch im schnellen Flug durch blaue Luefte traegt.
Du uebst, wie ich's befahl.

Ewald.                                      Dies kann ich hoch
beteuern.

Lucina.  Wohlan, ich will voraus hin nach Massana steuern.
   (Fliegt ab.)



Dreizehnte Szene.
Ewald (allein.)


Dies ist ein Auftrag doch, der eines Dichters wuerdig,
Weil echte Poesie nach einer Krone strebt,
Selbst Goettern ist durch hohen Schwung sie ebenbuertig,
Der ueber Sonnen sie zu Jovis Thron erhebt.
Mein Geist ist klein, mein Wirken nur ein ungeweihter Traum.
Drum wird die Kron', die ich heut wage zu begehren,
In Nichts zerfliessen, wie der Woge fluecht'ger Schaum,
Nur dass ich sie gewollt, wird mir noch Lohn gewaehren.
Und wer wird nicht mit Lust von goldnen Dingen traeumen,
Kann er darueber arme Wirklichkeit versaeumen?
   (Ab ins Haus.)



Vierzehnte Szene.
(Kurzes Zimmer mit schlechten Moebeln, ein Tisch mit Schreibgeraete,
an der Wand haengen einige schlechte Kleidungsstuecke, Mass und ein
paar abgeschabte Bilder.  Rechts eine Seitentuer, links ein kleines
Fenster.)


Simplizius.  Jetzt wird's nicht mehr lang dauern, so wird die
achtzigpfuendige Kanone meines Ungluecks losgehn.  Vor Angst krieg'
ich noch das gelbe Fieber, das schwarze hab' ich so in allen
Taschen schon.  Wie spaet wird's denn schon sein.  Ich koennt's gleich
wissen, ich duerft' nur auf die Uhr schauen, die ich vor zwei Jahren
versetzt hab'.  Um halb zwoelf Uhr kommt der Weinhandler, der wird
mich anzapfen um sein Geld, und wenn ich ihn nicht zahlen kann, so
heisst es; Marsch nach Kamtschatka.




Fuenfzehnte Szene.
Voriger.  Ewald.


Ewald.  Freude, Freude, lieber Simplizius!

Simplizius.  Ja, ja, das wird eine mordionische Freud' werden, bei
Wasser und Brot.

Ewald.  Nein, lieber Simplizius, wir wollen fort von hier in ein
fernes Reich.

Simplizius.  Ins Reich hinaus?  Da war ich schon, im Nuernbergischen.

Ewald.  Nicht doch, eine reizende Goettin hat mich und Sie zur
Rettung eines Koenigreichs bestimmt.

Simplizius.  Mich?

Ewald.  Ja.  Sie.  Goldgesaeumte Wolken werden uns dem gemeinen Leben
hier entruecken und uns in ein herrlich Land hintragen.  Lassen Sie
Ihren Glaeubiger hier rasen, er hat ja ohnehin nichts mehr zu
fordern.  Machen Sie sich reisefertig, Sie sind zu grossen Dingen
bestimmt.

Simplizius.  Zu was fuer ein'?

Ewald.  Das weiss ich nicht, ich weiss nur, dass es eine Krone gilt.

Simplizius.  Und die soll ich erretten?  Nun, das wird gut ausfallen.
Sie verkennt mich.

Ewald.  Nein, sie hat Sie ja gesehen und Ihren Mut belobt.

Simplizius.  Die Goettin?  Ah, das ist goettlich!  Aber weiss sie denn,
dass ich--

Ewald.  Was?

Simplizius.  Nu.  (Macht die Pantomime des Naehens.)

Ewald.  Versteht sich, alles weiss sie.  Kommen Sie nur.

Simplizius.  Ich soll ein Land erretten?  Ich kann mir's gar nicht
anders vorstellen, als dass das Land durch Unruhen zerrissen ist,
und ich muss's zusammenflicken.  Oder sie fuerchten sich, dass das Land
erfriert, und ich muss ihm einen Pauvre machen.  Und auf einer Wolken
sitzen wir, da fallen wir ja durch.

Ewald.  Bewahre, sorgen Sie sich nicht.

Simplizius.  Nun Sie, wenn wir heut durchfalleten, das waer' weiter
keine Schand'.  Mir ist jetzt schon, als wenn ich aus den Wolken
g'fallen waer'.

Ewald.  Ich steh' Ihnen fuer alles.

Simplizius.  O, Sie sind ein gutes Haus.  Was haben S' denn da fuer
eine vergossne Kerzen?

Ewald.  Das ist eben unsere Wunderfackel.  Was ich durch sie
bestrahlt wissen will, erscheint nach meinem Wunsche in der
herrlichsten Gestalt, und rosiger Nebel wird das Auge eines jeden
lieblich taeuschen.

Simplizius.  Was sie jetzt alles erfinden, um die Leut' hinters
Licht z' fuehren, das geht ueber alles.  Na wegen meiner, ich bin
dabei, ich sitz' doch lieber auf einer Wolken als im Arrest.  Also
gehn wir.  (Sieht durchs Fenster.) Ums Himmels willen, dort kommt
der Weinhandler, und zwei Schutzgeister hat er bei ihm, mit
klafterlange Spiess'.

Ewald.  Fatale Sache, was beginn' ich jetzt?

Simplizius.  Monsieur Ewald, mir fallt aus Angst etwas ein.
Probieren wir die Fackel, richten wir das Zimmer praechtig ein,
tapezieren wir's aus.  Vielleicht bekommt der Weinhandler einen
Respekt und glaubt, er kriegt sein Geld.  Warten Sie, ich sperr' die
Tuer indessen zu, dass er nicht gleich herein kann.  (Tut es.) Wenn er
nur unterdessen abfuehr'.  bis wir ihm ganz abfahren.

Ewald.  Kein uebler Gedanke, das geht nicht so leicht, er wird fragen,
wo wir die schoenen Moebel her haben.  Dann wird ihm die Fackel
auffallen.  Still!

Riegelsam (klopft von aussen).  Nur aufgemacht.  Ich weiss, dass Er zu
Hause ist.

Simplizius.  Gleich, gleich.  (Heimlich.) Was tun wir denn?

Ewald (ebenso).  Geben Sie mich fuer einen Englaender aus, dem die
Moebel gehoeren, und der fuer Sie zahlen will.

Riegelsam.  Ich schlag' die Tuer ein, wenn Er nicht aufmacht.

Simplizius.  Richtig, fangen Sie nur zum moeblieren an.  (Ruft.) Nur
warten.

Riegelsam.  Warten?  Du verdammter Bursch', wart' du auf meinen Stock,
wenn ich hineinkomm'.

(Ewald hat indessen die Fackel geschwungen, die sich selbst
entzuendet.)

(Musik.)

Auf einen Schlag verwandelt sich das schmutzige Zimmer in ein
herrlich gemaltes und reich moebliertes.  Grosse Gemaelde mit goldenen
Rahmen, nebst einer schoenen Wanduhr praesentieren sich.  So
verwandeln sich auch die Tueren, das Fenster, Tisch und Stuehle.  Das
ganze zeigt sich jedoch im bleichen Rosenlichte

Simplizius.  Mich trifft der Schlag, das wird doch ein schoener
Betrug sein.  Ich gluecklicher Mensch, das g'hoert alles nicht mein.

Ewald (steckt die Fackel an die Wand, wo der Schreibtisch steht,
setzt sich schnell und stuetzt das Haupt auf die Hand).  Nun oeffnen
Sie, sagen Sie, ich dichte und wollte ungestoert bleiben, und Sie
haetten geschlafen.

Riegelsam.  Brecht das Schloss auf.  (Sie schlagen an die Tuer,
Simplizius oeffnet.)

Simplizius.  Ist schon offen.



Sechzehnte Szene.
Vorige.  Riegelsam (ein sehr dickleibiger Mann von heftigem
Temperament).


Riegelsam (noch in der Tuer).  Aufmachen kann er nicht, aber Schulden
machen kann er.  Wart', du verdammt--(er tritt herein, zwei
Gerichtsdiener halten an der Tuer Wache, Riegelsam steht erstarrt.)
Was ist das fuer eine malizioese Pracht?  Ich erstaune.  Wem gehoert das
Amoeblement?

Ewald (rasch aufspringend).  Mir!

Riegelsam.  Ihnen?  Ah, allen Respekt.

Ewald.  Also schliessen Sie Ihren Mund.  (Setzt sich nieder und
schreibt fort.)

Riegelsam..  Was Mund schliessen?  Um fuenfhundert Taler kann man den
Mund gar nicht weit genug aufmachen.

Simplizius.  Wenn er nur die Mundsperr' bekaem', dass er ihn gar nicht
mehr zubraecht'.

Riegelsam.  Nichts wird g'schlossen, als der--(auf Simplizius
deutend) der wird g'schlossen--kreuzweis'.  Wie steht's,
liederlicher Patron, wird gezahlt oder nicht?

Simplizius.  Ja, es wird gezahlt.

Riegelsam.  Wer zahlt?

Simplizius.  Ich nicht.

Riegelsam.  Gerichtsdiener!  (Sie treten vor.)

Ewald.  Halt!  (Springt auf.) Ich bezahle.  (Setzt sich wieder und
schreibt.)

Riegelsam.  Wirklich?  Allen Respekt.  Wer ist dieser Herr?

Simplizius.  Ein vacierender Lord.

Riegelsam.  Und wohnt in diesem miserablen Haus?

Simplizius.  Spleen.

Riegelsam.  Warum schreibt er denn bei einer Fackel am hellichten
Tag?

Simplizius.  Spleen.

Riegelsam.  Und was krieg' ich denn fuer meine Schuld?

Simplizius.  Spleen.

Riegelsam.  Geh Er zum Henker mit seinem Spleen.  (Beiseite.) Wenn
ich nur die schoenen Moebel haben koennt', ich bin ganz verliebt in
sie.  (Laut.) Also was soll's sein?  Entweder meine fuenfhundert Taler,
oder ich lass' das Zimmer ausraeumen.

Simplizius.  Da kriegt er auch was rechts.

Ewald.  Herr, unterstehen Sie sich nicht, sich meines Eigentumes zu
bemaechtigen.  In diesem Zimmer bin ich Herr, weil ich es gemietet
habe, und wenn Sie es nicht zur Stelle verlassen, so werd' ich mein
Hausrecht gebrauchen und Sie zum Fenster hinauswerfen.

Riegelsam.  Welch eine Behandlung?  Was soll das sein?  (Sieht
Simplizius fragend an.)

Simplizius (gleichgueltig).  Spleen.

Riegelsam.  Halt' Er sein Maul mit seinem verflixten Spleen.  Sie
haben sich angeboten zu bezahlen, tun Sie es, ich bin bereit.

Ewald.  Ich noch nicht, in einer Stunde sollen Sie Ihr Geld erhalten,
ich erwarte die Post.  Entfernen Sie sich jetzt und kommen Sie in
einer Stunde wieder.

Riegelsam.  Hat auch kein Geld, nichts als Spleen.

Simplizius.  Ein splendider Mann.

Riegelsam.  Aber die schoenen Moebel, diese herrlichen Moebel.  Gut, ich
geh', aber die Wach' bleibt hier.

Simplizius Ich seh' mich schon im Loch.

Ewald.  Impertinent, den Augenblick mit der Wache fort, oder Sie
bekommen keinen Heller von Ihrer Schuld.

Riegelsam.  Nicht?  So lass' ich ihn einsperren.  (Auf Simplizius
zeigend.)

Ewald.  Nur fort mit ihm, das ist das beste, was Sie tun koennen.

Simplizius (erschrocken).  So ist's recht, das waere schon das beste
bei ihm.

Riegelsam (beiseite).  Es ist ihm nicht beizukommen, ich moecht'
rasend werden.  Aber die schoenen Moebel allein koennten mich verfuehren.


Simplizius.  Ah, wenn Sie s' erst im rechten Licht sehen werden,
denn sein' Fackel blendt einen ja.

Riegelsam.  Sind sie da noch schoener?

Simplizius.  O, da kann man sie gar nicht sehn vor lauter Schoenheit.

Riegelsam.  Gut, die Wach' soll sich entfernen, unter der Bedingung,
dass Sie mir diese Moebel verschreiben.

Simplizius (heimlich erfreut).  Beisst schon an.

Riegelsam.  Wenn ich in einer Stunde mein Geld nicht erhalte,
gehoeren sie mir.

Simplizius (heimlich freudig).  Haben ihn schon!

Ewald.  Mein Wort darauf.

Riegelsam.  Nichts, das muss schriftlich sein, nur aufsetzen, alles
schriftlich.

Simplizius (heimlich).  G'hoert schon uns!

Ewald (schreibt).  Also alles was sich in diesem Zimmer befindet?

Simplizius Bis auf uns, denn er waer' imstand, er nehmet uns auch
dazu.  Das ist gar ein Feiner.

Riegelsam.  So ein miserables Moebel, wie Er ist, kann ich nicht
brauchen.  Still.  Euer Hoheit geruhen zu unterschreiben.

Ewald.  Hier.

Riegelsam.  Auch der Schneider.

Simplizius (tut es fuer sich).  Du wirst dich schneiden.

Riegelsam (frohlockend).  Bravo, jetzt bin ich in Ordnung.

Simplizius.  Das ist ein gluecklicher Kerl, jetzt hat er einen Fang
gemacht.

Riegelsam (zur Wache).  Ihr koennt nach Hause gehn.

(Wache ab.)

Simplizius.  Ah, weil nur die Garnierung von der Tuer' weg ist.

Ewald.  Nun gehen Sie auch!

Riegelsam.  Ich?  Was fallt Ihnen ein, ich bleib' hier, bis das Geld
ankommt.

Ewald.  Welch eine Eigenmaechtigkeit!  Ich muss fort, das Geld zu holen,
ich habe Eile.

Simplizius.  Freilich, bei uns geht's auf der Post.  (Fuer sich.) Wir
fahren ja ab.

Riegelsam.  Das koennen Sie machen, wie Sie wollen.  (Setzt sich in
einen Stuhl.) Mich bringt einmal niemand aus diesem Zimmer fort.
Ich muss meine Moebel bewachen, kein Stueck darf mir davon wegkommen.
Tausend Element!

Ewald (zu Simplizius heimlich).  Das ist eine schoene Geschichte, was
tun wir jetzt?

Simplizius.  So lassen S' ihn sitzen, wir nehmen unsre Fackel, gehn
hinaus, sperren ihn ein und er soll seine Moebel bewachen.

Ewald.  Ein delikater Einfall.  (Nimmt die Fackel von der Kulisse.)
Nun wohl, bleiben Sie hier und haften Sie mir fuer alles.

Simplizius.  Und geben Sie acht, dass Ihnen nichts wegkommt, sonst
muessen Sie's zahlen.

(Ewald und Simplizius gehen schnell hinaus und sperren die Tuer zu.
Wie die Fackel ans dem Zimmer ist, verwandelt sich dasselbe wieder
in die arme Stube.)



Siebzehnte Szene.
Riegelsam (allein, springt auf und sagt im hoechsten Erstaunen).
Blitz und Donner, was ist das fuer eine Bescherung?  Bin ich in eine
Zauberhoehle geraten?  Wo sind die Moebel hingekommen?  Die schoene Uhr,
die herrlichen Bilder.  Alles ist fort, Fetzen sind da.  (Zerreisst
die Kleider.) Nichts als Fetzen sind da und die Lumpen sind fort.
Ha!  Ich muss ihnen nach.--Die Tuer ist verriegelt, ich kann nicht
hinaus, ich erstick' vor Wut.  Meine fuenfhundert Taler.  (Sinkt in
den Stuhl.)


Simplizius (sieht zu dem kleinen Fenster herein).  Freund, die sind
verloren.

Riegelsam.  O du Hexenmeister, wirst du hereinkommen!  Schaff' mir
meine Moebel her!

Simplizius.  Wollen Sie s' nochmal sehn?  (Haelt die Fackel zum
Fenster herein.) Da sind sie!  (Das Zimmer wird wie vorher reich
moebliert.)

Riegelsam (stuerzt mit ausgebreiteten Armen darauf hin).  Halt, jetzt
lass' ich sie nicht mehr aus.

Simplizius (zieht die Fackel zurueck).

(Schnelle Verwandlung.)

Simplizius.  Halten Sie s' fest.--So raecht sich Simplizius, der
Verschuldete.



Achtzehnte Szene.
Riegelsam (der bei der Verwandlung betroffen zurueckfuhr, springt
nun wuetend auf das Fenster zu, welches Simplizius ihm vor der Nase
zuschlaegt).  Spitzbuben!  Gesindel!  Raeuber!  Moerder!  Dieb'!  (Schlaegt
die Fensterscheiben ein.) Ich zerplatz' vor Zorn.  Ich muss ihnen
nach.  (Will zum Fenster hinaus und bleibt stehen.) Ich kann nicht
durch, ich bin zu dick, ich erstick'!  Was seh' ich!  O hoellische
Zauberei, sie fliegen auf einer Wolken davon.  Die praechtigen
Kleider, der Schneider strotzt vor Silber, wenn ich s' ihm nur
herabreissen koennt'.  Meine fuenfhundert Taler.  Ich werd' unsinnig,
ich spreng' mich in die Luft.  Nein, ich spreng' die Tuer' ein.  (Er
tut es.) Hilfe!  Hilfe!  Raeuber!  Dieb'!  Wache!  (Ab.)



Neunzehnte Szene.
(Grosser Platz in Massana, im griechischen Stil erbaut.  Seitwaerts
der koenigliche Palast.  Stufen fuehren aufwaerts, auf welchen der
Genius des Todes, ein bleicher Juengling mit der umgekehrten
ausgeloeschten Fackel, mit geschlossenen Augen sitzt.  Viele Personen
in Trauer, viele nicht, gehen haenderingend herum ueber die Strasse.)

Kurzer Chor.
Jammer, sag', wann wirst du scheiden,
Von Massanas Ungluecksflur;
Grosse Goetter, hemmt die Leiden,
Eure Macht vermag es nur.


(Gehen trauervoll ab.)



Zwanzigste Szene.
Lucina (kommt und betrachtet mit Wehmut den Palast).  Genius des
Todes.

(Die ganze Szene muss von beiden Seiten langsam und feierlich
gesprochen werden.)


Lucina.
Mich erfasst ein widrig Schauern,
Blick' ich auf dies Trauerschloss.
Schon seh' ich den Juengling lauern,
Armer Fuerst, dein Leid ist gross.
(Mit erhobener Stimme.)
Du, des Todes Genius,
Magst durch Antwort mich begluecken;
Wirst du heut den eis'gen Kuss
Auf Massanas Lippen druecken?

Genius des Todes
(hebt sein Haupt, stets bleibt die Fackel gesenkt.  Spricht kalt und
ernst im tiefen Tone).

Wenn die Nacht den Tag verjagt
So heischt's Hades Rachesinn,
Hat Massana ausgeklagt.
(Kurze Pause.)
Rauscht das Meer darueber hin.
Lucina.
Und wie wird der Koenig enden,
Wirst du freundlich ihn umfahn?
Genius des Todes.
Hades kann nur Schrecken senden,
Duester wird sein Ende nahn.
Lucina.
Wehmut seufzt aus deiner Kunde
Und doch frommt sie meinem Plan,
Mich beglueckt die Ungluecksstunde,
Wenn ich dich erweichen kann.
Schenk' das Leben mir von zweien,
Die nicht Hades Fluch getroffen,
Die nicht an die Zahl sich reihen,
Die Erbarmen nicht zu hoffen.
Genius des Todes (laechelnd).
Nimm das Leben hin von zweien,
Du entziehst mir's dennoch nicht.
Lucina.
Moechtest du mir noch verleihen,
Dass Heraklius' Auge bricht,
Eh' des Landes Festen beben.
Genius des Todes.
Eh' den Turm noch kuesst die Well',
Lischt des kranken Koenigs Leben.
Lucina.
Doch Massana muss dann schnell,
Eh' die Zeit Sekunden raubt,
In dem Augenblick versinken,
Wo auf einem fremden Haupt,
Wird des Koenigs Krone blinken.
Genius des Todes
(laesst das Haupt sinken und
sagt dumpf und langsam).
Wird versinken.
(Pause, dann noch mit gesenkten Haupte)
                          Lass mich lauschen.
Lucina.
Ist dein Aug' zum Schlaf erlahmt?
(Gejammer in der Szene, mehrere Stimmen: Hilf, er stirbt.)
Genius des Todes.
Hoerst du's rauschen?
(Hebt das Haupt.)
Dorthin ruft mein eisern Amt.


(Er steht auf, sein Haupt ist etwas gebeugt, die rechte Hand
streckt er gegen den Ort, wo der Schall hertoent, als zeigte er hin,
die linke haengt, die umgestuerzte Fackel haltend, gerade herab, so
eilt er gemessenen Schrittes in die Kulisse, doch auf die
entgegengesetzte Seite des Palastes.)

Lucina (blickt gegen Himmel)
     Goetter, die ihr gnaedig waltet
Und doch unbegreiflich schaltet!

(Geht langsam auf die entgegengesetzte Seite ab.)



Einundzwanzigste Szene.
Thestius, Epaminondas (mehrere Einwohner von Massana kommen von der
Seite, wo der Genius abgeschritten ist).


Thestius.  Ist aus mit ihm, ist stumm; die Goetter haben seinen Mund
geschlossen.

Epaminondas.  Ein sonst so sanftes Ross, und schleudert ihn herab,
dass von dem Fall die Erde donnert.  (Die Weiber weinen.) So heult
doch nicht, seid ihr's nicht schon gewohnt?  Seit sieben vollen
Jahren hat Unglueck hier im Lande sich gelagert und ueber diese Stadt
sein schwarzes Zelt gespannt.  Ich bin schon stumpf gemacht, mich
kann's nicht ruehren mehr, wenn meines Nachbars Dach auf seinen
Schaedel stuerzt.  Nur Weiber koennen sich an so was nicht gewoehnen.

Thestius.  O Hades, ungerechter Fuerst der Unterwelt, der du aus
Rache, weil Massana nicht den Koenig hat gewaehlt, den du durch deine
unterirdischen Orakel ihm bestimmen liessest, das arme Reich mit
Uebel aller Art verfolgst; so dass wir wie auf nie betretnem
Eisgeklueft, nicht einen Schritt auf breiter Strasse tun, wo nicht
Gefahr des Lebens mit verbunden ist.

Epaminondas.  Seht, was laeuft das Volk zusammen?  Zwei Fremde bringen
sie.

Thestius.  Die sind so selten jetzt im Lande, als ob sich Kometen
zeigten.  Hypomedon fuehrt sie.



Zweiundzwanzigste Szene.
Vorige.  Hypomedon, Ewald und Simplizius, beide im aegyptischen
Kostueme.


Hypomedon.  Endlich haben wir wieder das Glueck, zwei Fremdlinge in
unserer Stadt zu sehen.  Staunt, aus Aegypten kommen diese Leute gar,
um bei uns Verachtung des Lebens zu lernen.

Ewald.  Sei gegruesst, Volk von Massana, ich habe Wichtiges in deinem
Reiche zu verhandeln.

Simplizius.  Zu verhandeln, sagt er, auf die Letzt' halten s' uns
fuer Juden.

Thestius.  Seid uns gegruesst, wir bedauern euch.

Simplizius (macht grosse Augen).  Der bedauert uns.

Thestius.  Euch haben boese Sterne in das Land geleitet.

Simplizius.  Ach warum nicht gar, wir sind ja beim helllichten Tag
ankommen.

Ewald (nimmt ihn auf die Seite).  Sein Sie nicht so gemein, tun Sie
vornehm, klug, bescheiden und druecken Sie sich in bessern Worten
aus.

Simplizius.  Das muessen Sie mir schriftlich geben, denn so kann ich
mir das nicht merken.

Ewald.  Glaubt nicht, dass ich der Pyramiden geheimnisvollen
Aufenthalt umsonst verliess, ihr werdet die Gestirne hoch verehren,
die nach Massana mir geleuchtet, denn fromme Goetter haben mich zu
euch gesendet.

Thestius.  So preisen deine Sendung wir.  Dein Aug' ist sanft, und
edel deine Haltung, dein Antlitz floesst Vertrauen ein, und deine
kuehn gewoelbte Stirn mag wohl ein Thron der hoechsten Weisheit sein.

Simplizius.  Nein, was s' an dem alles bemerken, das waer' mir nicht
im Schlaf eing'fallen.  Einen Thron hat er auf der Stirn, und da
sitzt die Weisheit d'rauf.  (Macht die Pantomime des Niedersetzens.)
Jetzt, was werden s' erst auf meiner Stirn' alles sitzen sehn?

Thestius.  Willst du mein Unglueckshaus zur Wohnung dir erwaehlen, so
folge meinem scheuen Tritt, doch lass die Vorsicht emsig pruefen
deinen Pfad und Besorgnis ueber deine Schultern schaun.  (Verbeugt
sich tief.)

Ewald.  Mein Dank gruesst deines Hauses Schwelle, mit frohem
Hoffnungsgruen wird dir der Gast die Hallen schmuecken.  Simplizius,
folge bald!  (Geht mit Anstand a, Thestius folgt.)



Dreiundzwanzigste Szene.
Vorige, ohne Ewald und Thestius.


Simplizius (sieht ihm erstaunt nach).  Ich empfehl' mich ihnen.  Ah,
was die Weisheit fuer eine langweilige Sach' ist, das haett' ich in
meinem Leben nicht gedacht.  Ich will einmal lustig sein.  (Tut nobel
zu Epaminondas.) Sagen Sie mir, mein edelster Massanier, was gibt
es denn fuer Spaziergaenge hier?

Epaminondas.  Der betretendste Weg fuehrt ins Elend.

Simplizius.  So?  Das muss eine schoene Promenade sein.

Hypomedon.  Du wirst sie schon noch sehen.

Simplizius.  Ich freu mich schon d'rauf.  Haben Sie auch ein Theater?

Epaminondas.  O ja.  (Seufzend.) Massana heisst der Schauplatz.

Simplizius.  Was wird denn da aufgefuehrt?

Hypomedon.  Ein grosses Trauerspiel.

Simplizius.  Von wem?

Epaminondas.  Ein Werk des Orkus ist's.

Simplizius.  Den Dichter kenn' ich nicht, muss ein Auslaender sein.

Hypomedon.  Es waehrt schon sieben Jahre.

Simplizius.  O Spektakel, da muss einer ja drei-, viermal auf die
Welt kommen, bis er so ein Stueck sehn kann.  Wer spielt denn mit?

Epaminondas.  Das ganze Volk.

Simplizius.  Also ein Volkstheater.  Und wer schaut denn zu?

Epaminondas.  Die Hoelle.

Simplizius.  Da muss ja eine Hitz' im Theater sein, die nicht zum
aushalten ist.  Ueberhaupt scheinen die Leut' hier nicht ausg'lassen
lustig z' sein.  Warum weinen denn die Fraun da?

Eine Frau.  Wir beweinen euer Schicksal.

Simplizius.  Unser Schicksal?  Was haben denn wir fuer ein Schicksal?
Wen tragen s' denn da?  (Sieht in die Kulissen.)

Hypomedon.  's ist nur einer, den ein Ross erschlagen hat.

Simplizius.  Erschlagen hat's ihn nur?  O, da reisst er sich schon
noch heraus, hier ist eine g'sunde Luft.  Wer wohnt denn in dem
grossen Haus?

Hypomedon.  Das steht leider leer, die Leute sind alle
herausgestorben.

Simplizius.  Warum nicht gar?  Was hat ihnen denn g'fehlt?

Epaminondas.  Nu, es ist eine eigene Krankheit, es ist nicht gerade
ein gelbes Fieber--

Simplizius.  Nu, wenn es nur eine Farb' hat, ich bin mit allen
z'frieden.  (Sieht auf die entgegengesetzte Seite in die Kulisse.)
Sie, da tragen s' ja schon wieder einen?

Epaminondas.  Das geht den ganzen Morgen so, heut ist ein
gefaehrlicher Tag, Ihr duerft Euch in acht nehmen.

Simplizius.  In acht nehmen?  Ja, haben Sie denn etwa die Pest?

Epaminondas.  Nu, jetzt nicht mehr so sehr.

Simplizius.  Nicht mehr so sehr?  Hoeren Sie auf, mir wird voellig
angst.  Ich bitt' Sie, mein lieber--wie heissen Sie?

Epaminondas.  Epaminondas.

Simplizius.  Epaminondas?  Das ist auch ein so ein g'faehrlicher Nam'.
Also, mein lieber Epaminondas, haben Sie die Guete und fuehren Sie
mich wohin, dass ich eine Aufheiterung hab', denn ich bin sehr
miserabel.

Epaminondas.  Ich will dich an einen Ort fuehren, wo du vielleicht
Bekannte findest.

Simplizius..  O, das waer' praechtig.  Wohin denn?

Epaminondas.  In die Fremdengruft; dort liegen alle Fremden begraben,
die seit sieben Jahren in unsere Stadt gekommen sind.

Simplizius.  Alle, ohne Ausnahm'?

Epaminondas.  Ja, ja, alle; du kannst dir gleich dort einen Platz
bestellen.

Simplizius.  Einen Platz soll ich mir bestellen, wie auf einem
G'sellschaftswagen?  Sie wahnsinniger Mensch, was fallt Ihnen denn
ein?  Was ist denn das fuer ein Land?  Das ist eine wahre Marderfallen,
wo man nicht mehr hinaus kann.  Und das erzaehlen Sie einem noch,
Sie abscheul-- wie heissen S'?  Ich habe Ihnen schon wieder vergessen.

Epaminondas (wild).  Epaminondas.

Simplizius.  Der Nam' bringt einen allein schon um.  So widerrufen
Sie doch, Epaminondas, wenn Sie nicht wollen, dass mich die Angst
verzehrt.



Vierundzwanzigste Szene.
Vorige.  Sillius eilig.


Sillius.  Helft, helft, es steht ein Haus in Flammen!

Alles (laeuft ab).  Hilfe, rettet, fort!

Epaminondas (lacht).  Haha, die Toren loeschen dort und jammern sich
bei fremdem Unglueck krank.  Da lach' ich nur, ich bin ein Stoiker,
wer raubt mein Glueck?



Fuenfundzwanzigste Szene.
Vorige.  Argos eilig.


Argos.  Du sollst nach Hause kehrn, Epaminond', dein Sohn ist tot.

Epaminondas (die Haende jammernd ringend).  Mein Sohn!  Mein Sohn!  O
ungluecksel'ger Tag!  Ich ueberleb' ihn nicht!  (Stuerzt mit Argos ab.)



Sechsundzwanzigste Szene.
Simplizius allein, dann zwei Diener des Thestius.


Simplizius (zittert am ganzen Leibe).  Schrecklich, schrecklich!
Stirbt schon wieder eine Familie aus.  Der Stoiker ist g'straft fuer
seinen Uebermut.  Mich fangt eine Ohnmacht ab.  (Setzt sich auf die
Stufen des Palastes.) Wo werden s' da Hofmannische Tropfen haben?
Hilfe, Ohnmacht, Hilfe!

Diener (aus dem Hause).  Du moechtest hinaufkommen, Fremdling, dich
zu laben.

Simplizius (matt).  Laben?  Das ist die hoechste Zeit, dass Sie mich
laben.  Ich komm' schon, nur voraus.

Diener.  Doch nimm dich wohl in acht, die Treppe ist sehr steil, es
haben sich drei Hausgenossen schon das Bein gebrochen.

Simplizius (in hoechster Angst).  Ums Himmels willen, das nimmt ja
gar kein End'.  (Die Knie schnappen ihm zusammen.) Ich trau' mich
gar nicht aufzutreten mehr.  Fuehrt's mich hinein.  (Der Diener fuehrt
ihn unter dem Arm, er spricht unter dem Abgehen:) O schlechtes Volk!
Eine Fremdengruft haben s', das gelbe Fieber, etwas Pest,
Epaminondas--ein' Beinbruch auch.  O Angst, wann ich hier stirb',
mein Leben sehn s' mich nimmermehr.  (Schleppt sich ab, von den
Dienern gefuehrt.)



Siebenundzwanzigste Szene.
(kurzes Gemach in Thestius' Hause mit zwei Seitentueren.)


Thestius.  Ewald.

Thestius.  Du bist gemeldet bei dem Koenig, Fremdling, als unsres
Landes wunderbarer Retter.  Seit fruehmorgens sind schon die Minister
all um ihn versammelt.  An unheilbarem Uebel liegt der Herrliche
danieder, und wie der Mensch durch hoehern Schmerz den mindern nicht
fuehlt, so klagt das Volk mit edler Lieb' bei seines Koenigs hohem
Leid, dass es ob dem Gestoehn' das eigne gross vergisst.

Ewald.  O, wie entzueckend ist es, so geliebt zu sein.

Thestius.  So liebt der Koenig auch sein treubewahrtes Volk, und
gleichen Sieg erringt sein edles Herz.  Wie gluecklich waer' dies Land,
wenn nicht der unbarmherz'ge Fuerst der unterird'schen Schatten--



Achtundzwanzigste Szene.
Vorige.  Hermodius eilig und bestuerzt.


Hermodius.  Wo ist der Weise aus Aegyptens Zauberlande, der Rettung
bietet dem bestuerzten Volk?

Thestius.  Du siehst ihn hier voll sanfter Wuerde stehn.

Hermodius.  Beweisen magst du nun, dass gute Goetter dich mit
wunderbarer Zauberkraft begabt; du musst zum Koenig schnell, es will
sein Geist Elysium erkaempfen, doch sendet Hades schauervolle Bilder,
mit Schreckensnacht sein Auge zu umgarnen, und Furien, furchtbar
anzuschauen, mit Schlangen reich umwunden, auf faulen Duensten
schwebend, durchrauschen das Gemach.  Nun sprich; kannst du des
Orkus Nacht durch Eos' Strahl erhellen?

Ewald..  Ich kann es nicht, den Goettern ist es moeglich, und was ich
bin, ich bin es nur durch sie.

Hermodius.  So eil' mit mir, es ist die hoechste Zeit.

Ewald (umarmt Thestius mit Ruehrung).  Mein Thestius, leb' wohl,
Osiris moege dich fuer deine Guete lohnen.  (Fuer sich mit Schmerz.)
Massana sinkt, ich seh' ihn nimmermehr.  Nun komm, geleite mich, mir
winkt ein grosser Augenblick.

Thestius.  Kehr' bald zurueck, mein Herz erwartet dich.

(Ewald und Hermodius zur Seite ab, Thestius zur entgegengesetzten
Seite ab.)



Neunundzwanzigste Szene.
Simplizius und Arete treten ein.


Arete.  Ach, du armer Mensch, komm doch herein, warum willst du denn
keine Speise nehmen.

Simplizius.  Ich bin ueberfluessig satt, mir liegt das ganze Land im
Magen, drum bring' ich nichts hinein.  Ich verhungre noch vor Angst.

Arete.  Pfui, schaem' dich doch, bist du ein Mann?

Simplizius (beiseite).  Ich weiss selbst nicht mehr, was ich bin.
(Laut.) Vermutlich.

Arete.  Betrachte mich; ich bin ein Maedchen.  Wir haben zwar grosse
Ursache, uns zu fuerchten, man hat heute ein Erdbeben verspuert, dass
die Stadtmauern erzittert haben.

Simplizius.  Jetzt, wenn die Stadtmauern schon zum Zittern anfangen,
was soll denn unsereiner tun?

Arete.  Warum bist du denn aber eigentlich nach Massana gekommen?

Simplizius (zittert).  Weil ich das Land erretten muss.

Arete.  Du?  Ach, ihr guten Goetter, wenn du dich nur nicht vorher zu
Tode zitterst.

Simplizius.  Glaubst?  Das war' sehr fatal.

Arete.  Armer Narr, du dauerst mich.

Simplizius.  Ich dank' ergebenst.  Das Maedel waer' so huebsch, wenn mir
nur nicht die Knie zusamm'schnappeten; ich fanget aus lauter Angst
eine Amour an.

Arete.  Warum blickst du mich so forschend an, was wuenschest du?

Simplizius (fuer sich).  Wenn sie nur in der G'schwindigkeit eine
Leidenschaft zu mir fasset, so koennten wir heut vormittag noch
durchgehn, da kaem' ich doch auf gute Art aus dem verdammten Land.
Sag' mir, liebes Kind, was fuehlst du eigentlich fuer mich?

Arete.  Mitleid, inniges Mitleid!

Simplizius.  Inniges Mitleid?  Aha, sie ist nicht ohne Antipathie fuer
mich.  Koenntest du dich wohl entschliessen--

Arete.  Wozu?

Simplizius.  Die Meinige zu werden.

Arete.  Arete die Deinige?

Simplizius..  Ja, Arete, du hast mein Herz arretiert.

Arete (sehr stolz).  Wer bist du, der du es wagst, um die Hand einer
edlen Massanierin anzuhalten?

Simplizius (beiseite).  Soll ich ihr meinen Stand entdecken?  Nein,
ein mystisches Dunkel muss darueber walten.  (Laut.) Ich bin nicht,
was ich scheine, und scheine auch nicht, was ich bin, und wenn ich
das waere, was ich sein moechte, so wuerd' ich nicht scheinen.  was ich
nicht bin.

Arete.  Ich verstehe dich.

Simplizius.  Da g'hoert ein Geist dazu, ich versteh' mich selber
nicht.

Arete.  Du moechtest gern scheinen, was du nicht bist, und bist doch
so sehr, was du auch scheinst.

Simplizius.  Hat's schon erraten, es ist unglaubbar.  Sag' mir, Maedel,
haettest du wohl den Mut, mich zu entfuehren?

Arete.  Dich?

Simplizius.  Oder umgekehrt.

Arete.  Das heisst, ich soll mit dir mein Vaterland verlassen?  Ich
verstehe dich wohl.

Simplizius.  Hat mich schon wieder verstanden.

Arete.  Damit du mich aber auch verstehst, so will ich dir sagen,
wofuer ich dich halte; Du bist ein unverschaemter, erbaermlicher
Mensch, der es wagt, seine vor Todesfurcht bebenden Lippen zu einer
Liebeserklaerung zu oeffnen und einem edlen Maedchen von Massana seine
krueppelhafte Gestalt anzutragen.  Entferne dich, mit dir zu reden
ist Verbrechen an der Zeit, und wenn du kuenftig wieder ein
Maedchenherz erobern willst, so staehle das deinige erst mit Mut;
mutige Maenner werden geliebt, mutlose verachtet man.

Simplizius.  Da g'hoert ein Stoiker dazu, um das zu ertragen.  Lebe
wohl, du wirst zu spaet erfahren, wen du beleidigt hast.  Ha, jetzt
kann Massana fallen, ich heb's g'wiss nicht auf.

Arete.  Halt, weile noch, erklaere dich, damit ich erfahre, wessen
Antrag mich entwuerdigt hat.

Duett.

Arete.  Wer bist du wohl, schnell sag' es an?

Simplizius.  Ich hab's schon g'sagt, ich bin ein Mann.

Arete.  Wie heissest du, bist du von Adel?

Simplizius.  Ich heiss' Simplizius Zitternadel.

Arete.  Der Name klingt mir sehr gemein.

Simplizius.  Es kann nicht alles nobel sein.

Arete.  Wie kannst du solchen Unsinn sagen?

Simplizius.  Das wollt' ich dich soeben fragen.

Arete.  Dein Aeussres ist mir schon zuwider.

Simplizius.  Das schlaegt mein Innres sehr danieder.

Arete.  So haesslich ist kein Mann hienieden.

Simplizius.  Die Gusto sind zum Glueck verschieden.

Arete.  Wie abgeschmackt der Schnitt der Kleider.

Simplizius (aufbrausend).  Das ist nicht wahr, ich bin--(fasst sich
und sagt gelassen) nur weiter.

Arete.  Nun haettest du dich bald verraten.

Simplizius.  Ja, meiner Seel', jetzt hat's mir g'raten.

Arete.  Du musst mir sagen, wer du bist?

Simplizius.  Ich bin ein Held, wie's keiner ist.

Arete (spoettisch).  Dein Mut ist in der Schlacht wohl gross?

Simplizius.  Ich stech' oft ganze Tag' drauf los.

Arete.  Umsonst verschlingst du schlau den Faden.

Simplizius.  Mir scheint, die Feine riecht den Braten.

Arete.  Mein Argwohn laesst sich nicht mehr trennen.

Simplizius.  Jetzt braucht s' nur noch die Scher' zu nennen.

Arete.  Du bist kein Prinz, gesteh' es mir.

Simplizius (zornig).  Ich bin ein Kleideringenieur!

Arete.  Ha!

(Beide zugleich.)

Ihr Goetter, was hoer' ich, mein Auge wird truebe,
Ein solcher Plebejer spricht zu mir von Liebe,
                    Welch eine Glut,
                    Brennet im Blut;
                    Wuetender Schmerz,
                    Flammet im Herz.
Schnell flieh' ich von hinnen, verberge mich schon,
O folternde Hoelle, beschaemende Reu'!

Simplizius.  Was soll ich es leugnen, 's ist keine Schand',
Denn Achtung verdienet mein nuetzlicher Stand.
                    Ich sag' es g'rad,
                    Ich g'hoer zur Lad';
                    Und meine Scher',
                    Schwing' ich mit Ehr'.
Ich schreit in die Welt hinaus, 's ist meine Pflicht,
Ich bin ja kein Pfuscher, drum schaem' ich mich nicht.

(Beide ab.)



Dreissigste Szene.
(Koenigliches Gemach.)

(Die Hinterwand bildet einen grossen offenen Bogen, vier Schuh
tiefer, eine breite Rueckwand von dunklen Wolken, durch welche man
wie im Nebel eine riesige blaeulichte Figur mit gluehenden Augen
erblickt, welche das Haupt mit einem Kranz von Rosmarin umwunden
hat.  Sie ruht lauernd auf den Wolken, ihren Blick auf Heraklius
heftend, ist mit dem Todespfeil bewaffnet und stellt die alles
vernichtende Zeit in furchtbar drohender Gestalt vor.  Larven
grinsen hie und da aus den sie umgebenden Wolken hervor.  Zwischen
dieser Wand und der Oeffnung des Bogens sieht man vier dunkle
Schatten bei einem offenen Grabe beschaeftigt, aus welchen ein erst
darin versenkter vergoldeter Sarg noch etwas hervorsteht.  Das
Gemach ist dunkel, der Donner rollt.  In einem goldenen Armstuhl
ruht Heraklius, um ihn trauernd die Grossen des Reiches und Diener
des Tempels.  Neben ihm auf einem Marmortisch die Krone.  An den
Kulissen, dem Armstuhl des Koenigs gegenueber, ein auf drei Stufen
erhabener einfacher Sitz.)

Heraklius, Ewald und Hermodius.


Kurzer Chor der Furien.
Wo der Frevler mag auch weilen,
Trifft ihn doch des Orkus Rache,
Und ihr Dolch wird ihn ereilen,
Selbst im goldnen Prunkgemache.


Heraklius (in matter Unruh).
Hinweg, hinweg, du scheusslicher Vampir,
Der frommes Hoffen aus der Seele saugt.

Hermodius (zu Ewald).
Du siehst des guten Koenigs Leiden hier,
Ein Bild, das fuer kein menschlich Auge taugt.

Heraklius.  Wer stoeret meine Pein?

Hermodius.                                      Dein Retter, Herr.

Heraklius.  Umsonst, umsonst, wer bringt die Hoell' zum Weichen?
O Qual, wenn ich doch nicht geboren waer'!

Ewald.  Ich kann, mein Fuerst, den Anblick dir verscheuchen.

Heraklius.  Wenn du's vermagst, ein Fuerstentum zum Lohne.

Ewald.  So hoch schwebt auch der Preis, den ich bestimm',
Ich fordre viel, ich fordre deine Krone.

Heraklius.  Sie war mein Stolz--vorbei--verscheuch'--nimm--nimm!

Ewald (zu den Edlen).
Ihr habt's gehoert, seid ihr damit zufrieden?

Alle (dumpf und halblaut).
Wenn dich der Koenig waehlt, waehlt dich das Reich.

Ewald.  So will ich ueber dieses Schauertum gebieten,
Bei Isis' Donner, Truggewoelk' entfleuch!

(Donnerschlag, er schwingt die Fackel, die Hinterwand entweicht,
Grab und Schatten verschwinden, ein tiefes Wolkentheater zeigt sich,
es stellt ein praktikables Wolkengebirge vor.  Oben quer vor der
Hinterwand eine goldene Mauer und ein goldenes Tor.  Hinter diesem
strahlt heller Sonnenglanz, der sich im Blau des Himmels verliert,
das mit Sternen besaeet ist.  Am Fusse dieses Gebirges beim Ausgange
sitzt auf einem Piedestal Thanatos wie in der frueheren Szene, doch
mit der brennenden Fackel.  Sphaerenmusik ertoent.  Heraklius' Gestalt
wird von Genien mit Rosenketten ueber den Wolkenberg geleitet, bis
zu dem goldenen Tor, dort sinkt sie nieder.  Die Musik waehrt leise
fort.)

Heraklius.  O suesser Seelentrank aus himmlischem Gefaess,
O Lust, gefuehlt durch neu erschaffnen Sinn,
Wenn ich auch tausend Kronen noch besaess',
Ich geb' sie gern fuer diesen Anblick hin.
O kroent ihn noch an meinem Sterbebette,
Er wird mein fluchzerruettet Land begluecken.
   (Nun oeffnet sich das goldene Tor, eine glaenzende Goettergestalt
tritt heraus.)
Mir ist so leicht, es schmilzt die ird'sche Kette,
Mein Geist entflieht, o unnennbar Entzuecken!

(Thanatos stuerzt mildlaechelnd die Fackel um, die verlischt,
zugleich drueckt die Goettergestalt den Koenig an die Brust, sein
Kleid verschwindet, und er steht im weissen Schleiergewande da,
welches rosig bestrahlt wird.  Genien bilden eine Gruppe.  Heraklius'
Haupt sinkt sanft auf seinen Busen, Ewald loescht die Fackel aus,
und der das Gemach schliessende Vorhang rauscht langsam und leise
herab, die Musik verhallt.  Feierliche Pause, Ruehrung in jeder Miene.)



Hermodius.  Es ist vorbei, er musste von uns scheiden.
Ein koenigliches End', durch Ruhm verklaert.
Wer so beglueckt vergeht, ist zu beneiden,
Beim Zeus, so ist der Tod ein Leben wert!
   (Man bedeckt Heraklius mit einem seidnen Mantel.)
Nun lasst sein letzt Gebot uns schnell benuetzen,
Denn ohne Koenig kann das Land nicht sein.

Adrasto (nimmt die Krone und stellt sich vor Ewald hin).
Wie Goetter dich, so wirst du uns beschuetzen,
Drum nimm den Platz auf jenen Stufen ein.

(Ewald besteigt die Stufen, auf welchen der Sitz angebracht ist.)

Ewald (fuer sich).  Es bebt mein Herz, mich fasset Todesschrecken.

(Kniet nieder.)

Alle.  Wir huld'gen dir als Herrscher ehrfurchtsvoll.

(Knien.)

Adrasto.  So mag die Kron' dein weises Haupt bedecken,
Sei Koenig--herrsch'--

Bei dem letzten Worte hat er ihm die Krone aufs Haupt gesetzt, doch
ohne die geringste Pause stuerzt unter schrecklichem Gekrach der
Saal zusammen.  Der Bogen und die Kulissen bilden Berge von Schutt,
welche die Spielenden dem Auge des Publikums entziehen.  Im
Hintergrunde zeigt sich das Meer, das zwischen die Schuttberge des
Saales hereindringt und aus dem in der Ferne die versunkenen Tuerme
von Massana hervorragen.  Die Stufen, wo Ewald kniet, verwandeln
sich in Wolken, worauf er bis in die Mitte des Theaters schwebt und
wehmuetig ausruft:

Massana, lebe wohl!

Er schwingt seine Fackel, um den traurigen Anblick zu verschoenern
und faehrt fort.  Die aus dem Meere hervorragenden Truemmer und der
Schutt des Saales verwandeln sich in zarte Rosenhuegel.  Die Luft
wird rein, und das Ganze strahlt im hellsten Rosenlichte.

(Der Vorhang faellt langsam).

Ende des ersten Aufzuges.




Zweiter Aufzug.



Erste Szene.
(In Agrigent.)

Ein anderer Teil des Waldes am roten See, welcher praktikabel ist.
Androkles, Clitonius und Jaeger treten mit Wurfspiessen bewaffnet auf.


Jaegerchor.
       Jaegerlust muesst' bald erschlaffen,
Gaelt' die Jagd nur feigen Affen;
Doch wenn durch der Waelder Stille
Maechtig toent des Leus Gebruelle,
Hier die grausame Hyaene
Fletscht die moerderischen Zaehne,
Dort, eh' man den Wurfspiess schwingt,
Aus dem Busch der Tiger springt,
Dann beginnt des Waldes Krieg.
Falle, Jaeger, oder sieg'!


Androkles (zu den Jaegern).  Verteilt euch, wie ihr wollt, der Koenig
jagt allein, ihr moegt euch hueten, seinem Feuerblick zu nahen, der
zornigflammend durch des Forstes Dunkel blitzet.

(Alle bis auf Clitonius und Androkles ab.)



Zweite Szene.
Androkles und Clitonius.


Androkles.  O mein Clitonius, was mussten wir erleben, die hohen
Goetter sind aus Agrigent gewichen.

Clitonius.  Wo mag wohl unser edler Koenig weilen, den seines Hauses
Laren treu gerettet haben.  Koennt' er doch sehn, wie sich sein armes
Volk betruebt.

Androkles.  Wer freut sich nun in Agrigent?  Der Wahnsinn lacht
allein, gesundes Hirn muss trauern.  Ist doch Phalarius selbst,
seitdem die Hoellenkron' auf seinem Haupte brennt, als haett' des
Unmuts Dolch sein falsches Herz durchbohrt.  Weisst du, warum die
Jagd nun tobt?  Aspasia ist nicht mehr.

Clitonius.  Aspasia?  Die Schwester unsers teuern Koenigs Kreon?  Die
herrliche Aspasia?

Androkles.  Sie war's allein, der Phalarius an dem verhaengnisvollen
Tag des schauerlichen Ueberfalls das Leben liess, weil er als
Feldherr schon fuer sie in Lieb' entbrannt.  Seit er das Reich
besitzt, bestuermt er sie mit Bitten und mit Drohungen, sie moechte
ihre Hand ihm reichen, er wolle ihr dafuer drei Koenigreiche bieten;
doch wie sie ihn und seine Kron' erblickt, da sinkt sie zitternd
vor ihm nieder und kruemmt sich zu dieses Wuetrichs Fuessen, beschwoert
mit Traenen ihn, von ihr zu lassen, es gaeb' fuer seine Kron' auf
Erden keine Liebe.  Doch er reisst sie mit Ungestuem an seine
Eberbrust und will dem keuschen Mund den ersten Kuss entreissen; da
wandeln sich der Lippen gluehende Korallen in bleiche Perlen um, des
Auges Glanz erstirbt, des Todes Schauer fassen ihre Glieder, die
Angst, dass sie der Kron' so nah', bricht ihr das Herz, kalt und
entseelt haelt sie Phalarius, vor Schreck erbleichend, in den Armen.

Clitonius.  Entsetzlich Glueck, sich so gekroent zu wissen.

Androkles.  Da fasst ihn eine Wut, er tobt, dass des Gemaches Saeulen
beben; Zur Jagd!  ruft er, hetzt mir des Waldes Tiger all' auf mich,
die Erd' wuehlt auf, dass Ungeheuer ihr entkriechen, die sich noch
nie ans Sonnenlicht gewagt, gebt Nahrung meinem Pfeil, damit mein
Hass umarmen kann, weil Lieb' mein Herz so unbarmherzig flieht.  So
stuerzt er fort zur Jagd, und zitternd beugt vor ihm der schwarze
Forst sein sonst so drohend Haupt.

Clitonius.  Da wird uns wohl der Morgenstrahl im Wald begruessen.

Androkles.  Der Abend kaum, denn eh' der Mond sich noch auf des
Palastes Zinnen spiegelt, verbirgt er sich in ein Gemach, aus
Marmor fest gewoelbt, ganz oeffnungslos, damit kein Strahl des Mondes
kann sein Haupt erreichen, weil seine Kron', so sagt Dianens weiser
Diener, die Kraft verliert, solang' des Mondes Licht auf ihren
Zacken ruht.  Und weil in dieser Zeit sein Leben nicht gesichert ist,
verriegelt er die Tuer aus festem Ebenholz; doch ohne Mondenglanz
kann nie ein Pfeil ihn toeten, und kraftlos sinken sie zu seinen
Fuessen nieder.

Clitonius.  Sprich nicht so laut, es rauscht dort im Gebuesch.

Androkles (schwingt den Wurfspiess).  Ein Tiger ist's.

Clitonius.  Nein, nein, es ist Phalarius, dich taeuscht sein
Pantherfell; wir sind verloren, wenn er uns gehoert.

Androkles.  Schweig still, er raset dort hinueber dem Loewen nach, der
aengstlich vor ihm flieht.  Komm, lass uns auch vor diesem Koenigstiger
fliehn, wenn Loewen weichen, duerfen Menschen sich der Flucht nicht
schaemen.

(Beide aengstlich ab.)



Dritte Szene.
Musik.  Lulu und Fanfu, gefluegelte Genien, bringen Zitternadel in
einem grossen Schal, welchen sie an beiden Enden halten, als truegen
sie etwas in einem Tuche, durch die Luft.  Sie stehen auf Wolken,
und der Schal ist ein Flugwagen und so gemalt, dass Zitternadel
gekruemmt wie ein Kind darin liegt und kaum sichtbar ist.  Er ruht
auf der Erde, der Schal fliegt wieder fort.


Lulu.  So steig nur heraus, du tapfres Hasenherz, hier sind wir
schon in Sicherheit.

Fanfu.  Nun, Schnecke, streck' den Kopf heraus.

Zitternadel (steckt den Kopf heraus).  Wo sind wir denn?  Ich muss
erst meine Gliedmassen alle zusamm'suchen.  (steigt aus, die Genien
helfen ihm.) So, ich dank' untertaenigst, das sind halt Kinderln,
wie die Tauberln.  Au weh, so ein Erdbeben moecht' ich mir bald
wieder ausbitten.  Ich schau' beim Fenster hinaus in meiner
Schuldlositaet, auf einmal fangt's zum krachen an, als wenn die
ganze Welt ein Schubladkasten waer', der in der Mitte
voneinanderspringt, und ich stuerz' ueber den siebenten Stock
hinunter, die zwei Kinderln fangen mich aber auf und fliegen mit
mir davon.  Kaum sind wir in der Hoeh', macht es einen Plumpser, und
die ganze Stadt rutscht aus und fallt ins Wasser hinein.  Der arme
Dichter hat sich eintunkt mit seiner Weisheit.  O ungluecksel'ger Tag!
Weil nur ich nicht ins Wasser g'fallen bin, die Schneiderfischeln
haetten's trieben.  Ueberhaupt, wenn die Fisch' die Zimmer unterm
Wasser sehn, die werden sich kommod machen.  Wenn so ein Walfisch
unter einem Himmelbett schlaft, der wird Augen machen.  Zwar dass ein
Stockfisch auf einem Kanapee liegen kann, das hab' ich an mir
selber schon bemerkt.  Wenn nur keiner in eine Bibliothek
hineinschwimmt, denn da kennt sich so ein Vieh nicht aus.  O, du
lieber Himmel, ich werd' noch selbst ein Fisch aus lauter Durst.
(Kniet nieder.) Liebe Kinderln, seid's barmherzig, lasst mir etwas
zufliessen, sonst muss ich verdursten.

Lulu.  Dein Durst ist uns recht lieb, wir haben dich darum hierher
gebracht, um dich zu waessern.

Simplizius.  So waessert's mich einmal, ich kann's schon nicht
erwarten.

Lulu.  Trink dort aus jenem See.  Hier hast du eine Muschel.  (Holt
eine vom Gestade.)

Simplizius.  Der rotkoepfige See?  Aus dem trau' ich mich nicht zu
trinken.

Lulu und Fanfu (streng).  Du musst.

Simplizius (faellt auf die Knie).  O, meine lieben Kinderln, seid nur
nicht boes', ich will ja alles tun aus Dankbarkeit.  Ich sauf' wegen
meiner das ganze rote Meer aus, und das schwarze auch dazu.

Lulu (reicht ihm eine Muschel voll Wasser).  Trink, es scheint nur
rot zu sein, es ist doch reiner als Kristall.

Simplizius.  So gib nur her.

Fanfu.  Er trinkt, nun wird er blutdurstig werden.

Simplizius (zittert mit der Muschel).  Ich zittr' wie ein
hundertjaehriger Greis.  (Trinkt.) Ah, das ist ein hitziges Getraenk,
wie ein Vanili Rosoglio.  (Rollt die Augen.) Was geht denn mit mir
vor?  Potz Himmel tausend Schwerenot!

Lulu (zu Fanfu).  Siehst du, es wirkt, er wird gleich eine andere
Sprache fuehren.  (Beide naehern sich ihm sanft.) Was ist dir, lieber
Zitternadel?

Simplizius (wild).  Still, nichts reden auf mich, Ihr Bagatellen!
Ich begreif' nicht, was das ist, ich krieg' einen Zorn wie ein
kalekutischer Hahn, und weiss nicht wegen was.  Wenn ich ihn nur an
jemand auslassen koennt'.  Bringt mir einen Stock, ich wichs' mich
selbst herum.

(Die Genien lachen heimlich.)

Simplizius.  Ja, was ist denn das?  Ihr seid ja zwei gottlose Buben
uebereinander, ihr seid ja in die Haut nichts nutz, euch soll man ja
haun, so oft man euch anschaut.  Das seh' ich jetzt erst.

Die Genien (nahen sich bittend).  Aber lieber Zitternadel!

Simplizius (reisst einen Baumast ab).  Kommt mir nicht in meine Naeh',
oder ich massakrier' euch alle zwei.

Lulu.  So hoer' uns doch; du musst nach Kallidalos fliegen, dort
findest du den Dichter, deinen Freund.

Simplizius.  Nu, der soll mir traun, den hau' ich in Jamben, dass die
Fuess' herumkugeln.  Jetzt macht fort und schafft mir ein kolerisches
Pferd, dass ich durch die Luft reiten kann!

Lulu.  Ein kolerisches Pferd?  das wirft dich ja herab.

Simplizius.  So bringt's mir einen Auerstier, der wirft mich wieder
hinauf.

Lulu.  Nu, wie du willst.  (Er winkt, ein gefluegelter Auerstier
erscheint in den Wolken.) Ist schon da.

Simplizius.  Ha, da ist mein Araber.  Jetzt wird galoppiert.  Setzt
euch hinauf, auf die zwei Hoerndl.

Lulu.  Ah, wir getrauen uns nicht.  Reit nur voraus, wir kommen dir
schon nach.  (Laufen ab.)

Simplizius.  Ha, feige Brut!  (Steigt auf).  Da bin ich ein andrer
Kerl.  Jetzt kann mir 's Rindfleisch nicht ausgehn, ich bin versorgt.
Hotto, Schimmel!  Das versteht er nicht.--Bruaho!  (Der Stier fliegt
ab.) Jetzt geht's los.



Vierte Szene.
Tiefere Felsengegend, in der Ferne Wald, auf der Seite eine
Waldhuette.  In der Mitte steht Phalarius mit einem goldenen
Wurfspiess bewaffnet, vor ihm liegt ein Loewe und zittert.


Phalarius.  Was zitterst du entnervt, verachtungswuerd'ger Leu,
Und beugst den Nacken feig vor meiner Krone Glanz?
Mich ekelt Demut an, weil ich den Kampf nicht scheu',
Nie schaende meine Stirn solch welker Siegeskranz.
Wofuer hat Jupiter so reichlich dich begabt?
Wozu ward dir die Maehn', das Sinnbild hoher Kraft?
Der stolze Gliederbau, an dem das Aug' sich labt?
Das drohende Gebiss, vor dem Gewalt erschlafft?
Der Donner des Gebruells, der Panzer deiner Haut?
Erhieltst du all die Macht, um maecht'ger zu erbeben?
Schaem' dich, Natur, die du ihm solchen Thron erbaut,
Da liegt dein Herrscher nun und zittert fuer sein Leben.
   (Heftiger)
Du hast mit Schlangen, Luchs und Panthertier gestritten;
So reg' dich doch und droh' auch mir mit maecht'ger Klau'.
Du edelmuet'ges Tier, so lass dich doch erbitten,
Verteid'ge dich, damit ich Widerstand erschau'.
Wie kann ein Koenig noch zu einem andern sprechen.
Mach' mich nicht rasend, denk', du bist zum Streit geboren.
Doch nicht?  Wohlan!  So will ich euch, ihr Goetter, raechen.
Er ehrt sein Dasein nicht, drum sei's fuer ihn verloren.
   (Er toetet ihn, stoesst ins Horn, Jaeger erscheinen und beugen sich
erschrocken.)
Bringt mir den Loewen fort, ich kann ihn nicht mehr sehen.
   (Der Loewe wird fortgebracht, er steht nachdenkend mit
verschlungenen Armen.)
Wozu nuetzt mir Gewalt, wenn sie mich so erhebt?
Koennt' ich die Erde leicht gleich einer Spindel drehen,
Es waere kein Triumph, weil sie nicht widerstrebt.
Aspasia tot, durch meiner Krone Dolch entseelt.
Abscheul'che Hoelle, so erfuellst du mein Begehren?
Wer war noch gluecklich je, dem Liebe hat gefehlt?
Die groesste Lust ist Ruhm, doch Lieb' kann sie vermehren,
Doch meine Lieb' heisst Tod, wer mich umarmt, erblasst.
Unsel'ges Diadem, dass du mein Aug' entzuecktest,
Tief quaelendes Geschenk, schon wirst du mir verhasst,
Ich war noch gluecklicher, als du mich nicht begluecktest!
Aeol, der oft die Majestaet der Eichen bricht,
Und so am Haupt des Walds zum Kronenraeuber wird,
Sag'!  warum sendest du die geile Windsbraut nicht,
Dass sie die Kron' als gluehnden Braeutigam entfuehrt?
   (Die Jaeger kommen zurueck, er setzt sich auf einen Fels.)
Ich wuenschte mich mit etwas Traubensaft zu laben,
Der eigennuetz'ge Leib will auch befriedigt sein.

Erster Jaeger.  Den kannst du, hoher Fuerst, aus jener Huette haben,
   (Klopft an)
He, Alter, komm heraus und bringe Wein.

Phalarius.  Wer ist der Mann, der hier so tief im Walde wohnt?

Erster Jaeger.  Ein Feldherr war er einst, nun lebt er als ein Bauer.

Phalarius.  Welche Erniedrigung, wer hat so schimpflich ihn belohnt?



Fuenfte Szene.
Vorige.  Der alte Octavian froehlich aus der Huette, einen Becher Wein
tragend.


Octavian.  Komm schon, ein froh Gemuet ist immer auf der Lauer.
   (Erblickt die Krone und sinkt nieder.)
Ha, welch ein Blick umschlaengelt feurig meine Augen?.
Es krachet mein Gebein und sinket in den Staub.

Phalarius.  Lass sehen, ob dein Wein wird meinem Durste taugen.
   (Will trinken.)
Doch sag', warum verbirgst du dich so tief im Laub?

Octavian.  Gewaehr', dass ich den Blick von deiner Krone wende,
Wenn du willst Wahrheit hoeren, und sie dein Ohr erfreut.

Phalarius.  Ich hasse den Betrug, steh auf und sprich behende.

Octavian (steht auf, doch ohne Phalarius anzusehen--froehlich).
Mich freut der gruene Wald, beglueckt die Einsamkeit,
Ich hab' sie selbst gewaehlt, lieb' sie wie einen Sohn.
Ich bin nicht unbeweibt, mein Herz schlaegt lebenswarm,
Glueh' fuer mein Vaterland, sprech' seinen Feinden Hohn,
Und wenn es mein bedarf, weih' ich ihm Kopf und Arm,
Sonst bau' ich froh mein Feld, ein zweiter Cincinnat.

Phalarius.  Ein kluger Lebensplan, wenn du bloss Landmann waerst,
Dann bau' nur deine Flur, so dienst du treu dem Staat.
Als Feldherr hoff' ich, dass zu herrschen du begehrst.

Octavian.  Ich herrsche ja, wer sagt, dass ich nur Diener bin?
Weisst du denn nicht, dass jedes Ding der Welt ein Herrscher ist?
Die Goetter herrschen im Olymp mit hohem Sinn,
Auf Erden Koenige, so weit ihr Land nur misst,
Der ganze Staat, wie es Gesetz und Fuerst befiehlt,
Ein jeder dient und hat doch auch sein klein Gebiet.
Und so wird eines jeden Dieners Lust gestillt.
Der Saenger herrscht durch edlen Geist in seinem Lied,
Der Liebende in der Geliebten schwachem Herzen;
Der Vater wacht im Haus fuer seiner Kinder Heil;
Der Arzt beherrscht der Krankheit widerspenst'ge Schmerzen;
Der Fischer seinen Kahn, der Jaeger seinen Pfeil;
Kurz, jeder hat ein Reich, wo seine Krone blitzt,
Der Sklave selbst an Algiers Strand, der aermste Mann,
Der auf der Erde nichts als seine Qual besitzt,
Hat einen Thron, weil er sich selbst beherrschen kann.

Phalarius (der waehrend der Rede mit Erstaunen gekaempft, schleudert
den Becher fort).
Genug, ich trinke nicht den wortvergaellten Wein,
Nicht Labung reichst du mir, du traenkest mich mit Gift,
Du waerst vergnuegt und herrschest nicht?  Es kann nicht sein!

Octavian.  Das bin ich, Herr, selbst dann, wenn mich dein Zorn auch
trifft.

Phalarius.  Unmoeglich, widerruf, dass du dich gluecklich fuehlst,
Es gibt bei solcher Kraft nicht solchen Seelenfrieden,
Du weisst nicht, wie du tief mein Inneres durchwuehlst.
O Goetter, welche Pein erlebe ich hienieden,
Dass ich nicht froh sein kann und Frohsinn schauen muss.
Gesteh, du bist kein Held, warst nie auf Ruhm gebettet,
Du warst nie Feldherr, nein, regiertest stets den Pflug.

Octavian.  Ein Knabe warst du kaum, als ich das Reich errettet.
Ich bin Octavian.

Phalarius.                    Der einst die Perser schlug?

Octavian.  So ist's.

Phalarius (entsetzt, wie aus einem Traum erwachend, aufschreiend).
                     Aus meinem Land, verhasstes Meteor!
Dass meines Ruhmes Licht vor deinem nicht erlischt.
Du koemmst mir wie ein list'ger Rachedaemon vor,
Der aus der Rose Schoss als gift'ge Schlange zischt.
Entfleuch, du bist verbannt, gehoerst dem Land nicht an.
Dein Glueck ist Heuchelei, es kann sich nicht bewaehren,
Hinweg aus meinem Reich mit solch verruecktem Wahn,
Du darfst nicht gluecklich sein, sonst muesst' ich dich verehren.

(Ab, die Jaeger folgen scheu.)



Sechste Szene.


Octavian (allein).
Da geht er hin, ungluecklicher als der, den er verjagt.
Du bist verbannt, wie leicht sich doch die Worte sprechen;
So froehlich erst, und nun so bitter zu beklagen,
Doch nein, ich bin ein Mann, du sollst mein Herz nicht brechen.

(In die Huette ab.)



Siebente Szene.
Romantische Gegend auf Kallidalos.  Auf der einen Seite Haeuser, auf
der anderen Wald.  Lucina und Ewald, die Krone auf dem Haupte,
treten auf.


Lucina.  Du bist hier aus der kallidal'schen Insel, erhole dich von
deinem Schreck.

Ewald.  Vergib, dass meine Nerven aengstlich zucken, noch ist die
Greuelszene nicht aus meinem Hirn entwichen, und nimmer moecht' ich
solchen Anblick mehr erleben.

Lucina.  Hier wirst du leichteren Kampf bestehn, mein armer Koenig
ohne Reich.  Nun horch' auf mich: Auf dieser Insel herrscht die
feine Sitte, dass sich der Koenig und die Edelsten des Volkes am
ersten Fruehlingstag im Tempel dort versammeln; von allen Maedchen
dieses Reichs, die zart geputzt dem koeniglichen Aug' sich zeigen,
ernennet er die Schoenste als des Festes Herrscherin und schmueckt
das wunderholde Haupt mit einer Rosenkrone.  Dann waehlet er aus
ruest'ger Juenglingsschar den Tapfersten, der sich nicht weigern darf,
und schenkt ihm ihre Hand, nachdem er ihn zuvor zu einem Amt
erhebt.  Das Brautpaar wird sogleich an Cyprias Altar vermaehlt; so
endet sich das Fest und dieses Tages Jubel.  Du sorgst, dass dieser
Preis auf einem Haupte ruht, das sechzig Jahre schon des Lebens
Mueh' getragen.  Doch duerfen es nicht Rosen zieren, ein Myrtendiadem
muss auf der Stirne prangen, durch Weiber aufgedrueckt, die neidisch
nach der Krone blicken, nach der sie selbst vergebens ringen.
Wodurch du dies bezweckst, wirst du wohl leicht erraten, die deine
leg' nun ab, ich will sie selbst verwahren.  (Ewald kniet sich
nieder, zwei Genien erscheinen aus der Versenkung, sie nimmt ihm
die Krone ab.) Sie ziemt nicht deiner Stirn.  (Gibt die Krone den
Genien.) Bewahrt sie wohl, beherrscht sie auch kein Reich, wird sie
doch viele Reiche retten.  (Die Genien versinken damit.) Hast du nun
einen Wunsch, so sprich ihn aus!

Ewald.  Ob mein Begleiter lebt, dies wuensch' ich wohl zu wissen,
auch seiner Sendung Zweck ist mir ein Raetsel noch.

Lucina.  Er lebt.  Wozu ich ihn bestimmt, wird sich noch heut
enthuellen, bald siehst du ihn, doch magst du nicht ob der
Veraendrung staunen, die sein Gemuet erlitten hat, sie waehret nur so
lang bis so viel Blut durch seine Hand entstroemt, als Wasser er aus
meinem Zaubersee getrunken.

Ewald.  Wie, einen Moerder werde ich in ihm erblicken?

Lucina.  Sei ruhig nur, ich lenke seinen Arm, befolge du nur mein
Geheiss und fordre dann den Lohn.  Fuer alles andre lass die hohen
Goetter sorgen, die oft durch weise Wahl gemeine Mittel adeln, dass
sie zu hohen Zwecken dienen.  (Ab.)



Achte Szene.


Ewald (allein).  Dies scheinen mir die letzten Haeuser einer grossen
Stadt zu sein.  Ich will an eine dieser Pforten pochen, vielleicht
erscheint ein altes Weib, deren Geschwaetzigkeit mir schnellen
Aufschluss gibt, und das ich gleich zu meinem Plan verwenden kann.
(Er klopft an die Tuer des ersten Hauses.)

Atritia (sieht zum Fenster heraus).  Wer pocht so ungestuem?  Weisst du
noch nicht, dass dieses Tor sich keinem Manne oeffnet.

Ewald (fuer sich).  Himmel, welch ein liebenswuerdiger Maedchenkopf.

Atritia.  Dein Staunen ist umsonst.

Ewald (fuer sich).  Sanftmut lauscht in ihrem Auge--

Atritia.  Taeusche dich nicht.

Ewald (fuer sich).  Und zeigt den Weg zu ihrem Herzen.

Atritia.  Es ist zu fest verschlossen.

Ewald (fuer sich).  Ich muss mein Glueck benuetzen.

Atritia.  Du kommst mir nicht herein, das sag' ich dir.

Ewald.  Schoenes Maedchen, eroeffne doch die Pforte, ich will so leise
ueber ihre Schwelle gleiten, als schlich' ein Seufzer ueber deine
suessen Lippen.

Atritia.  Er ist ein feiner Mann und hat mich suess genannt, nun kann
ich ihm denn doch nichts Bittres sagen.  Gern liess' ich dich herein,
doch darf ich nicht.

Ewald.  Wer hat es dir verboten?

Atritia.  Meine Muhme, sie sagt; du lassest keinen Mann mir ueber
diese Schwelle treten.  Es ist ein hart Gebot, doch muss ich es
befolgen, sonst wuerd' ich gern in deiner Naehe sein, denn du
gefaellst mir wohl.

Ewald.  Nun gut, so komm zu mir heraus.  Hat sie dir denn gesagt, du
darfst zu keinem Manne ueber diese Schwelle treten?

Atritia (unschuldig).  Das hat sie nicht gesagt.  Jetzt bin ich schon
zufrieden und komm zu dir hinaus.



Neunte Szene.
Ewald und Atritia.


Ewald.  Noch nie hat mich der Anblick eines Maedchens so entzueckt.

Atritia (huepft heraus).  Also hier bin ich, was hast du zu fragen?

Ewald.  Ob du mich liebst?

Atritia.  Wie kann ich dich denn lieben, ich weiss ja noch nicht, ob
du liebenswuerdig bist.

Ewald.  Ja, wenn ich dir das erst erklaeren soll, dann hast du mir
die Antwort schon gegeben.

Atritia.  Bist du vor allem treu?  Bekleidest du ein Amt?  Bist du
vielleicht ein Held?  So geh hinaus und kaempfe mit dem Eber, und
hast du ihn erlegt, so kehr' zurueck und wirb um meine Hand.

Ewald.  Ein Eber ist hier zu bekaempfen?

Atritia.  Ein maechtig grosser noch dazu.  So gross fast wie ein Haus,
so hat mir meine Angst ihn wenigstens gemalt.

Ewald.  Hast du ihn schon gesehn?

Atritia.  Ei freilich wohl, er naehert sich der Stadt, verwuestet alle
Fluren und hat ein Maedchen erst zerrissen, das heute als die
Schoenste waer' gewiss erwaehlt worden.

Ewald.  Ist heut dieses Fest?

Atritia.  Ja, heute soll es sein, der Tempel ist schon reich
geschmueckt, und alle Maedchen dort versammelt, doch als der Koenig
eben sich dahin begeben wollte, im feierlichen Zug der Krieger, da
kam die Nachricht schnell, dass sich der Eber zeigt und auf den
Feldern wuetet.  Da liess der Koenig alles, was nur Waffen trug, zum
blut'gen Kampfe gegen den Eber ziehn.  Drum findest du die Strassen
leer.

Ewald.  Dann ist die hoechste Zeit, dass ich zu Werke schreite.  Ich
bin ein Mann von Ehre und deiner Liebe wert, doch sag' mir, holdes
Kind, wo find' ich wohl ein altes Weib mit sechzig Jahren, das noch
so eitel ist, dass sie fuer schoen sich haelt?

Atritia.  Wo finde ich sie nicht, so solltest du mich fragen, die
gibt's wohl ueberall, das hab' ich oft gelesen.  Obwohl die Frage
nicht sehr artig ist, so wirst du gar nicht lange suchen duerfen,
wenn du noch eine Weile mit mir sprichst, denn meine Muhme wird
bald nach Hause kommen und dich von ihrer Tuer verjagen.

Ewald.  Ist sie so boese?

Atritia.  Leider ja.  Als meine Mutter starb, ward ich ihr uebergeben
und vieles Geld dazu.  Sie musste mich erziehen, das tat sie auch,
doch von dem Gold, was ihr die Mutter hat fuer mich zum Heiratsgut
vertraut, da will sie gar nichts wissen.  Sie schlaegt mich auch,
wenn sie oft Langeweile hat, erst gestern noch, weil ich mich zu
dem Feste schmuecken wollte, das gab sie denn nicht zu, sie sagt,
mich braucht kein Mann zu sehen.  Das hat mich sehr geschmerzt, ich
wuensche mir doch einen Mann, und wie soll mich denn einer frein,
wenn mich nie einer sieht?

Ewald.  Da sprichst du wahr, doch einer hat dich ja gesehn.

Atritia.  Und das bist du.  Doch wann wirst du mich wiedersehn?

Ewald.  Ist es dein Wunsch?

Atritia.  Ei frag' doch nicht, glaubst du, ich waer' zu dir
herabgekommen, wenn du mir nicht gefallen haettest, du stuendst noch
lange vor der verschlossnen Tuer, wenn du durch deinen Blick mein
Herz nicht frueher aufgeschlossen haettest.  Doch jetzt leb' wohl und
denk' darum nicht arg von mir, weil ich dir sag', dass ich dich
liebenswuerdig finde.  Dafuer werd' ich's auch keinem andern sagen
mehr, und hab' es keinem noch gesagt.

Ewald.  Bezauberndes Geschoepf, willst du mich schon verlassen?

Atritia.  Ich muss, such' deine Alte nur, hoerst du, und hast du sie
gefunden (droht schalkhaft mit dem Finger), vergiss nicht auf die
Junge!  (Laeuft ins Haus.)



Zehnte Szene.
Ewald allein, dann Simplizius.


Ewald.  Da laeuft sie hin; Lucina, wenn ich Lohn von dir begehr', so
ist es dieses Maedchens reizender Besitz.

Simplizius (ruft in der Luft).  Bruaho!

Ewald.  Wer galoppiert da durch die Luft?  Das ist Simplizius auf
einem Stier!

Simplizius (sinkt nieder).  Halt' Er an!  (Steigt ab.) So, da sind
wir alle zwei.  Nur wieder nach Hause ins Bureau!  (Der Stier fliegt
fort, Simplizius ruft nach.) Meine Empfehlung an die andern.

Ewald.  Simplizius, wo nehmen Sie den Mut her, sich so durch die
Lust zu wagen?

Simplizius.  Geht Ihnen das was an?  Haben Sie sich darum zu
bekuemmern?  Kann ich nicht reiten, auf was ich will?  Glauben Sie,
weil Sie vielleicht auf einer flanellenen Schlafhauben
heruebergeritten sind, so soll ich meine Herkulesnatur verleugnen?
Ah, da hat es Zeit bei den Preussen!

Ewald.  Aber mit welchem Rechte?

Simplizius.  Was, mit mir reden Sie von einem Recht, da kommen Sie
an den Unrechten.  Recht?  Wollen Sie vielleicht einen Prozess
anfangen?  Glauben Sie, ich bin ein Rechtsgelehrter, der sich links
hinueber drehen laesst?  Da irren Sie sich!

Ewald.  Welch ein Betragen!

Simplizius.  Was Betragen, wer wird sich gegen Sie betragen?  Ich
betrag' mich gar nicht, um keinen Preis.

Ewald (veraechtlich).  Gemeiner Wicht.

Simplizius.  Keine Beleidigung, junger Mensch, wenn ich nicht
vergessen soll, wer ich bin.

Ewald (lacht heftig).  Das ist zum Totschiessen.

Simplizius.  Vom Totschiessen reden Sie?  Wollen Sie sich duellieren
mit mir auf congrevische Raketen, oder sind Ihnen die vielleicht zu
klein, so nehmen wir ein jeder ein Haus und werfen wir's einer dem
andern zum Kopf, damit die Sach' ein Gewicht hat.  Wollen Sie?

Ewald.  Beim Himmel, wenn mich Lucina nicht gewarnt haette, ich muesste
ihn zuechtigen.

Simplizius.  Zuechtigen?  Ha, beim--wie heisst der Kerl?--Ha, beim Zeus,
jetzt gibt's Pruegel.  (bricht mit dem Fuss einen Baumast entzwei und
gibt ihm die Haelfte.) Nehmen Sie einen, die andern kommen nach.

Ewald.  Was wollen Sie?

Simplizius.  Satisfaktion will ich, Reimschmied!  (Packt ihn an der
Brust.)

Ewald.  Welch eine Kraft!  Lassen Sie mich los, Sie wuetender Mensch.
(Entspringt.)



Elfte Szene.


Simplizius (allein).  Wart', du kommst mir schon unter die Haend'.  Es
ist erschrecklich, ich kann mir nicht helfen, wie ich nur einen
Menschen seh', so moecht ich ihn schon in der Mitt' voneinander
reissen.  Wenn ich nur einen Degen haett' oder ein Stiffilett, oder
wenn ich wo unter der Hand billige Kanonen zu kaufen bekaem', ich
erschiesset die ganze Stadt und die Vorstaedt' auch dazu.  Da kommen
einige, die sollen sich freun.



Zwoelfte Szene.
Simplizius.  Olinar und Astrachan.


Olinar (ein fetter Mann).  Wer laermt denn hier so auf der Strasse?
Das ist ja ein ganz fremder Mensch.

Simplizius.  Die Flachsen zieht's mir ordentlich z'sammen, wenn
einer redt auf mich.

Olinar.  Der sieht ja wie ein Strassenraeuber aus, der Kerl hat nichts
Gutes im Sinn.

Simplizius.  Ich muss mich noch zurueckhalten, bis ich Waffen hab'.
Ich werd' mir's erst sondiern.

Astrachan (rauh).  Was tobst du an diesem feierlichen Tag?  Pack'
dich von hier, du kecker Bursche.

Simplizius (lauernd).  Wie reden Sie mit mir?  Ich frag' Sie nicht
umsonst.

Astrachan.  Das brauchst du nicht, weil ich die Antwort dir nicht
schuldig bleiben und sie auf deinen Ruecken legen werde.

Simplizius (erstaunt).  So, nur gleich?  (Fuer sich.) Ist schon gut
unterdessen.  Der wird schon um'bracht, das ist der erste, den ich
expedier'.  Ich muss mir nur einen Knopf ins Schnupftuch machen,
damit ich's nicht vergess'.  (Tut es.)

Astrachan.  Hast du's gehoert, du sollst die Strasse reinigen.  Mach'
dich fort.

Simplizius.  Ich soll die Strasse hier reinigen?  Er muss mich fuer
einen Gassenkehrer halten.  Das hat mir niemand zu befehlen, ich
bleib' hier.  (Setzt sich auf einen Stein.) Und wer nur einen Laut
von sich gibt--

Astrachan (will auf ihn zu).  Was?

Olinar (haelt ihn furchtsam zurueck).  Behutsam, Freund, er hat ja
einen Pruegel in der Hand.

Astrachan.  Was kuemmert's mich, du wirst dich doch nicht fuerchten?

Olinar.  Ei bewahre.

Astrachan.  Schaeme dich als eine Gerichtsperson.  Gleich geh hin und
beweise deinen Mut.

Olinar (zittert).  Wer?  Wer, ich?  Ja, was soll ich denn tun?

Astrachan.  Ihn von hinnen jagen.

Olinar.  Ja, wenn er sich nur jagen laesst, aber du wirst sehn--

Astrachan.  Red' ihn scharf an.

Olinar.  Hochzuverehrender Freund!

Simplizius (springt zornig auf).  Was gibt's?

Olinar (erschrickt heftig).  Da hast du's jetzt, ich hab's ja gleich
gesagt.

Simplizius.  Was will der Herr?

Astrachan (der Olinar haelt).  Mut, Mut, ich helfe dir schon.

Olinar.  Ja, lass mich nur nicht stecken.  (Nimmt sich zusammen, laut.)
Er ungezogner Mensch!

Astrachan.  Nur zu, so ist's schon recht.

Olinar.  Wenn Er's noch einmal wagt, in einem solchen Tone zu
sprechen--

Astrachan (freudig).  Vortrefflich!  Siehst du, wie er zittert?

Olinar.  Du irrst dich, Freund, das bin ja ich.  (Zu Simplizius.) So
werd' ich Ihm--(Zu Astrachan.) Ja, was werd' ich geschwind?

Astrachan (heimlich).  Die Kehle schnueren, dass Er an mich denken
soll.

Olinar.  Die Kehle schnueren, dass Er an mich denken soll!  (Wischt
sich den Schweiss ab.) Ha, das war viel gewagt.

Simplizius.  Die Kehle schnueren?  Das ist ein Schnuermacher.  Nu, den
koennen wir auch mitnehmen.  (Macht einen Knopf.) Detto!  (Macht die
Bewegung des Erdolchens.)

Astrachan.  Du hast dich gut gehalten, jetzt lass mich reden.  Hoer',
Kerl, wenn du jetzt nicht augenblicklich gehst und dich in unserer
Stadt noch einmal blicken lassest, so wirst du sehen, was unsere
Gerechtigkeit an einem solchen Lumpenhund fuer ein Exempel statuiert.


Simplizius.  Ah, das ist ein hantiger.  Der muss viermal nacheinander
sterben.

Astrachan.  Ha, gut, dort kommen Abukar und Nimelot.

Olinar.  Das sind zwei verwegene Bursche.

Simplizius.  Verwegene Bursche?  Da mach' ich gleich im voraus Knoepf'.
(Macht sie.)



Dreizehnte Szene.
Vorige.  Abukar und Nimelot, bewaffnet.


Abukar.  Was hast du, Astrachan?  Du laermst ja ganz entsetzlich.

Astrachan.  Wir haben unsern Spass mit diesem Burschen da, das ist
der dreisteste Kerl, den ich noch gesehen habe.

Olinar (keck).  Ja, ja, das ist ein abgefeimter Schurke.  (Fuer sich.)
Jetzt sind wir unser vier, jetzt soll er mir nur trauen.

Simplizius.  Ich hoer' ihnen nur so zu, auf einmal geh' ich los.

Abukar und Nimelot (stellen sich neben Simplizius und klopfen ihn
auf die Schulter und lachen.)

Abukar.  Hahaha, der sieht ja wie ein Orang-Utan aus.

Nimelot (lachend).  Die aufgeschlitzte Nase und der breite Mund!

Simplizius.  Bravo, nur zu, sind schon vorgemerkt.  (Deutet auf sein
Tuch.) Werden schon Exekution halten, bleibt nicht aus.

(Alle lachen.)

Abukar.  Seht ihn nur an, das ist ja die einfaeltigste Miene, die mir
noch vorgekommen ist.

Simplizius.  Ah, jetzt muss ich doch Rebell schlagen.  (Laut.) Was
glauben denn Sie so?  Glauben Sie, ich bin Ihr Narr, dass Sie sich
ueber meine Physiognomie lustig machen.  Was fehlt denn meinem
Gesicht?  Die Haesslichkeit vielleicht?  Die ist nirgends mehr zu
finden, weil Sie s' alle auf den Ihrigen haben.

Alle (lachen).  Ein drolliger Kerl!

Simplizius.  Nu, da haben wir's, nicht einmal ordentlich lachen
koennen s' mit dem G'sicht, da lach' ich mit dem linken Ellbogen
besser, als die mit dem Maul.  Sagen Sie mir, wer hat Ihnen denn die
Beleidigung angetan, Ihnen eine solche Physiognomie aufz'binden?
Die Natur vielleicht?  Die setz' ich ab, wenn sie mir noch einmal
solche G'sichter macht, das sind Keckheiten von ihr, ich brauch'
sie nicht, wenn sie so schleuderisch arbeitet.  Was brauchen wir
eine Natur, die Welt ist lang genug unnatuerlich g'wesen, sie kann's
noch sein.

Abukar.  Der Bursche muss Hofnarr werden, der macht mich schrecklich
lachen.

Simplizius.  Hofnarr?  Das ist eine Beleidigung!  Satisfaktion!

Olinar.  Er hat Mut wie ein Loewe.

Simplizius.  Loewe?  Das ist gar eine viechische Beleidigung.  Doppelte
Satisfaktion!

Astrachan.  Der Kerl ist ueber einen Spartaner.

Simplizius.  Spartaner?  Das wird wieder ein andres Vieh sein.  Ich
kenn' mich gar nicht mehr vor Zorn.  Heraus, wer Mut hat, einen muss
ich spiessen.  (Fasst Olinar.) Was ist's mit Ihnen, wollen Sie sich
mit mir schlagen oder wollen Sie sich schlagen lassen?

Olinar.  Hilfe!  Hilfe!

Abukar (packt Simplizius am Genick und beutelt ihn).  Nun hast du
Zeit, Bube.

Astrachan.  Ins Gefaengnis, fort mit ihm.

Simplizius (reisst dem Olinar den Saebel aus der Scheide).  Jetzt
reisst mir die Geduld.  (Haut auf Abukar ein, der ihm die Lanze
entgegen haelt, welche er ihm aus der Hand schlaegt.) Ihr verdammten
Kallidalier!  Jetzt wird's Leben wohlfeil werden.  (Er kaempft mit
allen und jagt sie in die Flucht, einige verlieren ihre Waffen,
einer den Helm.)

Olinar (im Ablaufen).  Ich hab's voraus gesagt, ihr Goetter, seid uns
gnaedig.



Vierzehnte Szene.
Simplizius (allein).  Ha, Pompei ist erobert, Sieg ueber die Kalmuken!
Da gibt's Waffen.  (Er setzt sich den Helm auf.) Her da mit dem
Helm!  (Nimmt das Schwert, steckt es in die Binde und hebt den Spiess
auf.) Das ganze Zeughaus haeng' ich um.  So, jetzt ist der Stefan
Faedinger fertig.  Rache, Rache!  Alles muss bluten.  Einen Hass hab' ich,
ich glaub', es duerft' mich einer spiessen, mir war's nicht moeglich,
ihn zu kuessen.  Die ganze Welt ist mir zuwider.


Lied.
Wenn s' mir die Welt zu kaufen geb'n,
Ich weiss nicht, ob ich's nimm;
Da koennt man ein' Verdruss erleb'n,
Es wuerd' ein' voellig schlimm.
Und liess' man's wieder lizitier'n,
Was koennt' man da viel profitier'n?
Vors erste ist s' ein alt's Gebaeu',
Wer weiss, wie lang s' noch steht,
Das sieht man an Massana glei',
Dass s' sicher untergeht.
Und faellt ein' so a Welt ins Meer,
Wo nimmt man g'schwind a andre her?

Die Voelker steh'n mir auch nicht an,
D' Kalmuken, d' Hugenotten,
Und wen ich gar nicht leiden kann,
Das sind die Hottentotten.
Da moecht' ich grad' vor Wut vergeh'n,
Und ich hab' nicht einmal ein' g'seh'n.

Auch ist's ein Elend mit den Tier'n,
A' blosse Fopperei,
Was kriechen s' denn auf allen vier'n,
Ich geh' ja auch auf zwei.
Die meisten koennen uns nur quael'n,
Am liebsten sind mir die Sardell'n.

Die Sonn', die ist schon lang mein Tod
Mit ihrer oeden Pracht,
Der Mondschein macht sich's gar kommod,
Der scheint nur bei der Nacht;
Und dann die miserablen Stern',
Die weiss man gar nicht, zu was s' g'hoer'n.

Kurzum, ich hass' die ganze Welt,
Im Sommer wie im Winter,
Mir liegt sogar nichts an dem Geld,
Es ist nicht viel dahinter.
Ein einz'gen Menschen nur allein,
   (Deutet auf sich.)
Wuesst' ich--dem ich noch gut koennt' sein.
   (Ab.)





Fuenfzehnte Szene.
Ewald und Aloe.


Aloe (muss von einer jugendlichen Schauspielerin dargestellt werden
mit grauen Haaren; sie hat den Kopf in ein Tuch gewickelt, wie eine
griechische Matrone, und geht etwas gebueckt.) Nein, nein, mein
lieber schmucker Herr, das geht nicht so geschwinde, das Maedchen
ist zu jung, sie braucht noch keinen Freier.  Ach, du keusche Goettin
Diana, kaum bin ich eine Stunde aus dem Hause, um die tapferen
Maenner zu bewundern, so faengt das Maedchen Liebeshaendel an.  Wo habt
Ihr denn das ungeratene Kind gesprochen?

Ewald.  Am Fenster sprach ich sie.

Aloe.  Seht doch, und glaubt Ihr denn, man heiratet bei uns die
Maedchen gleich vom Fenster nur herunter, wie man Zitronen pflueckt?
Lasst Euch den Wunsch vergehen.  Ich sehe fuenfzig Jahre schon zum
Fenster heraus und hab' mir keinen Mann erschaut, so lange kann sie
auch noch warten.  Ich kenn' Euch nicht einmal, wer seid Ihr denn?

Ewald.  Ein Fremdling bin ich.

Aloe.  Ei, das seh' ich, denn unsere Maenner kenn' ich alle.  Doch was
besitzt Ihr in der Fremde?

Ewald.  Ein Gut, das mir kein Unfall rauben kann, ein treu Gemuet und
kraeftigen Verstand.

Aloe.  Wer sagt Euch, dass Verstand ein sichres Erbteil sei, wie
koennt' es denn so viele Narren geben?

Ewald.  Und eine Kunst, die alle Kuenste uebertrifft.

Aloe.  Vielleicht die Kunst, mich hinters Licht zu fuehren?

Ewald.  Im Gegenteil, ich moechte Eure Schoenheit gern im hoechsten
Glanz erscheinen lassen.

Aloe.  Ich hoer's nicht gern, wenn man von meinen Reizen spricht, es
ist mir nicht mehr neu; Gewohnheit toetet unsre schoensten Freuden.
Doch weiter nun, ach, mein Gedaechtnis ist so schwach, wovon habt
Ihr zuletzt gesprochen?

Ewald.  Von Eurer Schoenheit war die Rede, ja.

Aloe.  Ja, ja, das war's, was ich nicht hoeren mochte.  Ihr wolltet
sie erhoehn?

Ewald.  Zum Venusrang, wenn Ihr mir Eurer Nichte Hand gelobt.

Aloe.  Was faellt Euch ein, Atritia ist ein unbemittelt Kind, um
keinen Preis!

Ewald.  Auch nicht um den, den heut im Tempel dort der Koenig reicht?

Aloe (erschrocken).  Seid Ihr von Sinnen?  Bin ich erschrocken doch,
als haett' mich Amors Pfeil getroffen.  Ich bin schon eine
ausgebluehte Rose, die nicht im Fruehlingsschein mehr glaenzt.

Ewald.  Ich will durch meine Kunst Euch diesen Glanz verleihn.  Vor
allen Toechtern dieses Reichs sollt Ihr den Schoenheitspreis erringen,
doch Eure Nichte ist dann mein, ich fuehr' sie mit mir fort.

Aloe.  Ihr koenntet das, ein Sterblicher, bewirken, wofuer ich mich
dem Cerberus schon verschrieben haette, wenn er's vermoegen koennte?

Ewald.  Ich geb' Euch darauf mein Wort, und brech' ich es, braucht
Ihr das Eure nicht zu halten.

Aloe.  Macht mich nicht wahnsinnig.  Ihr wolltet Aloe verjuengen?

Ewald.  Warum denn nicht?  Wenn Aloe, die Pflanze, mit hundert Jahren
neue Blumen treibt, warum soll Aloe, das Weib, mit sechzig nicht
erbluehn?

Aloe.  Mit sechzig, ja, da habt Ihr recht, das ist die wahre
Bluetenzeit.  Mir ist, als blueht' ich schon--fang' schon an zu duften.
O Himmel, welch ein Glueck, ich fuehle mich schon jung, mich hindern
bloss die Jahre.

Ewald.  So maessigt Euch, es ist ja noch nicht Zeit.  Erwartet mich im
Haus, ich muss mich erst dem Koenig zeigen.  Geht nur hinein und sagt
Atritien, dass sie mein Weib soll werden.

Aloe.  Ja, ja, Ihr sollt Atritien haben, ich schenke sie Euch.  Ach,
wenn ich eine Herde solcher Maedchen haette, Ihr koenntet alle sie
nach Eurem Lande treiben.  Nur fort damit, nur fort, die Schoenste
bleibt zurueck.  Die Schoenste--eine Welt von Wonne liegt in diesem
Namen.  Und bin die Schoenste ich, wird mir der schoenste Mann.  Der
schoenste Mann!  Ach, wie viel Welten kommen da zusammen!--(Gegen das
Haus.) Atritia, Atritia, wir kriegen beide Maenner!  O Goetter, steht
mir bei, das kostet den Verstand.  (Eilt freudig ab.)



Sechzehnte Szene.


Ewald (allein).
Wie fuehlt ein Juengling doppelt holder Liebe Wert,
Wenn er das Alter den Verlust betrauern hoert.

Geschrei (von innen).  Der Eber ist erlegt.  Es leb' der grosse Held!

Ewald.  Der Eber ist erlegt, des Landes borst'ge Plage.  Da koemmt
Simplizius, und voll Angst.  Ist seine Wut verdampft?



Siebzehnte Szene.
Voriger.  Simplizius.


Simplizius.  Sind Sie da?

Ewald.  Was bringen Sie, Simplizius?

Simplizius.  Stellen Sie sich vor, ich hab' den Eber umgebracht.

Ewald.  Sie?  Nicht moeglich.

Simplizius.  Nun, sie sagen's alle.

Ewald.  Alle?  Wer?

Simplizius.  Die Voelkerschaften, die mir zugeschaut haben.

Ewald.  Das ist ja ein ungeheures Schwein.

Simplizius.  Versteht sich, ein groessres als wir alle zwei.

Ewald.  Das haben Sie nicht allein erlegt, da muss Ihnen wer geholfen
haben.

Simplizius.  Jetzt ist's recht, wenn einem einmal was g'rat, so
sagen Sie, es muss einem einer g'holfen haben.  Er hat ja nur einen
Stich, das kann man ja doch gleich sehen.

Ewald.  Wie ging es aber zu?

Simplizius.  Ganz kurz, denn wer wird sich mit einem Eber in ein'n
langen Diskurs einlassen?  Sie wissen, dass heut grosse Jagd auf ihn
veranstaltet war.  Alles war versammelt drauss' beim gruenen Baum, da
kommt der Eber alle Tag' zum Fruehstueck hin.  Alle Krieger waren voll
Feuer, und in mir hat's gar schon gekocht.  Aus einmal wird einer
totenblass und ruft: Der Eber kommt, jetzt rauft, rauft!  Aber das
Wort rauft muss in der hiesigen Sprach' eine andre Bedeutung haben
und muss heissen lauft; denn kaum war das Wort heraus, so sind schon
alle davong'loff'n.  Kaum waren s' fort, wer kommt?  Der Eber.  Ich
erseh' ihn kaum, so fasst mich eine Wut, ich stuerz' mich auf ihn los
und stich ihn auf der unrechten Seiten hinein und auf der rechten
wieder heraus.

Ewald.  Unerhoert, und wie er fiel, was dann?

Simplizius.  Dann bin ich auch davong'loff'n.  Was weiter g'schehn
ist, weiss ich nicht, vermutlich haben sie eine Schwein aufgehoben.

Ewald.  Also nach der Tat haben Sie den Mut verloren?

Simplizius.  Versteht sich, das ist ja eben das Grossartige; vorher
ist's keine Kunst.  Kaum ist der Eber in seinem Blut dagelegen, ist
er mir noch zwanzigmal groesser vorg'kommen als vorher, so dass ich zu
zittern ang'fangt hab', und hab' ihn nicht ansehn koennen mehr.
Alles hat zwar g'schrien; Halt, verweil', du grosser Held!  Aber ich
hab' mir gedacht, schreit ihr zu, solang ihr wollt, ich bin nicht
der erste Held, der davon g'loff'n ist, und werd' auch nicht der
letzte sein--und bin fort.

Geschrei (von innen).  Heil dem groessten aller Helden!

Simplizius.  Hoeren S', sie schrein schon wieder.  Gibt kein' Ruh',
das Volk.

Ewald.  Simplizius, Sie werden reichen Lohn erhalten.

Simplizius.  Glauben S', dass was herausschaut?  Ich werd' ihnen schon
einen rechten Konto machen, was ich an Eberarbeit g'liefert hab'.
Oder sie sollen mich nach dem Pfund bezahlen.  Ich lass' ihn beim
Wildbrethaendler waegen, was er waegt, das waegt er.  Punktum!  (Aloe
zeigt sich am Fenster.) Doch sagen Sie mir, wann werden wir denn
einmal das Reich erretten, wenn immer etwas dazwischen kommt?  Bald
ein Erdbeben, bald ein Eber.

Ewald.  Dafuer lassen Sie die Goetter sorgen, wir gehorchen nur.  Sehen
Sie doch nach jenem Fenster.

Simplizius.  Ah, da schau' ich nicht hinauf.

Ewald.  Warum denn nicht?

Simplizius.  Weil eine Alte herausschaut.

Ewald.  Freund, das ist mein Ideal, die muss mir heut noch als die
groesste Schoenheit glaenzen.

Simplizius.  Die da?  Nun, da duerfen S' schoen politier'n, bis die zum
glanzen anfangt.

Ewald.  Das wird der Zauberschein der Fackel tun.  Der Koenig muss den
Preis ihr reichen; drum stellen Sie als Ihren Freund mich bei ihm
vor, damit er mir Gehoer verstattet.  Sehen Sie nur, dort nahen sich
die Krieger im feierlichen Marsch, man suchet Sie.

Simplizius.  Ah, sie sollen marschier'n, wohin sie wollen, ich
brauch' sie nicht.



Achtzehnte Szene.
Vorige.  Dardonius.  Hoeflinge.  Dazu Nimelot.  Abukar.  Astrachan.
Olinar.


Chor (der Krieger, welche aus die Buehne ziehen).

Dank dem Helden, den die Goetter
Mit des Loewen Mut gestaehlt.
Und den zu des Landes Retter,
Gnaedig waltend sie erwaehlt.

(Sie bilden einen Kreis.)

Dardonius (in freudiger Begeisterung).  Wo, sagt, wo ist meines
Landes wunderbarer Retter?

Ein Hoefling.  Hier ist der edle Juengling, hoher Fuerst.

Simplizius (fuer sich).  Meint der mich?

Olinar.  Hat der den Eber erlegt?

Abukar.  Wer hatte das gedacht?

Dardonius.  Lass dich umarmen, Fremdling.  (umarmt ihn.) Nimm des
Koenigs Dank.

Simplizius.  Ich bitt' recht sehr, machen Sie kein solches Aufsehn,
es ist ja gar nicht der Mueh' wert, wegen der Kleinigkeit da, wegen
dem bissel Eber.

Dardonius.  Also du hast dieses Ungetuem erlegt?

Simplizius.  So schmeichl' ich mir.

Krieger.  Wir waren alle Zeugen.

Dardonius.  Heldenmuetiger Mann, sieh hier des Dankes Traenen in den
Augen meines Volkes.

(Die Hoeflinge weinen.)

Simplizius.  Jetzt weinen die gar wegen einem Schwein, das ist mir
unbegreiflich.

Dardonius.  Goetter, wie koennen in so schwach gebautem Koerper solche
Riesenkraefte wohnen?

Simplizius.  Ja, das ist eben das Hasardspiel der Natur, dass ein
Elefant in einer Nuss logiert.

Dardonius.  Sprich, wie kann ich dich belohnen?

Simplizius.  Ja, ich muesst' da erst einen Ueberschlag machen, das
dauert zu lang', ich ueberlass' das Ganze der Indiskretion Euer
Majestaet, wir werden kein' Richter brauchen.

Dardonius (fuer sich).  Dieses Mannes Ausdruecke versteh' ich nicht.
(Laut.) Ihr Krieger, deren oft bewiesner Mut der Heldenstaerke
dieses Juenglings weichen muss, sagt selbst, verdient die Tat, dass
sie ein Lorbeer lohnt?

Alle.  Ja, sie verdient es.

Simplizius.  Sapperment, ein'n Lorbeer geben s' mir gar dafuer, da
waer' mir schon eine Halbe Heuriger lieber.

Dardonius.  Wohlan, so schmuecket ihn damit.

(Die Krieger brechen einen Lorbeerzweig von den Baeumen und winden
einen Kranz.)

Simplizius.  Sie, Freund--(zu Ewald) soll ich denn das Gestrauchwerk
annehmen?  Das ist ja nicht zwei Groschen wert.

Ewald.  Was fuer ein Gestraeuch?

Simplizius.  Ein' Lorbeer wollen s' mir geben, da waer' mir ein
Spenat noch lieber.  Mir scheint, sie wollen mich prellen, was?

Ewald.  Was faellt Ihnen denn ein, ein Lorbeer ist die hoechste
Auszeichnung, nach der die groessten Maenner aller Zeiten je gerungen
haben.

Simplizius.  Nach dem Lorbeer?  Nun der muss schoen herunter kommen
sein, jetzt nehmen sie ihn schon gar zum Lungenbratl.

Ewald.  Lassen Sie sich doch belehren.  Sie rauben ja der Menschheit
ihren Adel.

Simplizius.  Ist denn die Menschheit von Adel, das hab' ich auch
nicht gewusst.

Ewald.  O Vernunft, wie erhoeht der Umgang mit den Tieren deinen Wert.


Dardonius.  Habt ihr ihn bereitet?

Erster Hoefling.  Hier ist er.  (Bringt den Kranz mit roten Beeren auf
einem Schild.)

Simplizius.  So ist's recht, nicht einmal in einer Sauce.

Dardonius.  Nun beug' dein Knie, ich selber will dich kroenen.

Simplizius (kniet).  Das sind Umstaend'.

Olinar.  Ein unbarmherz'ges Glueck.

Dardonius.  In meinem und des ganzen Reiches Namen umwind' ich deine
Heldenstirn' mit diesem Ehrenkranz.

Simplizius.  Da bin ich versorgt auf mein Lebtag, wenigstens gehn
mir die Fliegen nicht zu.

Dardonius.  Wie heissest du?

Simplizius.  Simplizius.

Dardonius.  Das ganze Heer lobpreise diesen Namen.

Alle Krieger.  Hoch leb' Simplizius, der Retter unsres Landes!

Dardonius.  Steh auf, der Kranz ist dein.

Simplizius (steht auf).  Die haben mich schoen erwischt, das ist ein
Undank!  Ich muss aussehn, wie ein Felberbaum.  (Beutelt den Kopf.)

Dardonius.  Und damit du meines hoechsten Dankes Wert erkennst, so
sollst du Unterfeldherr sein.

Simplizius.  O Spektakel, jetzt nehmen s' mich gar zum Militaer.
Unterfeldscherer muss ich werden.

Ewald.  Der Mensch bringt mich zur Raserei.

Olinar.  Das ist ein aeusserst dummer Mensch.

Alle.  Heil dir, Simplizius!

Hoefling.  Man bringt den Eber, hoher Fuerst.

Simplizius.  Was?  Nun, den taet' ich mir noch ausbitten, da trifft
mich gleich der Schlag.



Neunzehnte Szene.
Vorige.  Sechs Krieger bringen einen ungeheuren Eber auf einer Trage,
welche sie in die Mitte der Buehne setzen.


Ewald.  Ein sehenswertes Tier.

Simplizius.  Ich schau ihn g'wiss nicht an.

Dardonius.  Bewundre deine Riesentat.

Simplizius.  Ah, das ist schrecklich, er ist schon wieder g'wachsen.
(Zu Ewald.) Das Tier nimmt gar kein End', schauen Sie ihn nur an,
mir scheint, er ruehrt sich noch, er ist nicht tot.

Dardonius.  Ergoetze dich an deinem Sieg!

Simplizius.  Sie, halten S' mich, mir wird nicht gut.  Ich verlier'
meinen Lorbeer noch aus Angst.  Der packt mich an, er hat ein Aug'
auf mich, sehen Sie ihn nur an.

Ewald.  So fassen Sie sich doch.

Simplizius.  Reden S' nur nicht vom Fassen, sonst ist er gleich da.
Ich halt's nicht aus.  (Schreit.) Euer Majestaet, schaffen Euer
Majestaet den Eber fort.

Mehrere Hoeflinge.  Wie, der Koenig?

Simplizius.  Da ist mir alles eins, wegen meiner die Koenigin.  Nur
fort mit ihm, es g'schieht ein Unglueck sonst.

Dardonius.  Was bebst du so?

Simplizius.  Aus lauter Kraft, das ist der ueberfluess'ge Mut.  Eine
Lanzen!  (Man reicht ihm eine Lanze--leise.) Dass ich mich halten
kann, sonst fall' ich z'sammen.  Fort mit ihm, nur fort, ich stech'
ihn noch einmal z'sammen, den Sapperment, ich kenn' mich nicht vor
Wut (beiseite) und vor Angst.

Dardonius.  So bringt den Eber fort.  (Fuer sich.) Der Mann ist mir
ein Raetsel.

Olinar.  Spricht so der Mut sich aus, dann bin ich auch ein Held.

Dardonius.  Ihr seid gewiss, dass er, nur er, den Eber hat erlegt.

Die Krieger.  Wir sind's.

Dardonius.  Das ist mir unbegreiflich.

Simplizius (fuer sich).  Mir schon lang.

Hoefling (leise zum Koenig).  Er ist verstandlos und gemein.

Dardonius.  Gleichviel.  So lohnen wir die Tat, nicht den, der sie
beging.  Erhebet ihn und tragt ihn im Triumphe nach dem Tempel, dort
schmueckt ihn, wie die Sitte es erheischt.  Leb' wohl, mein Held, ich
folge bald.

(Die Krieger bilden mit ihren Schildern eine Treppe.)

Simplizius.  Nein, was sie mir fuer eine Ehr' antun, zuerst tragen s'
die Wildsau und nachher mich.--Da hinauf?  Ah, das wird ein Triumph
werden, wenn sie mich da herunterfallen lassen, da werd' ich auf
meinen Lorbeern ruhn.  (Steigt hinauf.)

Krieger.  Es lebe Simplizius.

Simplizius.  Jetzt heben s' mich auf einen Schild.  Da heisst's beim
gruenen Kranz.  Eine schoene Aussicht hat man da heroben.  Nur Obacht
geben, sonst heben wir noch was auf.  (Der Marsch beginnt, man will
ihn forttragen, er schreit.) He, Sapperment, ich hab' noch was
vergessen.  Halt, halt, die ganze Armee soll halten!  (Man haelt.)
Euer Majestaet, ich bitt', auf ein Wort.

Dardonius (tritt naeher).  Was verlangst du?

Simplizius (zu Ewald).  Sie, kommen S' ein bissel her.  Euer Majestaet
erlauben, dass ich Euer Majestaet bei meinem Freund auffuehr', er
wuenscht dero Bekanntschaft zu machen, und aus lauter Triumph haett'
ich bald drauf vergessen.  Ha, ha, ha, empfehl' mich.  (Zu den
Kriegern.) Nur vorwaerts mit dem Zug.

Chor (der Krieger).
Dank dem Helden, den die Goetter
Mit des Loewen Mut gestaehlt,
Und den zu des Landes Retter
Gnaedig waltend sie erwaehlt.

(Alles ab, bis auf)



Zwanzigste Szene.
Dardonius.  Hoeflinge.  Ewald.  Aloe entfernt sich vom Fenster.


Hoeflinge.  Ein sonderbarer Mann, ganz unwert solcher Ehre.

Dardonius.  Du bist des tapfern Mannes Freund?

Ewald (beiseite).  Was soll ich sagen.  (Laut.) Das bin ich, edler
Fuerst.  (Fuer sich.) Die Schande drueckt mich fast zu Boden, dass ich
dieses dummen Menschen Freund sein muss.

Dardonius.  Er ist ein Held, wie mir noch keiner vorgekommen ist,
und hat dem Lande Wichtiges geleistet, drum magst auch du auf die
Gewaehrung eines Wunsches rechnen.

Ewald.  Es ist ein Wunsch, der sich mit dieses Landes Ehre wohl
vertraegt.  Ich will dein Aug' auf deines Reiches hoechste Schoenheit
lenken, die nur bis jetzt in stiller Abgeschiedenheit gelebt.

Dardonius.  Bring' sie zum Fest, verdient sie den Preis, soll er ihr
nicht entgehen, doch ungerecht darf ich nicht handeln.

Ewald.  So kuehn ist meine Bitte nicht.  Nur magst du sie nicht selbst
mit einem Kranz von Rosen schmuecken, es muessen edle Frauen deines
Landes ein Myrtendiadem auf ihren Scheitel druecken.

Dardonius.  Es soll geschehn, find dich nur bald im Tempel ein, denn
eh' noch Phoebus' Rosse aus Poseidons Fluten trinken, muss unser Fest
beendet sein; damit die Nacht, die aller Schoenheit Glanz verdunkelt,
dem ruhmbeglueckten Tag nicht seinen Sieg entreisst.  (Geht ab, die
Hoeflinge folgen.)

Ewald (allein).  Es kraenkt mein Herz, dass ich dich, edler Koenig,
taeuschen muss, weil dir ein kuehner Augenblick erschuetternd zeigen
wird, wie sechzig unbarmherz'ge Jahre der holden Schoenheit Bild in
Haesslichkeit verwandeln.  (Geht ab, in Aloes Haus.)



Einundzwanzigste Szene.
(Vorhalle in Aloes Wohnung.)

(In der Mitte des Hintergrundes stuetzt ein breiter praktikabler
Pfeiler das Gewoelbe, sodass sich dadurch zwei Oeffnungen bilden,
wovon der Eingang zur Rechten durch eine drei Schuh hohe Balustrade,
welche von der Kulisse bis zum Mittelpfeiler reicht, geschlossen
ist.  In diese Halle, welche im Dunkel gemalt ist, fuehrt eine
Seitentuer nach Atritiens Zimmer.  Die Halle links ist licht, weil
sich auf dieser Seite ein Fenster befindet.)

Aloe tritt ein.


Aloe (aus Atritiens Gemach kommend und in dasselbe zurueckrufend).
Bleib du im Gemache nur (verschliesst die Tuer), er darf dich nicht
frueher sprechen, bis ich mit meinen Reizen erst in Ordnung bin.
Vielleicht verliebt er sich dann wie Pygmalion in sein eignes Werk
und gibt dir einen Korb.  Hier ist er schon, der holde Mann!



Zweiundzwanzigste Szene.
Vorige.  Ewald.


Ewald.  Nun, hier bin ich, schnell zum Werk.  (Gebieterisch.)
Bereitet Euch, um schoen zu werden.

Aloe (pathetisch).  Wer waere dazu nicht bereitet, Erwartung spannt
jede Faser, und Ungeduld zersprengt mir noch das Herz.

Ewald.  Kniet Euch nieder, fleht die Goetter an.

Aloe (kniet).  Goetter, die ihr tausend Himmel ausgeschmueckt mit
Schoenheit habt, oeffnet eure Vorratskammern und das Fuellhorn ew'ger
Jugend giesset auf mein Haupt herab!  Alles will ich gern erdulden;
Werft mich in des Aetna Krater, speit er mich nur schoen heraus; lasst
mich tief im Meere verschmachten, bis ich mich in Schaum aufloese
und als Venus neu ersteh'; schenkt mir Millionen Muscheln, wo nur
eine birgt die Schoenheit, und ich will sie alle oeffnen, bis ich auf
die rechte komme.  Goetter, lasst euch doch erbitten; denn ich stehe
nicht mehr auf.  (Breitet die Haende aus.)

Ewald.  Steht wieder auf, jetzt seid Ihr schoen.

Aloe (steht schnell auf).  Wollt Ihr mich zur Naerrin machen, ich
seh' ja nicht die mindeste Veraenderung an mir.

Ewald.  Weil es hier zu dunkel ist, lasst mich erst die Leuchte
schwingen.  (Er schwingt die Leuchte und stellt sie in einen Ring
des Pfeilers, doch so, dass die Halle links beleuchtet wird, die
andere dunkel bleibt.  Augenblicklich verwandelt sich Aloe in ein
junges reizendes, rosig gekleidetes griechisches Maedchen, mit
weissen Rosen geziert.) Nun beseht Euch in dem Spiegel.  (Er haelt ihr
einen Handspiegel vor, der auf einem Tischchen liegt.)

Aloe.  Nein, unmoeglich, Venus blickt aus diesem Glase.  Schwoert mir,
dass ich's selber bin.

Ewald.  Ja, Ihr seid's, mein Haupt dafuer.

Aloe (ploetzlich stolz).  Nun, ihr Weiber, die die Welt, blind genug,
fuer schoen erklaert, wagt es, euch mit mir zu messen, Bettlerinnen
seid ihr alle.  Ha, so gross ist meine Freude, dass ich dich umarmen
muss.  (Kuesst ihn.)

Ewald.  Sie gefaellt mir selbst beinah, doch mich kann sie nicht
verfuehren, denn will ich meine Liebe daempfen, so loesch' ich nur die
Fackel aus.

Aloe (fuer sich).  Ha, er scheint sich zu verlieben; doch er ist mir
jetzt zu wenig; nun muss ein Koenig kommen, wenn ich meine Hand
verschenke.

Ewald.  Bald straft sich dein Uebermut.  (Gezogen.) Hoert mich, schoene
Aloe.

Aloe (entzueckt).  Was verlangst du, holder Mann?

Ewald.  Haltet nun auch Euer Wort, weil ich meines hab' erfuellt.
Lasst Atritien mich sprechen.  Ruft sie mir.

Aloe.  Wartet nur, ich hab' sie fest verschlossen.  Na, die wird vor
Galle bersten, wenn sie meine Schoenheit sieht.  (Sie geht durch die
lichte Oeffnung des Bogens.  Wie sie hinter den Pfeiler tritt, bleibt
sie stehen und eine andere von gleicher Groesse, gekleidet wie Aloe
als Alte war, geht ohne Pause statt ihr zur Seitentuer in der
dunkeln Halle, schliesst sie auf und geht hinein.  Wie sie die Tuer
ausschliesst, spricht:)

Ewald (lachend).  Ha, ha, nun ist sie wieder alt, weil sie die
Fackel nicht bescheint.

Aloe (stuerzt aus dem Gemache, wie sie zu dem Pfeiler kommt,
wechseln die Gestalten).  Wie geht das zu, dass mich Atritia nicht
bewundert?

Ewald (fuer sich).  Das glaub' ich gern.  (Laut.) Ihr irrt Euch ja.
(Ruft.) Atritia, komm heraus!

Atritia (aus dem Gemach, eilt auf Ewald zu, ohne Aloe zu achten).
Ich komme.  Es ist seine Stimme, sag' Fremdling, ist es wahr, soll
ich dein Weibchen werden?

Ewald.  So ist's, doch sieh dich um.

Atritia.  Ah, Himmel, was erblick' ich.  Das ist die Goettin Venus
selbst.  (Faellt auf die Knie.) Nein, solche Schoenheit hab' ich noch
nie gesehen.

Aloe (triumphierend).  O Labsal, Honig fuer den Stolz.  Da kniet sie
jetzt, die mich so oft verlacht.

Atritia (haelt die Haende zusammen).  Grosse Goettin, steh uns bei.

Ewald.  Steh auf, es ist nur deine Muhme.

Atritia.  Was sprichst du da?  Die Muhme?

Ewald.  Sie ist's, ich hab' sie so verschoenert.

Atritia (steht auf).  Die alte haessliche Aloe?  Nicht moeglich!

Aloe (bricht los).  Du ungezogenes Kind, du wagst es, mein
ehemaliges Ich haesslich zu nennen?  Geh mir aus den Augen oder ich
vergreife mich an dir.  Der Aerger kostet mich das Leben.

Atritia.  Ja, du hast schon recht, sie ist's; so spricht die Goettin
Venus nicht.  O sag', wirst du mich auch verschoenern?

Ewald.  Du bist mir schoen genug.

Atritia.  Dann will ich auch nicht schoener sein.

Ewald.  Doch nun leb' wohl.  (Kuesst sie.) Kehr' ich zurueck, wirst du
mein Weib und folgst mir in mein Vaterland.  Lucina, weih' ihr
deinen Schutz.

Aloe (noch immer zornig).  Mich alt zu nennen, du abscheuliches
Geschoepf!  (Droht mit der Faust.)

Ewald.  Jetzt maessigt Euch, der Zorn vermindert Eure Schoenheit.  Folgt
in den Tempel mir.

Aloe (nimmt sich zusammen).  Ja, ich will mich maessigen, denn meine
Schoenheit geht mir ueber alles.  Ich folge Euch.  (Wieder auffahrend.)
Aber wenn ich zurueckkomme--(Zu Ewald.) Geht nur voraus, ich bin die
Sanftmut selbst.  (Wieder auffahrend.) Gottloses Kind, ich--(fasst
sich) nein, du sollst mich nicht um meine Schoenheit bringen.  Geht
nur voraus, ich folge sanft, ganz sanft.  (Trippelt steif und wirft
immer wuetende Seitenblicke auf Atritien.) Mich alt zu nennen!--
Zittre, wenn ich wiederkomme!--Ganz sanft--ganz sanft!  (Geht ab.)



Dreiundzwanzigste Szene.
Atritia, dann Lulu.


Atritia (allein).  Ach, mein Geliebter ist ein Zauberer.

(Wolken fallen vor, Lulu steigt aus der Erde.)

Lulu.  Und willst du ihn darum verlassen?

Atritia.  Das tu' ich nicht, er hat auch mich bezaubert.

Lulu.  So folge mir, ich will dich ihm bewahren.  (versinkt mir ihr.)



Vierundzwanzigste Szene.
(Tempel der Venus.)


An jeder Seite ein Thron, und in der Mitte des Hintergrundes das
Bild der Goettin auf Wolken schwebend, vor diesem Stufen.  Dardonius,
Olinar, Astrachan, Abukar, Nimelot, Priesterinnen der Venus mit
goldenen Fackeln.  Edle Herren und Frauen von Kallidalos sind im
Tempel versammelt, der Koenig besteigt den Thron.

Kurzer Chor.
Seht, die Goettin ist uns hold,
Lieblich strahlt der Locken Gold,
Und ihr anmutsreicher Blick,
Kuendet unserm Lande Glueck.

Dardonius.  Die Goettin ist uns hold, sie nahm die Opfer gnaedig auf.
Nun fuehrt den Helden dieses wicht'gen Tags vor meinen Thron.



Fuenfundzwanzigste Szene.
Vorige.  Simplizius mit einem goldenen griechischen Panzer
geschmueckt und die grosse Eberhaut umhaengend, wird von Edlen
hereingefuehrt.


Simplizius.  Was s' mit mir alles treiben, jetzt naehn s' mich mitten
im Sommer in eine Eberhaut ein, da moecht' einer doch aus der Haut
fahren!

Dardonius.  Edle Herren und Frauen von Kallidalos, hier steht der
kuehnste Jaeger seiner Zeit.

Simplizius.  Ich wollt', ich waer's, ich jaget euch alle davon.

Dardonius.  Ihm ward das Glueck, das Untier zu besiegen, das unser
Land verwuestet hat.  Nun koennt ihr kuehn den Wald durchstreifen, und
eurer Felder Saaten sind durch ihn gerettet.

Simplizius.  Aha, deswegen haben s' mich zum Feldscher g'macht.

Dardonius.  Schon ruht auf seiner Stirn das Zeichen hoechsten Ruhmes,
und seine Schultern deckt des Tieres rauher Panzer.  Nichts gleichet
seinem Mut.

Simplizius (fuer sich).  Mir steigen schon alle Aengsten auf, ich
schwitz' mich noch zu Tod.

Dardonius.  Darum ist meines ganzen Volkes Hoffnung nur auf dich
gerichtet.

Simplizius (fuer sich).  Nun, ich gratuliere.

Dardonius.  Besteige jenen Thron und kuende selbst, wozu ich dich
ernannt.

Simplizius.  O verflixt, mir verschlagt's die Red', und ich soll
eine halten.  Ah was, ich red' halt einen unzusammenhaengenden
Zusammenhang.  Volk ueber alle Voelkerschaften, der Koenig hat mich
unters Militaer gegeben, und obwohl ich nicht das rechte Mass hab',
so fuehle ich mich doch ueber alle Massen geruehrt und so ergriffen,
dass ich mich auf meinen Thron hier niederlassen muss, um alles zu
verschweigen, was mir meine Bescheidenheit nie zu sagen erlaubt.
(Setzt sich.)

Dardonius.  Ich hab' zum Unterfeldherrn ihn ernannt.  Du bist ein
groesserer Held, als du ein Redner bist.  Nun reicht den Fraun das
Myrtendiadem, wie ich es angeordnet habe, und lasst die Maedchen um
den Preis der Schoenheit buhlen.

(Schmelzende Tanzmusik.  Zwoelf Maedchen, so gekleidet wie Aloe nach
ihrer Verwandlung, doch weisse Kleider mit roten Rosen geziert,
beginnen anmutige Gruppierungen vor dem Thron des Koenigs.  Endlich
bildet die Gruppe ein Tableau, das in seiner Mitte einen Raum laesst,
in welchen Aloe tritt, die waehrend den Bewegungen von Ewald mit der
Fackel hereingefuehrt wurde und die Gruppe schliesst.  Ein Knabe
bringt den Frauen die Myrtenkrone auf einem Kissen.)

Dardonius (mit Entzuecken).  Jene ist's, die einer diamantnen Rose
gleich die zarten Perlen ueberschimmert.  (Er steigt vom Thron und
fuehrt Aloe vor.) Ihr Frauen, kroenet sie, nur ihr gebuehrt der Preis.

Simplizius (fuer sich).  Die Alte hat sich ausg'wachsen, jetzt kauft
man s' fuer eine Junge.

Dardonius.  Sagt selbst, welch Land hat solch ein Maedchen
anzuzeigen?

Die Maenner.  Erstaunen fesselt unsre Sinne.

Simplizius (fuer sich).  Das ist der schoenste Betrug, der mir noch
vorkommen ist.

Dardonius.  Warum zoegert ihr, geehrte Frauen, ist sie nicht eurer
Krone wert?  (Pause.) Antwortet doch.

Frauen.  Ja, sie ist uns--

Dardonius.  Was ist sie euch?

Simplizius.  Zu schoen ist sie ihnen, das ist die ganze G'schicht'.

Frauen.  Sie ist uns an Schoenheit ueberlegen.

Simplizius.  Das hat was braucht, bis das herauskommen ist.  Morgen
sind s' alle krank.

Frauen (setzen ihr das Diadem auf).  Du, schoener als wir alle, sei
des Festes Koenigin.  (Die Frauen fuehren Aloe in den Hintergrund auf
die Thronstufen und reihen sich zu beiden Seiten.)

Simplizius.  Jetzt kriegt die auch einen Kranz!  Der setzet ich was
anders auf.

Alle.  Heil der Koenigin des Festes.

Simplizius.  Was die heut schreien, das ganze Volk wird heis'rig
noch.

Dardonius.  Simplizius, jetzt kann ich erst nach Wuerde dich belohnen;
nimm dieses Maedchens Hand, sie sei dein Weib.

Simplizius.  Das alte Weib?  Jetzt waer' ich bald vor Schrecken ueber
den Thron herunter g'fallen.  Die nehm' ich nicht.

Dardonius.  Bist du verwirrt, dies hinreissende Geschoepf?

Simplizius.  Mich reisst sie nicht hin, ich hab' s' in ihrer alten
Neglige schon g'sehn.

Dardonius.  Du musst sie nehmen, wenn du nicht dein Amt verlieren
willst.

Simplizius.  Wegen meiner schon.  (Steigt vom Thron--fuer sich) Ich
will doch lieber die Feldschererei verlieren, als die Schererei mit
der Alten haben.

Dardonius.  Wie.  du wagst es, dem Gesetz zu widersprechen?

Ewald (leise).  So nehmen Sie sie doch.  Verraten Sie nur nichts, ich
leih' Ihnen die Fackel.

Simplizius.  Hoeren Sie auf, ich will ein Weib haben, die auch in der
Finsternis schoen ist, nicht eine, die man erst illuminieren muss.
(Laut.) Ich nehm' sie nicht.  Will s' vielleicht ein andrer?

Die Maenner.  Wir alle sind bereit, sie zu freien.

Simplizius.  Nun also, reissender geht s' weg.  Das Weibsbild foppt
das ganze Land.

Dardonius.  Noch nicht genug.  Um zu beweisen, wie man in Kallidalos
Schoenheit ehrt, erwaehl' ich selbst zu meiner Gattin sie.

Alles.  Es lebe unsre Koenigin!

Simplizius.  Jetzt wird s' gar Koenigin!  Ich fahr' aus der Haut.

Dardonius.  Und augenblicklich lass' ich mich vermaehlen.

Aloe (macht Zeichen des Entzueckens).

Simplizius Der Koenig treibt's.  (Zu Ewald.) So loeschen S' doch die
Fackel aus, er heirat' ja die Katz' im Sack.

Ewald.  Entsetzliche Verlegenheit, was soll ich nun beginnen?

(Donnerschlag, das Bild der Venus verschwindet.  Lucina ist statt
ihr in einer Wolkenglorie sichtbar.)

Lucina.  Die Taeuschung geht zu weit, legt ab die Kraenze, die euch
nicht gebuehren.  (Sie nimmt der unter ihr stehenden Aloe den Kranz
ab, und Simplizius' Lorbeer fliegt ihr in die Hand.) Nun fort nach
Agrigent.

(Ewald und Simplizius verschwinden.  Wie die Fackel unsichtbar wird,
verwandelt sich Aloe in ihre wahre Gestalt.  Das Bild der Venus
erscheint wieder an der alten Stelle.)

Alle.  Was ist geschehen?

Dardonius.  Die Fremden sind verschwunden?  Wo ist die Braut, die ich
erwaehlt?

Aloe (auf den Stufen).  Hier bin ich, edelster Gemahl.

Dardonius.  Welch haesslich Weib?  Wie kommst du in den Tempel?

Aloe.  Ich bin ja Aloe, die du erwaehlt.  Ich schwoer's bei meiner
Jugend.

Alle.  Betrug!

Dardonius.  Zauberei!  Peitscht aus dem Tempel sie.  O Scham,
vernichte mich.  (Stuerzt ab.)

(Man reisst Aloe von den Stufen.)

Chor.
Hinaus, hinaus, du Ungetuem,
Entweih' den Tempel nicht,
Erzittre vor des Koenigs Grimm,
Auf, schleppt sie vors Gericht!

(Sie wird hinausgejagt.)



Sechsundzwanzigste Szene.
(Der Wald mit der Pforte der Eumeniden, auf welcher die drei Siegel
gluehen.  Nacht, Mondlicht.)

Lucina mit den Kraenzen.  Kreon.


Lucina.  Komm, mein Kreon, der Sieg ist uns gelungen.

Kreon.  So haettest du Unmoegliches errungen?

Lucina.  Bald wird dein Leid die hoechste Freude lohnen,
Der Orkus ist beschaemt, hier sind die Kronen.

Kreon.  Hell leuchten sie, drei Sonnen, durch die Nacht.
Wie schnell flieht Schmerz, wenn uns die Hoffnung lacht.

Lucina.  Nun knie' dich hin und senk' dein Aug' zur Erd',
Dass es der grause Anblick nicht versehrt.
Denn Rhea aechzet, und die Sterne wimmern,
Sehn sie den Dolch der Eumeniden schimmern.
   (Kreon kniet und beugt sein Haupt, Lucina legt die Kraenze auf
den Opferstein.)
Drei Kroenen ruhen auf dem kalten Stein!
Ich opfre sie--
   (Eine Flamme erscheint und verzehrt scheinbar die Kraenze.)
                         Nun, Flamme, schliess sie ein.
Schmelzt, Siegel!  Pforte, oeffne deinen Rachen.
   (Die Siegel verschwinden, die Pforten springen unter
schrecklichem Gekrache auf.)
Herauf, herauf, ihr rachedurst'gen Drachen,
   (Das Heulen des Windes.)
Blick' ja nicht auf, es kostet dich das Leben.
Die Eumeniden nahn, selbst mich ergreift ein Beben.

(Sie beugt ihren Leib gegen die Erde, der Sturmwind heult.  Klagende
Sturmmusik.  Ein blauer Blitz faehrt aus der Hoehle.)



Siebenundzwanzigste Szene.
Vorige.  Tisiphone, Megaere, Alecto, ganz gruen gekleidete Furien, das
Haupt mit Vipern umwunden, eilen, blaeulichte Fackeln und blinkende
Dolche schwingend, aus der Pforte.


Alle drei (blicken auf den Mond--im tiefen Ton).
Der Mond, der Mond, er scheint zur rechten Stunde,
Wacht auf, wacht auf, die Rache haelt die Runde.

(Sie gehen gemessenen Schrittes ueber die Buehne.)

Lucina.  Es ist geschehn, bald ist dein Feind gerichtet,
Und so der Streit mit banger Welt geschlichtet.
Nun folg', es harren dein, auf mein Geheiss,
Die Edlen all im liebverschlungnen Kreis.
Von tausend Lampen schimmert dein Palast,
Der kaum den Jubel seiner Gaeste fasst.

(Beide ab.)



Achtundzwanzigste Szene.
Die goldgezierte runde Marmorhalle, das Schlafgemach Phalarius',
durch zwei kerzenreiche Kandelaber erleuchtet.  An der Seite sein
Lager, neben diesem brennt auf einem Postamente eine Lampe.
Gegenueber eine Pforte aus Ebenholz.)

Phalarius tritt auf, hinter ihm Androkles tief gebeugt.


Phalarius.  Lasst sehn, wie lang mein stolzer Nachbar sich noch
bruestet,
Wo sind die Feldherrn?  Ist mein ganzes Heer geruestet?

Androkles.  Es harret mutentbrannt der Krieger ruest'ge Schar.

Phalarius (lachend).
Vergebens glueht der Mut, vermeidet ihn Gefahr.
Nun loesch' die Lichter aus, lass Dunkelheit herein,
Entfern' dich dann (beiseite, mit Grimm)
und ueberlass mich meiner Pein.

(Androkles loescht die Lichter aus bis auf die Lampe, beugt sich
tief und geht bangend ab.  Das Gemach wird finster.)



Neunundzwanzigste Szene.


Phalarius (allein).
Ein kluger Hauswirt schliesst des Nachts die Tuer,
Ich ahm' es nach.  (Schliesst.) So, nun bin ich allein mit mir.
   (Erschrickt.)
Allein?--Ein falsches Wort, wer kann das von sich sagen.
Schickt nicht die Einsamkeit Gedanken, die uns plagen?
Was sind Gedanken, die im Aufruhr sich versammeln,
Das Hirn bedrohn und der Vernunft das Tor verrammeln?
Gemeiner Tross nur ist's, den man nicht achten muss,
Der Koenig der Gedanken ist nur der Entschluss.
Drum hab' ich es auch fest mit Marmorsinn beschlossen,
Wie Phoebus, gross und hehr, mit feuerspruehnden Rossen
Des Himmels Reich durchzieht, auf goldnem Strahlenwagen,
So will ich durch die Erd' das Licht der Krone tragen.
Die Sonn' am saphirblauen Zelt glaenz' nicht allein,
Ich will die Zweite auf smaragdnem Grunde sein.
Von Aethiopiens Sand, wo gluehnder Samum hauset,
Bis an des Nordpols Eis, wo Boreas erbrauset,
Muss mein Panier, mit weithinschaundem Stolze prangen.
Poch ruhiger, mein Herz, gestillt wird dein Verlangen.

(Er legt die Pantherhaut und seine Waffen ab, doch die Krone nicht
und streckt sich aufs Lager.)

Besuch mich, falscher Schlaf, der selten mein gedenkt,
Und sich nur gern auf kummerlose Augen senkt.
Verlisch, o Lampe, lischt doch einst die Sonne aus,
Dann wird es finster sein im grossen Weltenhaus.

(Er loescht die Lampe aus, augenblicklich sieht man bei seinem
Haupte drei gluehend rote Geister sitzen, welche unverwandt nach
seiner Krone blicken, sie sind frueher hinter dem Ruhebett verborgen
und heben erst setzt zugleich ihre Haeupter.)

Wie eklig still!--Was waer' das Leben ohne Streit?
Die Scheide ohne Schwert--(schreit auf).
 Wer da?  (Erblickt die Geister.)
 Ha ihr, auch heut?

Die drei Geister (zugleich, eintoenig und hohl).
Wir bewachen die Krone mit Uhusblick,
Schlaf ruhig, schlaf ruhig, nichts stoere dein Glueck.

Phalarius (laut auflachend).
Mein Glueck!--Wie bin ich doch so gluecklich nun durch euch,
Der Wunsch verarmt, ist die Erfuellung ueberreich.
O Wahn, der ueber Leides Abgrund Bruecken baut,
Weh dem, der ihren luft'gen Bogen keck vertraut.
Verzweiflungsvolles Glueck, das selber sich entleibt,
Du machst mich arm, das mir nichts als die Krone bleibt.
Die Kron'?  Beim Styx, ich will sie fuerchterlich benuetzen,
Verderben soll von ihren gluehnden Zacken blitzen,
Ich raeche meine Qual, wer will mich daran hindern?

(Es pocht an der Pforte.)

Alecto (dumpf).
Der Eumeniden Dolch.

Megaere.   Vernichtung allen Suendern.

Die drei Geister.
Die Eumeniden hier, der Orkus hat geendet.

(Verschwinden.)

Phalarius (springt auf).
Wer pocht so frech, sag' an, wer dich so spaet noch sendet?

(Leises Pochen.)

Alle drei.  Mach' auf, fein Koeniglein, wir wuenschen dich zu sprechen.


Phalarius.  Was wollt ihr mir?

(Die Tuer springt mit einem Donnerschlage auf, alle drei treten
zugleich ein.)

Alle drei.   Wir strafen dein Verbrechen.

Phalarius (entsetzt).
Ha, die Erynnien!

Alle drei.   Bereu', du musst erbleichen.

Phalarius.  Die furchtbar Raechenden!

Alle drei.   Die jede Tat erreichen.

Phalarius.  Zurueck, verfluchte Furien, mich schuetzt die Kron'.

Alecto.  Sie schuetzt dich nicht, der Orkus schweigt; denk' an Kreon!

Phalarius.  Ich hasse ihn wie euch.

Tissiphone.   Denk' an Aspasien!

Megaere.  An 'n Brand von Agrigent!

Alecto.   Gedenk', du musst vergehn!

(Sie draengen ihn aufs Lager.)

Phalarius.  Ich denke nichts als Blut.

Alecto.   So denke an den See!

(Ein Teil der Kuppel stuerzt ein, sodass sich ein rund ausgebrochenes
Loch zeigt, durch welches der Vollmond aufs Lager scheint.)

Phalarius.  Weh mir, des Mondes Strahl!

(Die Eumeniden senken ihre Dolche in seine Brust.)

Alle drei.   Vergeh!  Vergeh!  Vergeh!

(Pause--waehrend welcher sie in die Mitte des Theaters treten.)

Der Mond, der Mond, er schien zur rechten Stunde,
Ihr Suender, bebt, die Rache haelt die Runde.

(Gehen gemessenen Schrittes ab.)



Dreissigste Szene.


Hades (aus der Tiefe, naht sich langsam dem Lager Phalarius').
   (Feierlich.)
Gib mir zurueck die Kron', du bleiches Heldenhaupt.
   (Nimmt sie ihm ab.)
Da liegt der stolze Baum, zersplittert und entlaubt.
Hell glaenzt die Kron', nun will die gier'ge Welt ich fragen;
Wo ist der Kuehne wohl, der sie nach ihm will tragen?

(Versinkt.)



Einunddreissigste Szene.
(Reichverzierter beleuchteter Thronsaal.)

Der Thron befindet sich in der Mitte des Hintergrundes.  Durch die
Saeulen des Saales sieht man in einen reizenden, ebenso beleuchteten
Garten.  Kreon auf dem Thron.  Alle Edlen seines Reiches umgeben ihn
jubelnd.  Im Vordergrunde auf der einen Seite Ewald mit der Fackel
und Simplizius, Lucina, Atritia und zwei Genien, die auf einem
Kissen eine Krone tragen, auf der entgegengesetzten Seite
Triumphmusik.


Alles.  Dank den Goettern!  Ew'ges Glueck unserm teuern Koenig Kreon!

Kreon.  Heil, meinen edlen Freunden, es stuermt mein Herz, mein Auge
perlt Freude!  Nehmt eures Koenigs frohen Dank, der sich in eurer
Mitte uebergluecklich fuehlt.

(Alles kniet in schoenen Gruppen um den Thron.)

Alle.  Heil unserm guten Koenig!

Ewald.  Arme Fackel, deine Macht ist uebertroffen; an diesem Anblick
kannst du nichts verschoenern.

Simplizius.  Das ist mir der liebste Koenig von allen, die ich heut
noch g'sehn hab'.

Kreon.  Doch nun lasst uns der hohen Goettin danken, die Thron und
Reich gerettet hat.

Alles.  Der hehren Goettin Dank!

Lucina.  Sei gluecklich, mein Kreon, Phalarius ist nicht mehr.  (Nimmt
den Myrtenkranz.)
Nimm diese Kron', von liebgepaarten Myrten,
Lass dir die edle Stirne zart umguerten!
Durch sie wird dein Gemuet nie Leid betrueben,
Und stets wird dich dein Volk mit Treue lieben.

Kreon.  Verzeih, Lucin', ich darf die Kron' nicht nehmen,
Nimm sie zurueck, sie wuerde mich beschaemen.
Es soll auch ohne Zauber mir gelingen,
Die Liebe meines Volkes zu erringen.
Und drueckt es Leid in ungluecksvollen Tagen,
Ist es des Koenigs Pflicht, mit ihm zu klagen.

Lucina (zu Ewald, welchen sie Atritien zufuehrt).
Nimm sie zum Lohn, Atritiens Hand und Herz sei dein,
Benuetze klug der Wunderfackel ros'gen Schein,
Du kannst von deinem Glueck nichts Hoeheres erheischen,
Die eine liebt dich wahr, die andre wird dich taeuschen.

Simplizius.  Wenn's nicht etwa umgekehrt ausfallt.

Lucina.  Und nun zu dir, Simplizius.

Simplizius.  Jetzt kommt s' auch ueber mich.

Lucina.  Du warst ein willig Werkzeug meiner Macht.
Dich wird der Koenig hier auch nach Verdienst belohnen.

Simplizius.  Auf d' Letzt setzen s' mir noch einen Lorbeer auf.

Kreon.  Man zahle ihm tausend Goldstuecke aus!

Simplizius (beiseite).  Ich hab's ja gleich g'sagt, dass mir das der
Liebste ist.  (Laut.) Ich kuess' die Hand, Eure Majestaet.  (beiseite.)
Jetzt richt' ich eine Schneiderwerkstatt auf und heirat' die Goettin,
das wird ein himmlisches Leben werden.

Kreon (zu Ewald).  Dich, Fremdling, werde ich stets an meinem Hose
ehren und durch ein Amt belohnen.

Ewald.  Mein grosser Koenig, Dank!

Lucina.  Moegt ihr doch lange noch verdientes Glueck besitzen,
Lucina wird euch stets mit Huld und Lieb' beschuetzen.

(Ein rosiges Wolkenlager senkt sich nieder, von Genien umflogen.
Lucina legt sich in zarter Stellung auf dasselbe und schwebt in die
Luft.  Kreon besteigt den Thron.  Alles gruppiert sich.  Griechische
Taenzer und Taenzerinnen fuehren Gruppen aus, von folgendem Chore
begleitet:)

Chor.
Schmueckt mit Freude diese Hallen,
Lasst des Jubels Ruf erschallen,
Heil Lucina!  Heil Kreon!
Tugend findet froh den Lohn.


(Der Vorhang faellt.)


Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Die unheilbringende Krone,
oder Koenig ohne Reich, Held ohne Mut, Schoenheit ohne Jugend, von
Ferdinand Raimund.





End of Project Gutenberg's Die unheilbringende Krone, by Ferdinand Raimund

*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE UNHEILBRINGENDE KRONE ***

This file should be named 7kron10.txt or 7kron10.zip
Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 7kron11.txt
VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 7kron10a.txt

Produced by Delphine Lettau and Mike Pullen

Project Gutenberg eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US
unless a copyright notice is included.  Thus, we usually do not
keep eBooks in compliance with any particular paper edition.

We are now trying to release all our eBooks one year in advance
of the official release dates, leaving time for better editing.
Please be encouraged to tell us about any error or corrections,
even years after the official publication date.

Please note neither this listing nor its contents are final til
midnight of the last day of the month of any such announcement.
The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at
Midnight, Central Time, of the last day of the stated month.  A
preliminary version may often be posted for suggestion, comment
and editing by those who wish to do so.

Most people start at our Web sites at:
http://gutenberg.net or
http://promo.net/pg

These Web sites include award-winning information about Project
Gutenberg, including how to donate, how to help produce our new
eBooks, and how to subscribe to our email newsletter (free!).


Those of you who want to download any eBook before announcement
can get to them as follows, and just download by date.  This is
also a good way to get them instantly upon announcement, as the
indexes our cataloguers produce obviously take a while after an
announcement goes out in the Project Gutenberg Newsletter.

http://www.ibiblio.org/gutenberg/etext03 or
ftp://ftp.ibiblio.org/pub/docs/books/gutenberg/etext03

Or /etext02, 01, 00, 99, 98, 97, 96, 95, 94, 93, 92, 92, 91 or 90

Just search by the first five letters of the filename you want,
as it appears in our Newsletters.


Information about Project Gutenberg (one page)

We produce about two million dollars for each hour we work.  The
time it takes us, a rather conservative estimate, is fifty hours
to get any eBook selected, entered, proofread, edited, copyright
searched and analyzed, the copyright letters written, etc.   Our
projected audience is one hundred million readers.  If the value
per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2
million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text
files per month:  1240 more eBooks in 2001 for a total of 4000+
We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002
If they reach just 1-2% of the world's population then the total
will reach over half a trillion eBooks given away by year's end.

The Goal of Project Gutenberg is to Give Away 1 Trillion eBooks!
This is ten thousand titles each to one hundred million readers,
which is only about 4% of the present number of computer users.

Here is the briefest record of our progress (* means estimated):

eBooks Year Month

   1  1971 July
  10  1991 January
 100  1994 January
1000  1997 August
1500  1998 October
2000  1999 December
2500  2000 December
3000  2001 November
4000  2001 October/November
6000  2002 December*
9000  2003 November*
10000  2004 January*


The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created
to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium.

We need your donations more than ever!

As of February, 2002, contributions are being solicited from people
and organizations in: Alabama, Alaska, Arkansas, Connecticut,
Delaware, District of Columbia, Florida, Georgia, Hawaii, Illinois,
Indiana, Iowa, Kansas, Kentucky, Louisiana, Maine, Massachusetts,
Michigan, Mississippi, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, New
Hampshire, New Jersey, New Mexico, New York, North Carolina, Ohio,
Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, South
Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Vermont, Virginia, Washington, West
Virginia, Wisconsin, and Wyoming.

We have filed in all 50 states now, but these are the only ones
that have responded.

As the requirements for other states are met, additions to this list
will be made and fund raising will begin in the additional states.
Please feel free to ask to check the status of your state.

In answer to various questions we have received on this:

We are constantly working on finishing the paperwork to legally
request donations in all 50 states.  If your state is not listed and
you would like to know if we have added it since the list you have,
just ask.

While we cannot solicit donations from people in states where we are
not yet registered, we know of no prohibition against accepting
donations from donors in these states who approach us with an offer to
donate.

International donations are accepted, but we don't know ANYTHING about
how to make them tax-deductible, or even if they CAN be made
deductible, and don't have the staff to handle it even if there are
ways.

Donations by check or money order may be sent to:

Project Gutenberg Literary Archive Foundation
PMB 113
1739 University Ave.
Oxford, MS 38655-4109

Contact us if you want to arrange for a wire transfer or payment
method other than by check or money order.

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been approved by
the US Internal Revenue Service as a 501(c)(3) organization with EIN
[Employee Identification Number] 64-622154.  Donations are
tax-deductible to the maximum extent permitted by law.  As fund-raising
requirements for other states are met, additions to this list will be
made and fund-raising will begin in the additional states.

We need your donations more than ever!

You can get up to date donation information online at:

http://www.gutenberg.net/donation.html


***

If you can't reach Project Gutenberg,
you can always email directly to:

Michael S. Hart <[email protected]>

Prof. Hart will answer or forward your message.

We would prefer to send you information by email.


**The Legal Small Print**


(Three Pages)

***START**THE SMALL PRINT!**FOR PUBLIC DOMAIN EBOOKS**START***
Why is this "Small Print!" statement here? You know: lawyers.
They tell us you might sue us if there is something wrong with
your copy of this eBook, even if you got it for free from
someone other than us, and even if what's wrong is not our
fault. So, among other things, this "Small Print!" statement
disclaims most of our liability to you. It also tells you how
you may distribute copies of this eBook if you want to.

*BEFORE!* YOU USE OR READ THIS EBOOK
By using or reading any part of this PROJECT GUTENBERG-tm
eBook, you indicate that you understand, agree to and accept
this "Small Print!" statement. If you do not, you can receive
a refund of the money (if any) you paid for this eBook by
sending a request within 30 days of receiving it to the person
you got it from. If you received this eBook on a physical
medium (such as a disk), you must return it with your request.

ABOUT PROJECT GUTENBERG-TM EBOOKS
This PROJECT GUTENBERG-tm eBook, like most PROJECT GUTENBERG-tm eBooks,
is a "public domain" work distributed by Professor Michael S. Hart
through the Project Gutenberg Association (the "Project").
Among other things, this means that no one owns a United States copyright
on or for this work, so the Project (and you!) can copy and
distribute it in the United States without permission and
without paying copyright royalties. Special rules, set forth
below, apply if you wish to copy and distribute this eBook
under the "PROJECT GUTENBERG" trademark.

Please do not use the "PROJECT GUTENBERG" trademark to market
any commercial products without permission.

To create these eBooks, the Project expends considerable
efforts to identify, transcribe and proofread public domain
works. Despite these efforts, the Project's eBooks and any
medium they may be on may contain "Defects". Among other
things, Defects may take the form of incomplete, inaccurate or
corrupt data, transcription errors, a copyright or other
intellectual property infringement, a defective or damaged
disk or other eBook medium, a computer virus, or computer
codes that damage or cannot be read by your equipment.

LIMITED WARRANTY; DISCLAIMER OF DAMAGES
But for the "Right of Replacement or Refund" described below,
[1] Michael Hart and the Foundation (and any other party you may
receive this eBook from as a PROJECT GUTENBERG-tm eBook) disclaims
all liability to you for damages, costs and expenses, including
legal fees, and [2] YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE OR
UNDER STRICT LIABILITY, OR FOR BREACH OF WARRANTY OR CONTRACT,
INCLUDING BUT NOT LIMITED TO INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE
OR INCIDENTAL DAMAGES, EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE
POSSIBILITY OF SUCH DAMAGES.

If you discover a Defect in this eBook within 90 days of
receiving it, you can receive a refund of the money (if any)
you paid for it by sending an explanatory note within that
time to the person you received it from. If you received it
on a physical medium, you must return it with your note, and
such person may choose to alternatively give you a replacement
copy. If you received it electronically, such person may
choose to alternatively give you a second opportunity to
receive it electronically.

THIS EBOOK IS OTHERWISE PROVIDED TO YOU "AS-IS". NO OTHER
WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, ARE MADE TO YOU AS
TO THE EBOOK OR ANY MEDIUM IT MAY BE ON, INCLUDING BUT NOT
LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR A
PARTICULAR PURPOSE.

Some states do not allow disclaimers of implied warranties or
the exclusion or limitation of consequential damages, so the
above disclaimers and exclusions may not apply to you, and you
may have other legal rights.

INDEMNITY
You will indemnify and hold Michael Hart, the Foundation,
and its trustees and agents, and any volunteers associated
with the production and distribution of Project Gutenberg-tm
texts harmless, from all liability, cost and expense, including
legal fees, that arise directly or indirectly from any of the
following that you do or cause:  [1] distribution of this eBook,
[2] alteration, modification, or addition to the eBook,
or [3] any Defect.

DISTRIBUTION UNDER "PROJECT GUTENBERG-tm"
You may distribute copies of this eBook electronically, or by
disk, book or any other medium if you either delete this
"Small Print!" and all other references to Project Gutenberg,
or:

[1]  Only give exact copies of it.  Among other things, this
    requires that you do not remove, alter or modify the
    eBook or this "small print!" statement.  You may however,
    if you wish, distribute this eBook in machine readable
    binary, compressed, mark-up, or proprietary form,
    including any form resulting from conversion by word
    processing or hypertext software, but only so long as
    *EITHER*:

    [*]  The eBook, when displayed, is clearly readable, and
         does *not* contain characters other than those
         intended by the author of the work, although tilde
         (~), asterisk (*) and underline (_) characters may
         be used to convey punctuation intended by the
         author, and additional characters may be used to
         indicate hypertext links; OR

    [*]  The eBook may be readily converted by the reader at
         no expense into plain ASCII, EBCDIC or equivalent
         form by the program that displays the eBook (as is
         the case, for instance, with most word processors);
         OR

    [*]  You provide, or agree to also provide on request at
         no additional cost, fee or expense, a copy of the
         eBook in its original plain ASCII form (or in EBCDIC
         or other equivalent proprietary form).

[2]  Honor the eBook refund and replacement provisions of this
    "Small Print!" statement.

[3]  Pay a trademark license fee to the Foundation of 20% of the
    gross profits you derive calculated using the method you
    already use to calculate your applicable taxes.  If you
    don't derive profits, no royalty is due.  Royalties are
    payable to "Project Gutenberg Literary Archive Foundation"
    the 60 days following each date you prepare (or were
    legally required to prepare) your annual (or equivalent
    periodic) tax return.  Please contact us beforehand to
    let us know your plans and to work out the details.

WHAT IF YOU *WANT* TO SEND MONEY EVEN IF YOU DON'T HAVE TO?
Project Gutenberg is dedicated to increasing the number of
public domain and licensed works that can be freely distributed
in machine readable form.

The Project gratefully accepts contributions of money, time,
public domain materials, or royalty free copyright licenses.
Money should be paid to the:
"Project Gutenberg Literary Archive Foundation."

If you are interested in contributing scanning equipment or
software or other items, please contact Michael Hart at:
[email protected]

[Portions of this eBook's header and trailer may be reprinted only
when distributed free of all fees.  Copyright (C) 2001, 2002 by
Michael S. Hart.  Project Gutenberg is a TradeMark and may not be
used in any sales of Project Gutenberg eBooks or other materials be
they hardware or software or any other related product without
express permission.]

*END THE SMALL PRINT! FOR PUBLIC DOMAIN EBOOKS*Ver.02/11/02*END*