| # taz.de -- Volle Auftragsbücher für die Rüstungsindustrie | |
| > Armee Staatskonzerne steigern Produktion von Kriegsgerät. Freiwillige | |
| > sammeln für die Soldaten. 2.504 Militärs sind seit 2014 an der Front | |
| > gestorben | |
| KIEW taz | Was geschieht mit den Waffen, die am Mittwoch in Kiew | |
| präsentiert worden sind? Sie werden gleich nach der Militärparade zur Front | |
| gebracht, hat der ukrainische Verteidigungsminister Stepan Poltarak | |
| unmittelbar vor dem Nationalfeiertag gesagt. Erst am Dienstag hatte | |
| Präsident Petro Poroschenko der Armee in Charkiw 150 Kriegsgeräte – | |
| darunter Flugzeuge, Panzer und Funkstationen – übergeben. | |
| Der bewaffnete Konflikt im Osten des Landes beschert der ukrainischen | |
| Waffenindustrie volle Auftragsbücher: Der staatliche Rüstungskonzern | |
| Ukroboronprom habe der Armee in den letzten zwei Jahren 12.716 | |
| Rüstungsgüter geliefert, berichtet Firmenchef Roman Romanow der Zeitung | |
| Segodnya. Zunächst habe es sich fast nur um instand gesetztes Material | |
| gehandelt. Inzwischen erhalte das Militär von seinem Konzern vorwiegend | |
| neues Gerät. | |
| Das staatliche Rüstungsunternehmen Aviacon meldet ebenso wie die Firma | |
| Artjem eine kräftige Zunahme von Aufträgen; Artjem konnte seine Produktion | |
| 2016 um 89 Prozent gegenüber dem Vorjahr erhöhen. Die Kiewer Panzerfabrik | |
| hat ihre Produktion in diesem Jahr mehr als verdoppelt, das Panzerwerk | |
| Charkiw vervierfachte sie sogar. | |
| Unterdessen vermeldet der Rüstungsbetrieb Zorja-Maschprojekt einen | |
| Vertragsabschluss mit der indischen Marine. Vier indische Kriegsschiffe | |
| wird das Werk bis 2019 mit Motoren ausrüsten. Von dieser Entwicklung spüren | |
| die, die an der Front im Osten der Ukraine stehen, indes wenig. „Eine echte | |
| Modernisierung der Militärtechnik der Streitkräfte hat es nie gegeben“, | |
| sagt der Rüstungsexperte Nikolai Sungurowski vom Thinktank | |
| Rasumkow-Zentrum. „Man kann die neuen Waffen, die wir nach der | |
| Unabhängigkeit bekommen haben, an den Fingern abzählen. Alles andere ist | |
| Militärtechnik aus Sowjetzeiten.“ | |
| Zudem bedeutet der Verlust der Schwerindustrie in den von Kiew nicht | |
| kontrollierten Gebieten des Donbass einen Rückschlag für die ukrainische | |
| Armee. Wo sich heute das Lugansker Patronenwerk, in dem vor Ausbruch des | |
| Konflikts 880 Personen beschäftigt waren, befinde, sei nicht | |
| herauszufinden, beklagte sich das ukrainische Internetportal gordonua.com | |
| bereits 2015. Möglicherweise sei ein Teil der Rüstungsindustrie in den | |
| „Volksrepubliken“ inzwischen nach Russland verlegt worden, vermutet das | |
| Portal. | |
| Doch woher das Geld für die Modernisierung nehmen? Den Sozialhaushalt | |
| zugunsten des Rüstungshaushalts zu kürzen würde zu einer gesellschaftlichen | |
| Zerreißprobe führen, so der Militärexperte Dmitri Tymtschuk. | |
| Unter der Internetadresse savelife.in.ua sammeln zahlreiche Initiativen | |
| Geld für Nachtsichtgeräte, Funkgeräte, Artilleriesteuerungen, Software für | |
| Panzersteuerungen. | |
| Doch die Freiwilligen klagen über eine oftmals nicht zweckgebundene | |
| Verwendung der Spenden: Häufig würden Soldaten, denen man ein teures | |
| Nachtsichtgerät oder Funkausrüstung habe zukommen lassen, diese Geräte bei | |
| der Demobilisierung einfach mit nach Hause nehmen, beklagt sich Anna, eine | |
| EDV-Spezialistin, die in ihrer Freizeit Spenden für die Frontkämpfer | |
| sammelt. Lebensmittel, die man für die Truppe gesammelt habe, habe man in | |
| örtlichen Geschäften wiederentdeckt. | |
| Während der Militärparade am Mittwoch nannte Präsident Poroschenko auch die | |
| Zahl der an der Front gefallenen ukrainischen Soldaten: 2.504 seien es seit | |
| 2014 gewesen. | |
| In diesem Zeitraum hätten 300.000 Personen an der Front Dienst geleistet. | |
| Zuerst seien es Freiwillige gewesen, dann Einberufene. Heute seien 75 | |
| Prozent der Armeeangehörigen Zeitsoldaten. Seit Januar dieses Jahres hätten | |
| 46.000 Ukrainer sich entschieden, Zeitsoldat zu werden. Gleichzeitig baue | |
| man das Netz von derzeit 80.000 Reservisten weiter aus. | |
| Bernhard Clasen | |
| 25 Aug 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Clasen | |
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