| # taz.de -- Politische Spannungen in Mali: Missmut in Bamako | |
| > In Mali hat sich die Stimmung fünf Monate nach dem Militärputsch nicht | |
| > wirklich verbessert. Jetzt will die Opposition wieder auf die Straße | |
| > gehen. | |
| Bild: Oberstmajor i.R. Bah Ndaw bei seiner Vereidigung als Malis Übergangsprä… | |
| Bamako taz | Es hilft nichts. Der Taxifahrer im königsblauen Trikot von | |
| Juventus Turin muss anhalten. Vor ihm bauen sich zwei Polizisten in noch | |
| blaueren Hemden auf. Die Papiere, die er ihnen durch das offene Fenster in | |
| die Hand drückt, gehen sie nicht einmal zum Schein durch. Was hilft, ist | |
| ein 500-CFA-Schein, umgerechnet 0,80 Euro. | |
| „Sie haben Durst und wollen einen Tee trinken“, entschuldigt sich der | |
| Fahrer anschließend. Kontrollen wie diese gehören zur Tagesordnung in Malis | |
| Hauptstadt Bamako. | |
| Dabei sollte in Mali alles besser werden, das war die große Hoffnung, als | |
| der gewählte Präsident Ibrahim Boubacar Keïta – von allen IBK genannt – … | |
| 18. August gestürzt wurde. Die Militärputschisten um Oberst [1][Assimi | |
| Goïta], heute Vizepräsident der neuen zivil-militärischen | |
| Übergangsregierung, wurden beklatscht. Neben Unsicherheit in weiten | |
| Landesteilen hatte vor allem die Korruption für großen [2][Unmut in der | |
| Bevölkerung] gesorgt. | |
| Zwar wird jetzt die Buchhaltung der gestürzten Regierung überprüft. Doch im | |
| Alltag gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Korruption bekämpft wird. | |
| „Sie ist seit Jahrzehnten ein strukturelles Problem. Innerhalb von fünf | |
| Monaten lässt sich das nicht ändern“, sagt Moussa Mara, der 2014 ein | |
| knappes Jahr lang Premierminister unter IBK war. Auch sei der regierende | |
| Übergangsrat mit vielen anderen Dingen beschäftigt. | |
| ## Wahlen? Irgendwann | |
| Die Dauerfrage in Mali lautet, wann nun endlich Wahlen stattfinden. Mara | |
| lächelt auf diese Frage und sagt, die Möglichkeit sei sehr groß, dass er | |
| sich als Kandidat aufstellen lässt. Für eine Präsidentschaftswahl nennt er | |
| März 2022 als Termin. Manchmal heißt es bereits Dezember 2021. | |
| Im September, als der pensionierte Oberstmajor [3][Bah Ndaw] als | |
| Übergangspräsident vereidigt wurde, war eine 18 Monate lange Übergangszeit | |
| vereinbart worden. Meist jedoch erfährt man, dass es noch keinen konkreten | |
| Fahrplan gibt. | |
| Das ist anders als bei Malis letztem Militärputsch 2012. Damals pochte die | |
| internationale Gemeinschaft auf einen schnellen Urnengang, auch um den | |
| Vormarsch islamistischer Rebellen zu stoppen. Mali fühlte sich überrumpelt. | |
| [4][Als 2013 gewählt wurde], gab es keinen Neuanfang. Zur Wahl standen | |
| Männer, die seit Jahrzehnten schon die Politik beherrschten – wie eben IBK. | |
| Darauf, dass es diesmal anders kommt, hofft auch Aminta Tandia Kané. Die | |
| 35-jährige Unternehmerin kandidierte vergangenes Jahr für die | |
| Parlamentswahl, ohne Erfolg. „Dabei wollte ich meinen Beitrag für die | |
| Bevölkerung leisten.“ Auf die alten Parteien setzt sie nicht. Chancen, | |
| überhaupt aufgestellt zu werden, gebe es da so gut wie keine. Die nächste | |
| Wahl könnte die politische Zusammensetzung nun grundlegend ändern. „Das | |
| wäre ein Ende der alten Eliten“, hofft sie. | |
| Doch ist der Übergangsrat überhaupt gewillt, Wahlen durchzuführen? Grund | |
| für Zweifel ist etwa das Kabinett mit 25 Minister*innen, unter anderem für | |
| Sport, Religion und Kultur. Nach einem kurzen Zwischenspiel sieht das nicht | |
| aus. Ebenso wenig, dass für Putschistenführer Assimi Goïta das Amt des | |
| Vizepräsidenten geschaffen wurde. | |
| ## „Ein verkapptes Militärregime“ | |
| „Wir haben ein verkapptes Militärregime“, sagt Choguel Maïga, Sprecher der | |
| zivilen Protestbewegung M5-RFP, die vor dem Staatsstreich monatelang zu | |
| Protesten gegen IBK aufgerufen hatte. In seinem Haus empfängt der | |
| Exminister in einem langgezogenen Zimmer mit bequemen Sofas und bemüht sich | |
| trotz seines Ärgers, ruhig zu sprechen. | |
| „Die Militärs sind doch diejenigen, die entscheiden, wer welche Posten | |
| bekommt und wie es mit dem Land weitergeht,“ sagt er. Eine neue Oligarchie | |
| richte sich ein, die wie das alte Regime funktioniere. „Der Übergangsrat | |
| ist illegitim und repräsentiert die Bevölkerung nicht. Dafür sind wir nicht | |
| auf die Straße gegangen.“ | |
| Die M5-RFP gilt als Verlierer der neuen Machtkonstellation. Ihre | |
| bekannteste Figur ist [5][Imam Mahmoud Dicko], ein religiöser Würdenträger. | |
| Als er vergangene Woche von einer Reise in den Nahen Osten nach Mali | |
| zurückkam, ließ er sich mit Autokorsos feiern wie ein Präsident. | |
| Werden die Protestler bald wieder auf die Straße gehen, diesmal gegen das | |
| Militär? Was sich in Mali neben der Korruption auch nicht gebessert zu | |
| haben scheint, ist die Sicherheitslage. Neben zahlreichen Angriffen von | |
| Banditen, die Straßensperren errichten, Wegezölle erpressen und Menschen | |
| überfallen, sind seit Jahresbeginn zahlreiche malische und französische | |
| Soldat*innen bei Terrorangriffen ums Leben gekommen. | |
| ## Unmut über Frankreichs Truppen | |
| Bis heute ist zudem unklar, was genau während eines [6][Luftangriffs auf | |
| das Dorf Bounti] am 3. Januar passierte – Dutzende Terrorist*innen | |
| kamen ums Leben, heißt es offiziell; Gäste einer Hochzeitsfeier wurden | |
| getötet, sagen lokale Organisationen. Der malische Menschenrechtsverband | |
| AMDH fordert dringend eine unabhängige Untersuchung – passiert ist nichts. | |
| Und während Malis Regierung vor dem Schüren antifranzösischer Gefühle | |
| warnt, rufen oppositionelle Gruppen für den heutigen Mittwoch zum Protest | |
| im Zentrum von Bamako: Am 50. Jahrestag des Abzugs der letzten | |
| französischen Kolonialsoldaten wollen sie den Abzug der französischen | |
| Eingreiftruppen aus Mali fordern. | |
| „Wir haben IBK bekämpft und wir werden diejenigen bekämpfen, die in seine | |
| Fußstapfen treten“, warnte am Sonntag Mitorganisator Adama Ben Diarra, | |
| ehemals M5-RFP-Führungsmitglied und heute Angehöriger des Übergangsrats. Er | |
| meinte damit wohl auch seine Kollegen in der Regierung. | |
| 20 Jan 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Katrin Gänsler | |
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