| # taz.de -- Pionierin über Frauenfußball: „Man hat mich nie belächelt“ | |
| > Auf dem Pausenhof war Birte Brüggemann das einzige kickende Mädchen. | |
| > Später baute sie die Frauenfußball-Abteilung bei Werder Bremen auf. | |
| Bild: Enorme Entwicklung: Szene des Bundesliga-Spiels VfL Wolfsburg gegen Werde… | |
| taz: Frau Brüggemann, Sie haben früher selbst Fußball gespielt, das ist | |
| jetzt etwa 25 Jahre her. Was hat sich verändert? | |
| Birte Brüggemann: Als ich Kind war, war Fußball für Mädchen ganz selten. | |
| Ich habe Leichtathletik gemacht und auf dem Pausenhof bei den Jungs gekickt | |
| als einziges Mädchen. Mittlerweile hat sich das Bild auf den Straßen total | |
| verändert. Auf Spielplätzen und auch in der Vereinslandschaft ist | |
| Mädchenfußball nichts besonderes mehr, er gehört einfach dazu. | |
| Und wie sieht die Entwicklung im Frauenbereich aus? | |
| Der Frauenfußball wurde in den letzten Jahren [1][stark | |
| professionalisiert]. Als ich noch Fußball gespielt habe, hat kein Mensch | |
| über Geld gesprochen, über Verdienst, oder über Vertragsspielerinnen. Wir | |
| hatten ein Bundesligaspiel in Berlin und mussten 50 Mark zum Hotelzimmer | |
| dazubezahlen. Wenn man das nicht konnte, war man eben nicht an Bord. | |
| Zu welcher Zeit war das? | |
| Das war Anfang der 90er, damals habe ich in Wildeshausen gespielt. | |
| Nach Ihrer aktiven Zeit als Fußballerin haben Sie für den DFB in Bremen | |
| gearbeitet. Wie sind Sie dort gelandet? | |
| Das war eigentlich Zufall. Ich habe für die Bremer Landesauswahl Fußball | |
| gespielt und an der Uni Sport und Geschichte auf Lehramt studiert. Der | |
| Bremer Verbandssportlehrer hat den Schwerpunkt Fußball geleitet und mich | |
| überredet, die Trainer-B-Lizenz zu machen und damit war ich die erste im | |
| Verband ausgebildete Frau. So bin ich relativ schnell Auswahltrainerin für | |
| den Mädchenbereich geworden. Einige Jahre später startete der DFB ein | |
| Programm zur Talentförderung. Für jeden Verband suchte er dafür einen | |
| hauptamtlichen Stützpunktkoordinator oder -koordinatorin mit pädagogischer | |
| Grundausbildung. Das hat natürlich gut zu mir gepasst. Deshalb gab es ab | |
| Januar 2000 dann 28 männliche DFB-Stützpunktkoordinatoren und eine | |
| weibliche. Die war ich. | |
| Wie hat es sich angefühlt, die einzige Frau zu sein? | |
| Ich hatte nie das Gefühl, dass ich benachteiligt worden wäre. Ich war | |
| gleichberechtigte Kollegin, wir haben alle das gleiche Geld verdient. Man | |
| hat mich nie belächelt, ich war immer Teil dessen. | |
| Vom DFB sind Sie zu Werder Bremen gegangen und haben dort die | |
| Frauenfußball-Abteilung aufgebaut. Wie kam Werder überhaupt zum | |
| Frauenfußball? | |
| Bremen hatte, verglichen mit anderen Bundesländern, immer wenig | |
| Leistungsfußball im Frauenbereich. Dadurch war es teilweise schwierig, eine | |
| Landesauswahl zu stellen. Von verschiedenen Seiten, auch von der UEFA und | |
| dem DFB, wurde Werder Bremen deshalb unter Druck gesetzt, eine | |
| Frauenfußball-Abteilung zu eröffnen. Das war kurz vor der WM 2006 in | |
| Deutschland, eine Zeit, in der Fußball viel Aufmerksamkeit bekommen hat und | |
| auf Gleichberechtigung gepocht wurde. | |
| Die Entscheidung wurde dem Verein also aufgedrückt? | |
| Aus dem Druck von außen wurde irgendwann eine Eigeneinsicht. Klaus-Dieter | |
| Fischer (damals Präsident, heute Ehrenpräsident von Werder – Anm. d. Red.) | |
| hat früher immer gesagt, solange er Präsident sei, gäbe es bei Werder | |
| keinen Frauenfußball. Heute muss er darüber selbst schmunzeln. Werder wurde | |
| immer sehr für die sozialen Tätigkeiten gekürt und hat sich gegen | |
| Diskriminierung stark gemacht. Dass Frauen hier aber keinen Fußball spielen | |
| durften, hat dazu nicht gepasst. Das hat der Verein mit der Zeit auch | |
| selbst erkannt. | |
| Und wie sind Sie dabei ins Spiel gekommen? | |
| Mein DFB-Büro war hier im Weserstadion. So konnte mich Klaus-Dieter Fischer | |
| einfach beim Mittagessen ansprechen. Für den Aufbau einer | |
| Frauenfußball-Abteilung kam für ihn eigentlich nur ich infrage. Ich war die | |
| Fachfrau dafür und wusste, dass der Frauenfußball in Bremen untergehen | |
| würde, sollte es bei Werder dahingehend keine Entwicklung geben. Und so bin | |
| ich 2007 zu Werder Bremen gewechselt. | |
| Was war Ihnen für den Frauenfußball bei Werder Bremen wichtig? | |
| Wir wollten, dass die Spielerinnen aus der Region kommen. Es gab hier viele | |
| junge Spielerinnen mit Werder-DNA, also so richtige Werder-Fans. Für die | |
| sollte ein Traum in Erfüllung gehen. Außerdem haben wir darauf geachtet, | |
| junge Spielerinnen zu finden, mit denen man einen gemeinsamen Weg geht, | |
| aber auch einige ältere Spielerinnen mit Erfahrung. Heute spielen gebürtige | |
| Bremerinnen für Werder in der Bundesliga. Das war das Szenario, von dem wir | |
| damals geträumt haben. | |
| Die Werder-Frauen haben sich im Laufe der Zeit [2][in immer höhere Ligen | |
| gespielt]. Was hat sich dabei, neben der Leistung, noch verändert? | |
| Die Geschichte, die wir gerade schreiben, ist die Geschichte davon, wie der | |
| Fußball professioneller wird. Es gibt jetzt bei Werder zum ersten Mal eine | |
| Generation, die Geld mit Fußball verdient. Vorher, also vor dem Aufstieg in | |
| die Zweite Liga, haben die Spielerinnen gar nichts bekommen. Das war eine | |
| absolut idealistische und emotionale Zeit, die uns niemand wiedergeben | |
| kann. Die Spielerinnen haben für diesen Verein gebrannt und stehen auch | |
| heute noch in der Ostkurve, wenn unsere Profis spielen. Heute ist es | |
| natürlich immer noch emotional und unsere Spielerinnen sind voller | |
| Werder-Leidenschaft, aber es ist anders. Es ist eben Profifußball. | |
| Toptalente, die sich weiterentwickeln wollen, verlassen den Verein schon | |
| mal. | |
| Werder Bremen hat mit der Gründung der Frauenabteilung schon vor 14 Jahren | |
| einen Schritt gemacht, den viele Vereine wie Borussia Dortmund erst jetzt | |
| gehen. Hätten Sie sich auch von anderen früher mehr Initiative im Bereich | |
| Frauenfußball gewünscht? | |
| Nein, das muss sich jeder Verein selbst überlegen, schließlich brauchen wir | |
| als Frauenfußball ja auch Ressourcen wie Geld und Plätze. Wenn Fortuna | |
| Düsseldorf sagt, dass sie aktuell keine Ressourcen dafür haben, sehe ich | |
| darin kein Problem. Wenn Schalke sagt, sie möchten erst mal nur | |
| Amateurfußball anbieten, finde ich das auch in Ordnung. Jeder Verein muss | |
| für sich selbst schauen, was zu ihm passt. Schön ist natürlich, dass die | |
| Wahrnehmung für den Sport durch diese Diskussion größer wird. | |
| Anders als einige andere Vereine in der Liga können die Werder-Frauen nicht | |
| von ihrem Gehalt leben. Das führt zu einer Ungleichheit im Wettbewerb. Wie | |
| möchten Sie sich dafür einsetzen, dass sich das ändert? | |
| Mehr Geld tut natürlich immer gut. Man muss das aber in der richtigen | |
| Relation betrachten: Der männliche Top-Spieler von Bayern München verdient | |
| mit Sicherheit das x-Fache vom männlichen Werder-Top-Spieler. Im | |
| Frauenfußball ist es eben genauso. Trotzdem sind die Leistungsunterschiede | |
| im Frauenfußball natürlich viel höher. Wir befinden uns da noch in einem | |
| kleinen Teufelskreis. | |
| Wie sieht der aus? | |
| Über Frauenfußball wird nicht so viel berichtet. Wenn nicht so viel | |
| berichtet wird, spielt das auch weniger Geld und Öffentlichkeit ein. Das | |
| kann dann dazu führen, dass die Top-Spielerinnen ins Ausland gehen, | |
| darunter leidet wiederum die Qualität der Liga. Der Ruf nach | |
| Professionalisierung, auch in Richtung DFB, ist deshalb groß. | |
| Für eine Professionalisierung braucht es Geld. Wo könnte das herkommen? | |
| Zum einen von einer besseren TV-Vermarktung. Es ist bitter, wenn sich am | |
| letzten Bundesligaspieltag die Meisterschaft entscheidet und niemand kann | |
| es so wirklich im Fernsehen verfolgen. Außerdem muss die Geschichte des | |
| Frauenfußballs als Marke richtig erzählt werden, nicht nur auf | |
| Vereinsebene, sondern in ganz Deutschland. Ich bin überzeugt, dass man | |
| damit auch den Sponsoring-Marktwert erhöhen kann. | |
| 3 Jan 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Europas-Frauenfussball-und-Deutschland/!5818123 | |
| [2] /Abstiegskampf-in-der-Frauen-Bundesliga/!5805792 | |
| ## AUTOREN | |
| Marie Gogoll | |
| ## TAGS | |
| Werder Bremen | |
| Frauenfußball | |
| Profi-Fußball | |
| Fußball | |
| Bremen | |
| Frauenfußball | |
| Kolumne Über den Ball und die Welt | |
| Kolumne Frühsport | |
| Frauenfußball | |
| Frauenfußball | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Frauen im Männerfußball: Mannschaftsbild mit Dame | |
| Kreisligist SpVgg Schonnebeck verstärkt sich: Erstmals spielt im deutschen | |
| Ligafußball der Männer eine Frau mit. Das Verbot steht auf der Kippe. | |
| Equal Pay im Fußball: In einer anderen Liga | |
| Frauenfußballerinnen haben mit ihren Forderungen nach gleicher Bezahlung | |
| die repräsentativ-symbolische Ebene erklommen. Und jetzt? | |
| Europas Frauenfußball und Deutschland: Spitze auch im Desinteresse | |
| Das neue Format der Champions League beschwingt den Frauenfußball. Nur in | |
| Deutschland ist trotz Sternstunden in Wolfsburg und Hoffenheim alles | |
| anders. | |
| Goldene Vergangenheit für Fußballerinnen: Einfach zu beliebt | |
| Der Frauenfußball war schon einmal weiter. In England mussten die | |
| Kickerinnen vor 100 Jahren einen Verband gründen, weil sie zu viel Erfolg | |
| hatten. | |
| Fußball-Rekordspielerin Formiga hört auf: Die Unermüdliche | |
| Die brasilianische Fußballnationalspielerin Formiga, 43, nimmt Abschied. | |
| Sie blickt als Rekordhalterin auf sieben WM- und Olympia-Turniere zurück. |