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# taz.de -- Irreversible Schäden durch Rauchen: Fortschreitende Atemnot
> Vor allem Raucher und Ex-Raucher leiden an der chronischen obstruktiven
> Lungenerkrankung, kurz COPD genannt. Oftmals ist die Krankheit nicht mehr
> zu stoppen.
Bild: Bei vielen COPD-Patienten kann die Zerstörung der Lunge nicht mehr aufge…
BERLIN taz | "Ach, in sieben Jahren, wenn sich alle Körperzellen erneuert
haben, wird meine Lunge wie neugeboren sein!", diese Hoffnung tröstet
viele, die des Rauchens müde sind. Doch Auswurf, Husten und Atemnot lassen
manchmal auch längst Nikotinabstinente nicht in Ruhe. Dann steckt meist
eine unheilbare Krankheit dahinter.
Die COPD (chronic obstructive pulmonal disease) zählt heute weltweit zu den
fünf häufigsten Todesursachen. "Es gibt da einen Point of no return", sagt
Professor Tobias Welte von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH):
"Keiner weiß genau, wo. Aber wenn sie den überschritten haben, dann setzt
sich dieser Entzündungsprozess fort, auch wenn sie nicht mehr rauchen. Bis
zum Alter von dreißig Jahren kann am ehesten alles noch wieder so werden
wie früher."
Tobias Welte leitet in Norddeutschland die seit 2007 von der EU mit drei
Millionen Euro geförderte Studie "Emphysema versus Airway Disease in COPD"
(EvA), bei der vierzehn EvA-Forschungsinstitutionen aus ganz Europa über
tausend Patienten untersuchen.
Die Lungenkrankheit tritt erst bei Leuten über vierzig auf. Von diesen sind
in Deutschland über 7 Prozent (etwa drei Millionen Menschen) an COPD
erkrankt. Über 90 Prozent dieser Betroffenen sind Raucher oder waren es
einmal.
Nur in der Dritten Welt spielen bei der Krankheitsentstehung dauernde
Aufenthalte an offenen Herdfeuern, in verräucherten Produktionsstätten oder
zum Schneiden dicke Abgasglocken eine größere Rolle.
"Die EvA-Studie hat einen völlig neuen Ansatz", berichtet Welte: "Es gibt
ein breites Spektrum innerhalb der COPD-Erkrankungen, und bisher behandeln
wir alle gleich. Wir wissen aber, dass dies völlig falsch ist. Je nach Form
der Erkrankung wird man verschiedene Therapieprinzipien entwickeln müssen."
Die EvA-Studie unterscheidet zwei COPD-Haupttypen. Bei dem schneller
fortschreitenden wird Lungengewebe abgebaut, und es entsteht ein
sogenanntes Emphysem - eine aufgeblähte Lunge, die den Sauerstoff nicht
mehr adäquat aufnehmen kann. Bei dem anderen Typ stehen Husten, Auswurf und
die Entzündung der Bronchien im Vordergrund.
Nur geschätzte 25 Prozent aller Raucher erkranken an COPD. Die EvA-Studie
sucht deshalb anhand von Markern im Gewebe der Atmungsorgane und im Blut
auch nach komplexen genetischen Zusammenhängen, die bei der Entstehung eine
Rolle spielen könnten.
Der schleichende Verlauf der Krankheit verführt viele Betroffene dazu, sich
unmerklich anzupassen. Sie steigen erst mal ein paar Treppen weniger und
schieben die Atemnot auf das zunehmende Alter. Ein verhängnisvoller Fehler!
Denn gerade für COPD gilt: Je früher erkannt, desto besser die Prognose.
Am Beginn der Diagnose steht immer eine Messung der Atemgase. Bei
verminderter Atemleistung wird der Arzt prüfen, ob bronchien-, also
atemwegserweiternde Medikamente anschlagen. Falls ja, spricht dies für eine
COPD oder für ein, oft allergisches, Asthma. Bei beiden Krankheiten geht es
um chronische, nicht durch Infektionen bedingte Entzündungen. Doch es sind
ganz unterschiedliche Zellen, die da jeweils aus der Rolle fallen. "Bei
COPD sind die wesentlich beteiligten Zellen Makrophagen und neutrophile
Granulozyten", erläutert Tobias Welte.
Das stete Voranschreiten der Krankheit lässt sich höchstens verlangsamen.
Diesem Zweck dienen in der Basistherapie bei COPD bronchialerweiternde
Medikamente, sogenannte Anticholinergika oder Beta-2-Sympathomimetika.
Letztere werden im fortgeschrittenen Stadium auch mit Kortikoiden
(Verwandten des Kortisons) kombiniert.
Bei ausgebreiteten Emphysemformen können größere Lungenareale operativ
entfernt werden. Eine Lungentransplantation ist nur sinnvoll im Endstadium
und wenn die anderen Organe gesund sind. Allerdings schädigt ein
Lungenemphysem auf Dauer meist das Herz.
Wer sich in einem früheren Stadium wegen der Atemnot immer mehr schont,
riskiert einen Teufelskreis. Ausdauersport hingegen, vor allem Schwimmen,
vergrößert das Lungenvolumen. Auch bestimmte Atemübungen, Physiotherapie
und Entspannungsübungen können die Belastbarkeit und Lebensqualität
COPD-Erkrankter wesentlich erhöhen.
Zu verhindern gilt es sogenannte Exazerbationen, lebensbedrohliche
Verschlechterungen des Zustands, mit schwerer Atemnot, starkem Husten und
manchmal sogar Fieber. Ausgelöst werden können diese durch Infekte, extreme
Wetterlagen, Rauch und Staub. Für diesen Fall sollte jeder COPD-Kranke von
seinem Arzt dringend einen schriftlichen Notfallplan und Notfallmedikamente
mitbekommen.
Viele nützliche Tricks lassen sich bei COPD-Schulungen erlernen, die einige
Krankenkassen für ihre Mitglieder regelmäßig in bestimmten Arztpraxen
durchführen. Deren Adressen versenden die Kassen. Darüber hinaus helfen
können COPD-Selbsthilfe- und Lungensportgruppen weiter. Übrigens: Auch
Lachen verringert kurzfristig die Lungenüberblähung.
Kann auch ein COPD-Kranker ein Methusalem werden? "Natürlich", meint Tobias
Welte von der MHH: "Doch wer es bis zum 95-jährigen COPD-Methusalem
gebracht hat, der wäre ohne die Krankheit vielleicht hundert geworden." Die
durchschnittliche Lebenserwartung von COPD-Patienten liegt zwischen fünf
und zehn Jahren unter der Gesunder.
Wegen der sich verändernden Alterspyramide befürchtet die Deutschen
Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin für die nächsten
Jahrzehnte eine explosionsartige Zunahme von Atemwegserkrankungen
hierzulande, bei COPD um zirka 46 Prozent. Die Forschung wird daher
forciert.
Emsig bastelt man in mehreren Städten Deutschlands an neuen
Diagnosemethoden und Therapien. Weltes Heimprojekt an der Medizinischen
Hochschule Hannover, meint er, gehe noch über das EvA-Ziel der Typisierung
der Krankheit hinaus: "Es besteht darin, eine für jeden Kranken
individualisierte Therapie zu suchen."
21 May 2010
## AUTOREN
Barbara Kerneck
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