# taz.de -- Inklusion in Berlin: Unerreichbare Ferienbetreuung | |
> Berlin muss sparen. Friedrichshain-Kreuzberg streicht daher ausgerechnet | |
> die Beförderungsdienste für behinderte Schüler*innen in den Ferien. | |
Bild: Kaputte Aufzüge, steile Treppen: Für Menschen im Rollstuhl ist der ÖPN… | |
Berlin taz | Nächste Woche beginnen in Berlin die Herbstferien. Für Laura | |
Montanaro ist das kein Grund zur Freude, seit das Bezirksamt | |
Friedrichshain-Kreuzberg entschieden hat, die Fahrdienste für ihren Sohn in | |
der Ferienzeit zu streichen. | |
Der Sohn von Montanaro ist schwerbehindert und sitzt im Rollstuhl. In der | |
Schulzeit holt ihn ein Sammeltransporter jeden Morgen um sechs Uhr zu Hause | |
in Pankow ab und fährt ihn zur Gustav-Meyer-Schule am Kottbusser Tor in | |
Kreuzberg. Die Fahrt dauert eineinhalb Stunden. Die Schule hat einen | |
sonderpädagogischen Förderschwerpunkt und bietet eine Ferienbetreuung an – | |
eine große Erleichterung für die Alleinerziehende, die neben der Pflege des | |
Kindes voll berufstätig ist. | |
Bereitgestellt werden die Fahrdienste vom Schulamt | |
Friedrichshain-Kreuzberg. Bis jetzt galt das auch für die Ferienzeiten. | |
Zwei Wochen vor Beginn der Herbstferien teilte das Schulamt den betroffenen | |
Eltern mit, dass die Fahrdienste in den Ferien gestrichen werden. | |
## Hunderte Kinder betroffen | |
Der Sprecher des Bezirksamtes, Tim Styrie, begründete die Streichung damit, | |
dass die Beförderungsleistungen sonst bis Jahresende nicht mehr finanziert | |
werden könnten. Styrie spricht von einer kurzfristig wirksamen | |
Sparmaßnahme, die den Haushalt im laufenden Jahr entlasten würde. | |
Rund 1,5 Millionen Euro pro Jahr kostet die Beförderung laut Bezirksamt. | |
Wie viel durch die Streichung eingespart wird,kann der Bezirk aber nicht | |
beantworten. Derzeit wird er von 233 Kindern genutzt. In den Sommerferien | |
sei der Fahrdienst von etwa 15 Prozent der betroffenen Familien genutzt | |
worden. | |
Laura Montanaro schrieb nach der kurzfristigen Mitteilung des Schulamts | |
Behörden an, kontaktierte Fachdienste, Politiker*innen und den | |
Gleichstellungsbeauftragten. Über eine Einzelfallregelung kann ihr Sohn nun | |
doch noch in die Ferienbetreuung der Schule gefahren werden. Denn als | |
Alleinerziehende kann sie es sich nicht leisten, zu Hause zu bleiben und | |
ihren Sohn zu betreuen. Ohne die Fahrdienste könnte sie in dieser Zeit | |
nicht arbeiten gehen. | |
## ÖPNV keine Alternative | |
Für die Herbstferien hat Laura Montanaro also noch einmal Glück gehabt. Wie | |
es weitergeht, ist jedoch unklar. Denn einen Rechtsanspruch auf die | |
Beförderung gibt es laut Bezirksamt nicht. Auf die Frage, ob die | |
Fahrdienste künftig generell eingestellt werden sollen, antwortet der | |
Bezirk ausweichend, dass der Kostendruck weiter steige und man sich mit den | |
anderen Bezirken austauschen werde. | |
Zumindest in Mitte, Treptow-Köpenick, Spandau, Pankow, Steglitz-Zehlendorf | |
und Lichtenberg werden die Fahrdienste auch in den Ferien angeboten, wie | |
eine taz-Abfrage ergab. Einschränkungen oder gar eine Streichung seien | |
nicht vorgesehen. Die anderen fünf Bezirke äußerten sich bis | |
Redaktionsschluss nicht dazu. | |
„Es wird an den Schwächsten in unserer Gesellschaft gespart“, kritisiert | |
Montanaro. Auch die Beauftragte für Menschen mit Behinderung in | |
Friedrichshain-Kreuzberg, Ulrike Ehrlichmann, sieht die Sparmaßnahme | |
kritisch. Schließlich seien die [1][öffentlichen Verkehrsmittel alles | |
andere als barrierefrei.] | |
Laura Montanaro macht sich Sorgen, wie sie die Ferienbetreuung ihres | |
behinderten Kindes in Zukunft organisieren soll. Am liebsten würde sie | |
ihren Sohn auf eine Schule in unmittelbarer Nachbarschaft schicken. Das | |
Problem mit der Beförderung hätte sie dann nicht mehr. | |
16 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Barrierefreier-Nahverkehr-in-Berlin/!6018766 | |
## AUTOREN | |
Gesine Muench | |
## TAGS | |
Barrierefreiheit | |
Leben mit Behinderung | |
Mobilität | |
Inklusion | |
Menschen mit Behinderung | |
Schule | |
Leben mit Behinderung | |
Schwerpunkt Stadtland | |
BVG | |
Ferda Ataman | |
Hamburg | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Teilhabe in Schulen: Bezirke vertrödeln echte Inklusion | |
Neukölln plant ein weiteres Förderzentrum für beeinträchtigte Kinder. Das | |
Institut für Menschenrechte sieht darin einen schweren Rechtverstoß. | |
Tag der Menschen mit Behinderung: Kein Recht auf Schule? | |
Wenn es um das Grundrecht auf Bildung geht, werden bei Kindern mit | |
Behinderungen Ausnahmen von der Schulpflicht gemacht. Welche Folgen das hat | |
und wie sich Eltern dagegen wehren können. | |
Haushaltsdebatte in Berlin: Weiter Chaos bei den Klassenfahrten | |
Die Verwaltung weist den Schulen nun Budgets für Klassenfahrten zu. Doch | |
weil einige schon gebucht haben, sind die Kosten jetzt schon überschritten. | |
Unerkannte Behinderungen in der Pflege: Das System hat blinde Flecken | |
Menschen mit Behinderungen sind oft unterversorgt. Eine Studie der Uni | |
Hamburg zeigt, dass Seh- und Hörprobleme in der Pflege oft unerkannt | |
bleiben. | |
Angespannter Haushalt: Berlin stoppt Klassenfahrten | |
Wegen knapper Kassen dürfen Schulen in der Hauptstadt keine Fahrten mehr | |
buchen. Es ist der Beginn von Einsparungen, die sich später fatal | |
auswirken. | |
Berliner Verkehrsbetriebe in der Krise: BVG übt sich in Selbstkritik | |
BVG-Chef Henrik Falk will das U-Bahnchaos „schonungslos“ auswerten und | |
kündigt Sofortmaßnahmen beim Personal an. Experten sagen, das kommt Jahre | |
zu spät. | |
Jahresbericht zu Diskriminierung: Dauerbrenner Barrierefreiheit | |
Menschen mit Behinderung sind häufig von Diskriminierung betroffen. Es ist | |
überfällig, dass Dienstleister stärker in die Pflicht genommen werden. | |
Forschung für eine Welt ohne Barrieren: Behinderung anders gedacht | |
Das Hamburger Zentrum für Disability Studies und Teilhabeforschung | |
untersucht, wie Inklusion gelingen kann. Nun läuft die Förderung aus. |