| # taz.de -- Huthi-Miliz im Jemen: Pompeos Jemenvorstoß in der Kritik | |
| > Entgegen scharfen Warnungen wollen die USA die Huthis als | |
| > Terrororganisation einstufen. Hilfsorganisationen sehen „diplomatischen | |
| > Vandalismus“. | |
| Bild: Verbündete der Huthi-Rebellen in Jemen während einer Demonstration im A… | |
| Berlin taz | Seit Monaten haben Hilfsorganisationen vor dieser Entscheidung | |
| gewarnt, nun macht die scheidende US-Regierung ernst: Außenminister Mike | |
| Pompeo [1][hat] angekündigt, die jemenitische Huthi-Miliz, die in einem | |
| großen Teil des Landes faktisch Regierungsmacht ist, zur Terrororganisation | |
| zu erklären. Die Huthis müssten für „terroristische Handlungen“ zur | |
| Rechenschaft gezogen werden. Die [2][Einstufung] soll kommenden Dienstag, | |
| einen Tag vor der Amtseinführung Joe Bidens als US-Präsident, in Kraft | |
| treten. | |
| Das Problem: Mit Jemen selbst hat die Entscheidung nur wenig zu tun; | |
| vielmehr ist sie Teil von Trumps Politik des „maximalen Drucks“ auf Iran. | |
| Teheran unterstützt die Huthis, die auch die Hauptstadt Sanna | |
| kontrollieren, in ihrem Krieg gegen die offizielle Regierung in Jemen. Die | |
| Einstufung der Huthis als Terrororganisation könnte [3][eine mögliche | |
| US-iranische Annäherung unter Joe Biden erschweren]. | |
| Hilfsorganisationen befürchten aber vor allem Folgen für die Menschen in | |
| Jemen. Sie warnen, dass eine Terrorlistung der Huthis ihre Arbeit vor Ort | |
| sowie die Auslieferung von Hilfsgütern in die Huthi-Gebiete weiter | |
| erschweren wird. Denn Banken und Versicherungen wickeln aus Angst vor | |
| US-Sanktionen künftig womöglich keine Geschäfte mehr mit Behörden ab, die | |
| von den Huthis kontrolliert werden. | |
| „Lebensmittel und Medikamente nach Jemen zu bekommen – ein Land, das zu 80 | |
| Prozent von Importen abhängig ist – wird noch schwieriger werden“, teilte | |
| Mohamed Abdi von der Hilfsorganisation Norwegischer Flüchtlingsrat am | |
| Montag mit. David Miliband, Präsident der Hilfsorganisation International | |
| Rescue Committee, [4][kritisierte] die US-Entscheidung als „diplomatischen | |
| Vandalismus“. | |
| „Diese Politik, die die Huthis in die Knie zwingen soll, wird in | |
| Wirklichkeit die Hilfsgemeinschaft und die internationale Diplomatie in die | |
| Knie zwingen“, teilte Miliband mit. Er sprach von einer Schande für die | |
| USA, die er für die „weitere Verelendung der Jemenit*innen“ | |
| mitverantwortlich machte. Insbesondere in Somalia habe die Erfahrung | |
| gezeigt, dass die Kosten von Terrorlistungen inmitten komplexer Konflikte | |
| in unschuldig verlorenen Leben gemessen werden können. | |
| ## Pompeo verspricht Extra-Genehmigungen für NGOs | |
| Die humanitäre Hilfe werde von dem Schritt nicht betroffen sein, | |
| [5][verspricht] dagegen Pompeo. Die USA planten weitere Schritte, um den | |
| „Einfluss“ der Rebellen auf „humanitäre Aktivitäten“ sowie Importe na… | |
| Jemen zu reduzieren. Außerdem werde es spezielle Genehmigungen für | |
| US-Behörden sowie für NGOs geben, die in Jemen – auch in den Huthi-Gebieten | |
| – humanitäre Hilfe leisten. | |
| Als Begründung für die Einstufung der Huthis als Terrororganisation gab | |
| Pompeo an, die Gruppe habe „viele Menschen getötet“, trage zur | |
| Destabilisierung der Golfregion bei und behindere eine Lösung des | |
| Jemenkonflikts. Er warf ihnen außerdem vor, sich auf die Seite Irans | |
| geschlagen zu haben, des „weltweit führenden staatlichen Förderers von | |
| Terrorismus.“ | |
| Auch für „grenzüberschreitende Angriffe, welche die Zivilbevölkerung, die | |
| Infrastruktur und die kommerzielle Schifffahrt bedrohen“ machte Pompeo die | |
| Miliz verantwortlich. Die Huthis greifen immer wieder Ziele im Nachbarland | |
| Saudi-Arabien an, das als ärgster Feind der Huthis gilt und einen Luftkrieg | |
| gegen sie anführt, in dem regelmäßig Zivilist*innen getötet werden. | |
| Beobachter*innen werfen Saudi-Arabien Kriegsverbrechen vor. | |
| Aber auch die Huthis werden – nicht nur von der US-Regierung – schwerer | |
| Verbrechen beschuldigt. Sie sollen Landminen einsetzen, Kinder als Soldaten | |
| rekrutieren und politische Gegner*innen foltern und kidnappen. „Niemand | |
| hier hat saubere Hände“, [6][sagte Melissa Parke, Mitglied einer | |
| UN-Expertengruppe zum Jemen, im taz-Interview]. | |
| „Wir machen uns keine Illusionen über die gefährlichen Aktionen der | |
| Huthis“, [7][schrieb] auch eine Gruppe US-amerikanischer Kongressmitglieder | |
| im Vorfeld der jüngsten Ankündigung Pompeos, „aber eine pauschale | |
| Einstufung (als Terrororganisation, d. Red.) wird die Risiken, die mit dem | |
| Transfer von humanitären Geldern nach Jemen verbunden sind, dramatisch | |
| erhöhen.“ | |
| Die Abgeordneten warnen vor „katastrophalen Auswirkungen“ und davor, dass | |
| die Terrorlistung der Huthis „noch größeres Leid verursachen könnte, | |
| angesichts der Zahl der Menschen, die unter ihrer Gerichtsbarkeit stehen, | |
| sowie ihrer Kontrolle über staatliche Institutionen.“ Darüber hinaus | |
| befürchten die Abgeordneten eine „abschreckende Wirkung auf die | |
| Spendenbereitschaft internationaler Geber“, die dazu führen könnte, dass | |
| dringend benötigte Programme zur Bekämpfung von Unterernährung eingestellt | |
| werden müssen. | |
| Neben Hilfsorganisationen und US-Abgeordneten hatten auch Deutschland und | |
| Schweden versucht, die US-Regierung von ihrer nun getroffenen Entscheidung | |
| abzubringen. Aus Regierungskreisen in Berlin hieß es am Montag, man sei | |
| über die Terrorlistung „besorgt“, auch wenn das Verhalten der Huthis | |
| zweifellos sehr kritisch zu bewerten sei. Auch innerhalb der | |
| Trump-Regierung selbst war der Schritt umstritten; die Washington Post | |
| [8][berichtet] von einer „internen Schlacht“. | |
| Die Huthis reagierten auf die jüngste US-Entscheidung indes mit einer | |
| Drohung. „Wir haben das Recht, darauf zu antworten“, schrieb der | |
| Rebellen-Kommandeur Mohammed Ali al-Huthi auf Twitter. „Amerika ist die | |
| Quelle des Terrorismus. Es ist direkt in die Tötung und das Aushungern des | |
| jemenitischen Volks involviert.“ | |
| ## Hindernis im Friedensprozess | |
| Auch die von den Vereinten Nationen unterstützten Friedensverhandlungen | |
| zwischen den jemenitischen Kriegsparteien dürfte die Terrorlistung | |
| erschweren. Ein ausführliches, von den UN entworfenes Dokument liegt auf | |
| dem Tisch, das einen Weg hin zu einer friedlichen Lösung des Konflikts | |
| zeichnet. Die als „Joint Declaration“ bekannte Vereinbarung sieht Schritte | |
| vor, um die wirtschaftliche und humanitäre Lage auf Dauer zu verbessern. | |
| Auf Grundlage der „Joint Declaration“ versucht der Jemen-Beauftragte der | |
| UN, Martin Griffiths, die Konfliktparteien zu Kompromissen zu bewegen. | |
| [9][Im September hatten die Widersacher als vertrauensbildenden Schritt | |
| einen Gefangenenaustausch vereinbart]. Innerhalb von zwei Tagen wurden mehr | |
| als 600 Huthi-Kämpfer und rund 400 gefangene Kämpfer der Regierung | |
| freigelassen und nach Aden sowie nach Sanaa gebracht. | |
| 11 Jan 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://twitter.com/SecPompeo/status/1348490896891850754?s=20 | |
| [2] https://www.state.gov/terrorist-designation-of-ansarallah-in-yemen/ | |
| [3] /Iran-Expertin-ueber-das-Nuklearabkommen/!5738565 | |
| [4] https://twitter.com/DMiliband/status/1348468302549544961?s=20 | |
| [5] https://www.state.gov/terrorist-designation-of-ansarallah-in-yemen/ | |
| [6] /UN-Expertin-ueber-Krieg-im-Jemen/!5713074 | |
| [7] https://teddeutch.house.gov/uploadedfiles/2020.11.19_yemen_malnutrition_let… | |
| [8] https://www.washingtonpost.com/national-security/yemen-terrorist-designatio… | |
| [9] /Gefangenenaustausch-in-Jemen/!5721586 | |
| ## AUTOREN | |
| Jannis Hagmann | |
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