Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Gewerkschaft stellt Strafantrag: Aus der Arbeitgeber-Bibel
> Der christliche Fernsehsender Bibel TV aus Hamburg behindert die Gründung
> eines Betriebsrats. Potenzielle Gründer wurden gefeuert.
Bild: Spricht lieber über Gott als über Stoppuhren: Bibel-TV-Geschäftsführe…
Hamburg taz | Abneigung gegenüber Betriebsräten – so etwas kommt
bekanntlich in den besten Unternehmerfamilien vor. Manchen Verhinderern
dieser Form von innerbetrieblicher Demokratie ist nicht bewusst, dass diese
Anti-Haltung strafrechtlich relevant sein kann. „Mit Freiheitsstrafe bis zu
einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft“, wer „eine Wahl des
Betriebsrats behindert“, heißt es in § 119 des Betriebsverfassungsgesetzes.
Ausgerechnet ein mit christlicher Ausrichtung für sich werbendes
Unternehmen aus Hamburg sieht sich nun mit einem entsprechenden Strafantrag
konfrontiert: der im Hamburger Stadtteil Hammerbrook ansässige Sender Bibel
TV.
Gestellt hat den Strafantrag die Kirchengewerkschaft, deren
Bundesgeschäftsstelle in Hamburg-Schnelsen sitzt. In einem beim
Arbeitsgericht anhängigen Streit vertritt sie den IT-Fachmann Jan Preuß*.
Der Vorwurf der Gewerkschaft: Der promovierte Theologe, der auch Pastor in
einer Hamburger Gemeinde ist, habe den Sender verlassen müssen, weil er
einen Betriebsrat gründen wollte. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft
bestätigte, dass eine Strafanzeige in Sachen Bibel TV „in der hiesigen
Abteilung für Wirtschaftsdelikte eingetragen“ sei.
Mehrheitseigner von Bibel TV ist die Rentrop-Stiftung mit 52 Prozent.
Namensgeber Norman Rentrop wiederum ist Gründer des VNR Verlags für die
Deutsche Wirtschaft AG. Der Sender beschreibt ihn als geläuterten
Workaholic: Mittlerweile arbeite Rentrop „nicht mehr 120 Stunden pro Woche,
sondern er gönnt sich jetzt auch freie Zeit – Zeit, die er mit Gott
verbringt“.
Zu den Minderheitsgesellschaftern gehört das Gemeinschaftswerk der
Evangelischen Publizistik (GEP), in dem auch die renommierte Zeitschrift
epd Film erscheint. Finanziell gesehen geht es Bibel TV gut. Laut [1][dem
letzten veröffentlichten „Wirkungsbericht“] nahm man 2018 10,8 Millionen
Euro Spenden ein. Der Jahresüberschuss betrug 603.000 Euro.
## Betriebsbedingte Kündigung kurz vor Weihnachten
Die Geschichte hinter dem Strafantrag beginnt im August 2019, als eine
Gruppe um Preuß zu einer Betriebsversammlung zwecks Wahl eines
Wahlvorstandes für einen Betriebsrat einlädt. Im September erfährt Preuß,
dass sein bis Ende Juli 2020 laufender Vertrag nicht verlängert wird. Zwei
Tage später bekommt er seine erste Abmahnung, vier weitere Tage später die
nächste, im November noch eine.
Kurz vor Weihnachten erhält er eine betriebsbedingte Kündigung und wird mit
sofortiger Wirkung freigestellt. Einer weiteren Person, die einen
Betriebsrat auf den Weg bringen wollte – einer fest angestellten
Online-Redakteurin – wird fristlos gekündigt. Sie hat sich mit dem Sender
auf einen Vergleich geeinigt.
Hubert Baalmann, der Sekretär [2][der Kirchengewerkschaft], sagt, einen
Betriebsrats-Verhinderungsversuch habe er „in dieser massiven Form“ bisher
noch nicht erlebt.
Die taz hat Bibel TV zweimal innerhalb rund eines Monats die Gelegenheit zu
einer Stellungnahme gegeben – das Unternehmen ließ einen Fragenkatalog aber
unbeantwortet. Thomas Brand, der Pressesprecher von Bibel TV, sagt
lediglich: „Die von Ihnen angesprochenen Vorgänge bezogen sich auf
individuelle, arbeitsinterne Angelegenheiten, die sich noch mit den
betreffenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Klärungsprozess
befinden.“ Bis dieser abgeschlossen ist, wolle man „keine öffentliche
Stellung beziehen“.
Die Fragen der taz bezogen sich auch auf von Mitarbeitern beobachtete
bizarre Begleitumstände – zum Beispiel, ob es zutrifft, dass die später
gekündigte Online-Redakteurin zunächst von ihren eigentlichen Tätigkeiten
entbunden worden sei und Geschäftsführer Matthias Brender dann einen Teil
der ihr statt dessen zugewiesenen Tätigkeiten mit einer Stoppuhr überwacht
habe. Oder ob Brender über die Kollegin in einer betriebsinternen
Veranstaltung im November gesagt hat, sie bereite „seit fünf Jahren
Probleme“.
Auf solche verbalen Blutgrätschen bezieht sich ein Ex-Mitarbeiter von Bibel
TV, der im Februar am Rande von Jan Preuß’ gescheitertem Gütetermin vor dem
Arbeitsgericht Hamburg sagte: „Vom rein Rechtlichen mal abgesehen, müssten
sich diese Herrschaften fragen, ob sie das vor Gott verantworten können –
falls sie überhaupt christliche Werte vertreten. Falls nicht, ist für sie
natürlich alles chico.“
Beim Gütetermin wartete der Pinneberger Arbeitsrechtler Tobias Blankenburg,
der Bibel TV vertritt, mit einer überraschenden Darstellung auf: Der Sender
habe sich entschieden, die Arbeit für Programmierer „extern zu vergeben“,
deshalb habe man Preuß freigestellt. Der erste Kammertermin in Sachen Preuß
gegen Bibel TV findet am 9. Juli statt.
*Name von der Redaktion geändert
12 Mar 2020
## LINKS
[1] https://www.bibeltv.de/fileadmin/user_upload/BibelTV-Dokumente/Jahresberich…
[2] https://www.kirchengewerkschaft.de/
## AUTOREN
René Martens
## TAGS
Kirche
Gewerkschaft
Betriebsrat
Hamburg
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.