| # taz.de -- Gesundheitspolitik nach Covid: WHO verabschiedet Pandemievertrag | |
| > Mehr als 190 Länder haben den Vertrag unterschrieben, um Chaos bei einer | |
| > nächsten Pandemie zu vermeiden. Wichtige Details sind noch offen. | |
| Bild: Kiel, April 2020: Bunte Stoffmasken, die vor einer Coronainfektion schüt… | |
| Genf dpa | Die Weltgemeinschaft will Panik und Chaos wie während der | |
| Corona-Pandemie im Fall einer neuen großen Gesundheitsnotlage verhindern. | |
| Dazu haben die Mitglieder der Weltgesundheitsorganisation ([1][WHO]) in | |
| Genf einen Pandemievertrag verabschiedet. Das internationale Vertragswerk | |
| war in der Rekordzeit von gut drei Jahren ausgehandelt worden. Die | |
| Delegationen feierten die Annahme mit anhaltendem Applaus. | |
| Ein Vertrag war aus Sicht der WHO-Mitglieder nötig, weil eine ähnliche | |
| Situation wie die Corona-Pandemie zu befürchten ist. WHO-Chef Tedros | |
| Adhanom Ghebreyesus warnt: „Die nächste Pandemie ist keine Frage des „ob�… | |
| sondern des „wann““. Die wichtigsten Fragen und Antworten: | |
| Was lief bei der Corona-Pandemie schief? | |
| Als sich 2020 das Coronavirus Sars-Cov-2 von China aus in der ganzen Welt | |
| verbreitete, reagierten viele Länder mit Panik. Masken und Schutzmaterial | |
| waren knapp. Regierungen machten sich gegenseitig Bestellungen streitig, | |
| viele verhängten Ausfuhrsperren für solches Material, auch Deutschland. Als | |
| endlich Impfstoff da war, horteten Länder die Impfdosen, die USA und Indien | |
| stoppten sämtliche Ausfuhren. Und während in reichen Ländern schon die | |
| dritte Impfung verabreicht wurde, warteten Menschen in ärmeren Ländern noch | |
| auf die erste Lieferung. | |
| Die Folgen: [2][schätzungsweise 36 Millionen Tote weltweit] – durch eine | |
| Infektion oder weil sie wegen anderer Krankheiten in der Pandemie nicht | |
| behandelt werden konnten. Die Wirtschaft brach weltweit ein, Millionen von | |
| Kleinunternehmen gingen pleite. | |
| ## Was wird mit dem Vertrag anders? | |
| Prävention: Länder verpflichten sich, ihre Gesundheitssysteme und die | |
| Überwachung des Tierreichs so zu stärken, dass Krankheitsausbrüche schnell | |
| entdeckt und möglichst im Keim erstickt werden. | |
| Lieferketten: Alle Länder sollen Zugriff auf Schutzmaterial, Medikamente | |
| und Impfstoff haben. Gesundheitspersonal soll weltweit zuerst versorgt | |
| werden. | |
| Technologietransfer: Pharmafirmen sollen ihr Know-how teilen, damit auch in | |
| anderen Ländern Medikamente und Impfstoffe produziert werden können. | |
| Forschung und Entwicklung: DNA-Sequenzen von Pathogenen – also etwa Viren, | |
| Bakterien oder anderen Mikroorganismen – sollen für die Entwicklung von | |
| Medikamenten und Impfstoffen frei zur Verfügung gestellt werden. Im | |
| Gegenzug sollen Impfstofffirmen der WHO zehn Prozent ihrer Produktion zur | |
| Verteilung in ärmeren Ländern spenden und weitere zehn Prozent zu günstigen | |
| Preisen abgeben – das sogenannte Pabs-System. | |
| ## Sind alle Erwartungen erfüllt worden? | |
| Unterm Strich ja – aber in den gut dreijährigen Verhandlungen waren | |
| zahlreiche Kompromisse nötig. Europäer wollten zum Beispiel stärkere | |
| Auflagen bei der Prävention: Regierungen sollen das Krankheitsgeschehen in | |
| der Tierwelt enger überwachen, weil Erreger von dort sich an Menschen | |
| anpassen können. Ärmere Länder verwiesen auf die hohen Kosten. [3][Die | |
| afrikanischen Länder wiederum hätten gerne strengere Auflagen im | |
| Pabs-System und beim Technologietransfer gesehen sowie klare | |
| Finanzierungshilfen zur Stärkung der Gesundheitssysteme.] | |
| ## Warum warnen Populisten vor dem Vertrag? | |
| Verschwörungstheoretiker behaupten vor allem in sozialen Netzwerken, die | |
| WHO könne nun bei der nächsten Pandemie Zwangsmaßnahmen anordnen. Auch die | |
| konservative Schweizer Wochenzeitung „Weltwoche“ haut in diese Kerbe: „Die | |
| WHO würde mit dem neuen Vertragswerk faktisch zur mächtigsten Behörde der | |
| Welt, zu einer Behörde, die über den Ausnahmezustand entscheidet“, schreibt | |
| sie. | |
| Das ist falsch. In Artikel 22 des Pandemievertrags steht ausdrücklich, dass | |
| weder die WHO noch ihr Generaldirektor innerstaatliche Maßnahmen anordnen, | |
| Reisebeschränkungen verhängen, Impfungen erzwingen oder Lockdowns anordnen | |
| können. Der Vertrag gilt nur in Ländern, die ihn ratifizieren. In dem | |
| Vertrag sind keine Strafmaßnahmen vorgesehen, wenn ein Land seinen | |
| Verpflichtungen nicht nachkommt. | |
| ## Wie geht es weiter? | |
| Die Modalitäten des Pabs-Systems wurden in einen Anhang ausgelagert, der | |
| noch ausgehandelt werden muss. Das dürfte ein weiteres Jahr dauern. Dann | |
| erst kann der Vertrag den Regierungen zur Ratifizierung vorgelegt werden. | |
| Er tritt erst in Kraft, wenn 60 Länder ihn ratifiziert haben. Die WHO hat | |
| derzeit noch 194 Mitgliedsstaaten, die USA und Argentinien haben jedoch | |
| ihren Austritt angekündigt. | |
| 20 May 2025 | |
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