| # taz.de -- Friedensnobelpreis an Narges Mohammadi: „Jin, Jiyan, Azadî“ | |
| > Der Friedensnobelpreis geht in diesem Jahr an die iranische | |
| > Menschenrechtlerin Narges Mohammadi. Sie ist derzeit in Haft. Die | |
| > Auszeichnung ehrt auch die Protestierenden im Iran. | |
| Bild: Narges Mohammadi auf einem von ihrer Familie verbreiteten Foto | |
| Oslo dpa/epd/afp/taz | Als Höhepunkt der Nobelpreis-Woche ist am Freitag | |
| der Friedensnobelpreis 2023 verliehen worden. Er geht in diesem Jahr an die | |
| iranische Frauenrechtlerin Narges Mohammadi. Sie ist im Iran inhaftiert. | |
| Das gab das norwegische Nobelkomitee in Oslo bekannt. Es ehrt damit auch | |
| die Protestbewegung im Iran. Die Bekanntgabe wurde [1][im Livestream | |
| übertragen]. | |
| Die 51-jährige Narges Mohammadi ist eine der bekanntesten | |
| Menschenrechtsaktivistinnen im Iran und wurde bereits mehrfach inhaftiert. | |
| Ende 2022, während der landesweiten Aufstände gegen Irans Machtapparat, | |
| brachte Mohammadi einen Bericht ans Licht, der mutmaßliche Folter an | |
| Dutzenden Frauen im Hochsicherheitsgefängnis aufdeckte. | |
| Damit werde ihr Kampf gegen die Unterdrückung der Frauen in ihrer Heimat | |
| und ihr Einsatz für die Menschenrechte und Freiheit für alle gewürdigt, | |
| sagte die Komiteevorsitzende Berit Reiss-Andersen. Sie hatte die Verkündung | |
| der Preisvergabe mit den Worten „Jin, Jiyan, Azadî“ („Frau, Lebe, | |
| Freiheit“) eingeleitet, die zum Slogan der [2][im Herbst 2022 begonnenen | |
| Protestwelle] wurden. | |
| „Ihr mutiger Kampf ist mit gewaltigen persönlichen Kosten verbunden“, sagte | |
| Reiss-Andersen. Das Regime habe sie insgesamt 13 Mal festgenommen, sie | |
| fünfmal verurteilt und mit insgesamt 31 Jahren Gefängnis und 154 | |
| Peitschenhiebe bestraft. | |
| [3][Aktuell verbüßt Mohammadi eine langjährige Haftstrafe im berüchtigten | |
| Ewin-Gefängnis in Teheran]. Reiss-Andersen forderte die iranischen Behörden | |
| auf, die Aktivistin freizulassen, damit sie die Auszeichnung im Dezember | |
| persönlich entgegennehmen könne. | |
| Mohammadis war im Mai 2015 festgenommen und zu 16 Jahren Haft verurteilt | |
| worden. Im Oktober 2020 wurde sie wegen Haftunfähigkeit aus | |
| gesundheitlichen Gründen vorzeitig freigelassen, doch ein gutes Jahr später | |
| erneut festgenommen. Es folgte wieder eine Verurteilung, diesmal zu mehr | |
| als acht Jahren Haft. | |
| Aus dem Gefängnis heraus kämpft Mohammadi weiter für Menschenrechte. Im | |
| Dezember veröffentlichte sie einen Bericht über den massiven Einsatz von | |
| sexualisierter Gewalt. Ihre Berichte beleuchten die Verbrechen des | |
| iranischen Regimes und beschreiben die Auswirkungen von Isolationshaft und | |
| Folter. „Unter den 58 inhaftierten Frauen leiden einige an schweren und | |
| gefährlichen Erkrankungen, die es ihnen noch schwerer machen, die Haft zu | |
| ertragen“, schilderte Mohammadi die Lage. | |
| Anfang Februar wurde Mohammadi für ihren Einsatz für Frauenrechte bereits | |
| mit dem schwedischen Olof-Palme-Preis ausgezeichnet. | |
| Die iranische Frauenrechtlerin ist die 19. Frau, die mit dem | |
| Friedensnobelpreis ausgezeichnet wird. Dagegen stehen 92 Männer auf der | |
| Liste der Preisträger, seitdem die Auszeichnung 1901 zum ersten Mal | |
| vergeben wurde. Zuletzt erhielt die philippinische Journalistin Maria Ressa | |
| die Auszeichnung, die 2021 zusammen mit dem russischen Journalisten Dmitri | |
| Muratow geehrt wurde. | |
| ## Lob von der UN, Baerbock und Scholz | |
| Die Vereinten Nationen haben den Nobelpreis für Mohammadi begrüßt. „Frauen | |
| im Iran sind eine Inspiration für die Welt“, sagte Liz Throssell, | |
| Sprecherin des UN-Büros für Menschenrechte, am Freitag in Genf. „Wir haben | |
| ihren Mut und ihre Entschlossenheit angesichts von Repressalien, | |
| Einschüchterung und Gewalt gesehen.“ | |
| Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat die Auszeichnung | |
| begrüßt. Die Auszeichnung zeige die „Kraft von Frauen für Freiheit“, | |
| erklärte Baerbock am Freitag [4][im Onlinedienst X (vormals Twitter)]. | |
| „Mohammadis furchtlose Stimme lässt sich nicht wegsperren, die Zukunft des | |
| Irans sind seine Frauen“. | |
| Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) [5][schrieb auf Ex-Twitter]: „Mein Respekt | |
| gilt der diesjährigen Friedensnobelpreisträgerin – für ihren Mut und ihren | |
| Kampf für die Rechte der iranischen Frauen.“ | |
| FDP-Chef Christian Linder [6][bezeichnete die Preisvergabe] als „ein | |
| bedeutsames Zeichen der Hoffnung“. Der mutige Einsatz vieler Iranerinnen | |
| für universelle Menschenrechte und ein Leben in Freiheit könne kaum genug | |
| gewürdigt werden. | |
| Die Präsidentin der EU-Kommission, [7][Ursula von der Leyen, gratulierte | |
| Mohammadi]. Die Preisverleihung würdige „den mutigen und edlen Kampf | |
| iranischer Frauen, die sich der Unterdrückung auf eigene Gefahr | |
| widersetzen.“ | |
| ## Mehr als 350 Nominierungen | |
| Angesichts einer weiterhin angespannten Weltlage mit Ukraine-Krieg, | |
| Klimakrise und weiteren Konflikten gab es Kandidaten genug: 259 | |
| Persönlichkeiten und 92 Organisationen sind in diesem Jahr im Rennen. Die | |
| Gesamtzahl von 351 Nominierten ist damit die zweithöchste jemals. Wer unter | |
| den Nominierten ist, wird von den Nobel-Institutionen traditionell 50 Jahre | |
| lang geheim gehalten. | |
| Der Friedensnobelpreis gilt als wichtigster politischer Preis der Erde. | |
| Häufig wird eine einzelne Person oder Organisation mit ihm ausgezeichnet, | |
| das Nobelkomitee kann ihn aber auch wie im Vorjahr an bis zu drei | |
| Preisträger zugleich vergeben. | |
| [8][Im vergangenen Jahr war der Preis] an den inhaftierten belarussischen | |
| [9][Menschenrechtsanwalt Ales Bjaljazki] sowie die | |
| Menschenrechtsorganisationen [10][Memorial aus Russland] und [11][Center | |
| for Civil Liberties aus der Ukraine] gegangen. Sie waren damit unter | |
| anderem für ihren Einsatz für die Zivilgesellschaften in ihren | |
| Heimatländern, das Recht auf Machtkritik und den Schutz der Grundrechte der | |
| Bürger geehrt worden. | |
| ## Selenskyj wird hoch gewettet | |
| Wer den Nobelpreis bekommt, war vorab wie stets ein großes Geheimnis. Unter | |
| Wettanbietern war zuletzt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj als | |
| Favorit betrachtet worden – Friedensforscher hielten dies jedoch für eher | |
| unwahrscheinlich, weil sich Selenskyj mit der Ukraine weiterhin im | |
| Verteidigungskrieg gegen Russland befindet. | |
| Auf der jährlichen Favoritenliste des Direktors des Osloer | |
| Friedensforschungsinstituts Prio, Henrik Urdal, standen unter anderen die | |
| Menschenrechtlerinnen Narges Mohammadi aus dem Iran und Mahbuba Seradsch | |
| aus Afghanistan. Der Direktor des Stockholmer Friedensforschungsinstituts | |
| Sipri, Dan Smith, hielt – angesichts der zahlreichen Extremwetterereignisse | |
| in diesem Sommer – einen Friedensnobelpreis für den Klimaschutz für eine | |
| gute Idee. | |
| Eine solche Preisvergabe würde den Fokus auf den Klimawandel und seine | |
| Verbindungen zu Unsicherheit und Konflikten richten, hatte Smith vor der | |
| diesjährigen Bekanntgabe gesagt. Sein Vorschlag: Die eine Hälfte des | |
| Nobelpreises könnte an die von der schwedischen Klimaaktivistin Greta | |
| Thunberg initiierte [12][Klimabewegung Fridays for Future] gehen, mit der | |
| anderen Hälfte könnte der wichtige Beitrag indigener Völker zu dem Thema | |
| geehrt werden, etwa in Person des brasilianischen Häuptlings Raoni | |
| Metuktire. | |
| Der Friedensnobelpreis ist der einzige der Nobelpreise, der nicht in der | |
| schwedischen Hauptstadt Stockholm, sondern in der norwegischen Hauptstadt | |
| Oslo vergeben wird. In Stockholm waren von Montag bis Donnerstag bereits | |
| die Preisträgerinnen und Preisträger in den Kategorien [13][Medizin], | |
| Physik, [14][Chemie] und [15][Literatur] verkündet worden. Zum Abschluss | |
| der diesjährigen Preisbekanntgaben folgt am Montag der Nobelpreis für | |
| Wirtschaftswissenschaften. | |
| Alle Auszeichnungen sind in diesem Jahr mit elf Millionen schwedischen | |
| Kronen (rund 950.000) und damit mit einer Million Kronen mehr als in den | |
| Vorjahren dotiert. Feierlich überreicht werden sie dann traditionell am 10. | |
| Dezember, dem Todestag des schwedischen Dynamit-Erfinders und Preisstifters | |
| Alfred Nobel (1833-1896). | |
| 6 Oct 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.youtube.com/live/B9ducqb_fH4?si=QXAzGuRMNqvx5k2_ | |
| [2] /Proteste-in-Iran/!t5884344 | |
| [3] /Weisse-Folter-in-iranischem-Gefaengnis/!5915486 | |
| [4] https://twitter.com/ABaerbock/status/1710226621297238074 | |
| [5] https://twitter.com/Bundeskanzler/status/1710232315647930378 | |
| [6] https://twitter.com/c_lindner/status/1710226972352110952 | |
| [7] https://twitter.com/vonderleyen/status/1710231399888740683 | |
| [8] /Friedensnobelpreis-fuer-drei-Akteure/!5884277 | |
| [9] /Ehefrau-des-Friedensnobelpreistraegers/!5919702 | |
| [10] /!5886518/ | |
| [11] /Friedensnobelpreise-2022/!5884261 | |
| [12] /Schwerpunkt-Fridays-For-Future/!t5571786 | |
| [13] /Forschung-zur-mRNA-Technologie/!5964315 | |
| [14] /Nobelpreis-Chemie/!5964544 | |
| [15] /Nobelpreis-fuer-Literatur/!5964716 | |
| ## TAGS | |
| Friedensnobelpreis | |
| Nobelpreis | |
| Norwegen | |
| GNS | |
| Proteste in Iran | |
| Narges Mohammadi | |
| Sipri | |
| Proteste in Iran | |
| Proteste in Iran | |
| Proteste in Iran | |
| GNS | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| Proteste in Iran | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Sipri-Bericht über Waffenexporte: Rüstungsfirmen fehlen Kapazitäten | |
| Das Friedensforschungsinstitut Sipri sieht vor allem Hersteller aus Asien | |
| als Profiteure globaler Aufrüstung. Die US-Firmen haben Kapazitätsprobleme. | |
| Nach Vorfall mit Sittenpolizei in Iran: Armita Garawand ist hirntot | |
| Anfang Oktober wurde die 16-Jährige Armita Garawand nach einem Vorfall mit | |
| der Sittenpolizei ins Krankenhaus geliefert. Nun haben Ärzte sie für | |
| hirntot erklärt. | |
| Gefängnisfilm von Narges Mohammadi: Ihre Stimmen verstummen nicht | |
| Narges Mohammadi hat dieses Jahr den Friedensnobelpreis erhalten. Ihr | |
| Dokumentarfilm „White Torture“ ist Irans politischen Gefangenen gewidmet. | |
| Friedensnobelpreis für Narges Mohammadi: Für ein Ende der Tyrannei | |
| Der Nobelpreis für die iranische Menschenrechtsaktivistin ist ein | |
| wichtiges Zeichen. Er sollte der westlichen Kuscheldiplomatie zu denken | |
| geben. | |
| Literaturnobelpreis 2023: Jon Fosse ausgezeichnet | |
| Der Nobelpreis für Literatur geht in diesem Jahr an den Norweger Jon Fosse. | |
| Das hat das Nobelpreiskomitee in Stockholm am Donnerstag verkündet. | |
| Forschung zur mRNA-Technologie: Nobelpreis für Impfstoff-Forschende | |
| Der Medizin-Nobelpreis geht an die Ungarin Katalin Karikó und den | |
| US-Amerikaner Drew Weissman. Sie haben zur mRNA-Technologie geforscht. | |
| Iran-Aktivistin über Social Media: „Die Macht eines Herzchens“ | |
| Seit dem Tod von Jina Mahsa Amini vor einem Jahr ist Daniela Sepehri | |
| unermüdlich im Einsatz. Auf Social Media informiert sie über Iran. | |
| „Weiße Folter“ in iranischem Gefängnis: Einsamkeit, Verhöre und Qualen | |
| In iranischen Evin-Gefängnis soll Isolationshaft die Häftlinge brechen. Die | |
| Deutsche Nahid Taghavi hat die „weiße Folter“ erlebt. |