| # taz.de -- Frauen im Berlinale-Wettbewerb: Der Herr der Schöpfung selbst | |
| > Regisseurin Sally Potter ist Feministin, doch in ihrem Film „The Roads | |
| > Not Taken“ absorbiert ein Mann jede Aufmerksamkeit für die Frauen. | |
| Bild: Frauen sind zum Kümmern da: Javier Bardem und Laura Linney | |
| Weibliche Regisseurinnen, nicht nur im Berlinale-Wettbewerb, haben in der | |
| Regel eine Zusatzaufgabe: Sie sollen nicht nur die Quote in dem Höhe | |
| treiben, sondern dabei auch noch eine bestimmte Sicht vertreten. Sally | |
| Potters Film „The Roads Not Taken“ kommt so betrachtet als echte | |
| Trotzreaktion daher: Von der [1][70-jährigen Künstlerin, Autorin und | |
| Regisseurin,] die das Label Feministin nie gescheut hat, erwartet man in | |
| der Tat einen Film, der gefälligst von Frauen handeln soll oder doch | |
| wenigstens ihrer Sensibilität einen gewissen Raum gibt. | |
| Dem setzt Potter in „The Roads Not Taken“ Javier Bardem entgegen. Und zwar | |
| einen faltigen, fetthaarigen, bartstoppligen und keiner klaren Worte mehr | |
| mächtigen Bardem. Und siehe da: Selbst dieser männliche Schatten seiner | |
| selbst im Nachthemd, sich einpinkelnd, zieht das Interesse von sämtlichen | |
| Nebenfiguren des Films, lauter Frauen, ab. | |
| Das Genre ist so alt wie der Herr der Schöpfung selbst: Ein Mann blickt | |
| reuevoll auf sein Leben zurück, das von Frauen wie von Kilometersteinen | |
| markiert ist. In der Rahmenhandlung wird ein vor sich hin stöhnender Bardem | |
| von Tochter Molly (Elle Fanning) durch einen Tag in New York begleitet. Sie | |
| holt ihn in seinem einsiedlerischen Zuhause ab – wo ihn eine Xenia (Branka | |
| Katic) pflegt. | |
| Danach geht es zum Zahnarzt und dann weiter zur augenärztlichen | |
| Untersuchung. Und weil es mit dem Alten schwierig ist, weil er auf | |
| niemanden hört und mit dem Kopf ganz woanders zu weilen scheint, landen sie | |
| zwischendurch auch noch in der Notaufnahme. Tochter Mollys Mitgefühl und | |
| Zugewandtheit bleiben aber die ganze Zeit über ungebrochen. | |
| Im Unterschied zur Tochter hat der Kinozuschauer das Privileg, zu wissen, | |
| wo der Geist des Mannes weilt, während er sich aus der Gegenwart entfernt: | |
| Da gibt es die eine Vergangenheit, in heißen, beige-braunen Tönen gehalten, | |
| in der die Trennung von Dolores (Salma Hayek) wohl gerade vollzogen wird. | |
| Auch da äußert Bardem schon keine ganzen Sätze mehr, zumindest nicht | |
| gegenüber der ehemaligen Geliebten; wie sich häppchenweise herausstellt, | |
| ist es der Schmerz, der ihn da überwältigt, denn die beiden hatten mal | |
| einen Sohn, der aber auf dem Schulweg verunglückte. Was aus dem Schmerz der | |
| Mutter wurde, interessiert nicht weiter. | |
| Während sich dieses wahrhaft traurige Schicksal enthüllt, wie gesagt | |
| häppchenweise, wandelt Bardem in der dritten Parallelhandlung im grellen | |
| Sonnenschein einer griechischen Insel und nunmehr in Blautönen. Dort stellt | |
| er sich zwei jungen Frauen als Schriftsteller vor und drängt sich mit | |
| Fragen auf wie: „Welches Ende für Romane bevorzugt ihr?“ Eine Frage, die | |
| kaum eine klügere Antwort zulässt als: Kommt auf die Geschichte an! | |
| Den Kinozuschauer oder die Kinozuschauerin fragt mal wieder keiner. Man | |
| würde an dieser Stelle nämlich ein anderes Ende bevorzugen. Aber vielleicht | |
| wollte Sally Potter mit ihrem Film genau das zeigen – wie wenig es doch | |
| braucht, um einen Film über Männer zu machen: weder große Dialoge, noch | |
| viel körperliche Präsenz, noch nicht mal ein außergewöhnliches Schicksal, | |
| nur eine Serie von Frauen, die Empathie empfinden. | |
| 27 Feb 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Barbara Schweizerhof | |
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