| # taz.de -- Rüstungshandel mit Israel: Geben und noch mehr nehmen | |
| > In der Diskussion um Deutschlands Israel-Politik ging es oft um | |
| > Waffenlieferungen. Was untergeht: Es kauft auch viele Rüstungsgüter von | |
| > dort. | |
| Bild: Eine Heron TP Drohne während eines Nato-Luftwaffen-Übung im Juni 2024 s… | |
| Berlin taz | Am 8. August verfügte Bundeskanzler Friedrich Merz, die | |
| Lieferung von Waffen aus Deutschland nach Israel zu stoppen – zumindest | |
| solcher, die in Gaza eingesetzt werden könnten. Vom 7. Oktober 2023, dem | |
| Tag des Überfalls der Hamas auf Israel, bis Mitte Mai genehmigte | |
| Deutschland Rüstungsexporte an Israel im Wert von rund 485 Millionen Euro. | |
| Deutschland ist Israels zweitgrößter Waffenlieferant; etwa 30 Prozent der | |
| israelischen Rüstungsimporte stammen aus Deutschland. Von Appellen, den | |
| Krieg in Gaza oder die Expansion im Westjordanland endlich zu beenden, | |
| zeigt sich Israel bislang nicht beeindruckt. | |
| Kaum Beachtung findet auch, dass die Bundeswehr ein bedeutender Käufer | |
| israelischer Rüstungsgüter ist. Bundestagsvizepräsident Omid Nouripour | |
| (Grüne) betonte kürzlich in einem Interview mit den Zeitungen der Funke | |
| Mediengruppe, wie stark Deutschland auf Israels Rüstungstechnologie und | |
| nachrichtendienstliche Zusammenarbeit angewiesen sei. Dabei kritisierte er | |
| den Teilstopp der Waffenlieferungen. | |
| Schon 2020 räumte das Bundeskriminalamt ein, die umstrittene | |
| [1][israelische Spionagesoftware Pegasus] zu nutzen. Deutschland ist nach | |
| den USA der zweitgrößte Abnehmer israelischer Rüstungsgüter. 2024 wurde | |
| Europa zum wichtigsten Markt für Israels militärische Exporte: EU-Staaten | |
| kauften fast die Hälfte aller Ausfuhren. | |
| Auch nachdem [2][der Internationale Gerichtshof im Januar 2024 entschied], | |
| dass im Gazastreifen die Gefahr eines Völkermords durch Israel bestehe, | |
| setzten Deutschland und andere Länder ihre Waffenlieferungen und Einkäufe | |
| fort. Im Mai 2025 erhielt die deutsche Luftwaffe vom staatseigenen | |
| Rüstungskonzern Israel Aerospace Industries (IAI) ein Teil des | |
| Arrow-3-Raketenabwehrsystems, das Deutschland Ende 2023 [3][für 3,6 | |
| Milliarden Euro] bestellt hatte. | |
| Im Mai 2024 lieferte der israelische Staatskonzern IAI die erste für | |
| Deutschland entwickelte, unbemannte und bewaffnete | |
| Heron-Überwachungsdrohne. Auch der Rüstungskonzern Rafael betont auf seiner | |
| Website die enge Zusammenarbeit mit Deutschland. Ende Oktober 2024 feierten | |
| Vertreter beider Länder, dass deutsche Leopard-2-Panzer mit | |
| Rafael-Technologie ausgestattet wurden. | |
| „Dieser Meilenstein reiht sich in eine Reihe von kürzlich geschlossenen | |
| hochkarätigen Verteidigungsabkommen“, schrieb der israelische Konzern. Der | |
| Chef des Leopard-Herstellers KNDS Deutschland Ralf Ketzel sah darin einen | |
| [4][„großen Schritt in der Kooperation zwischen zwei Nationen“]. Erst | |
| vergangene Woche vermeldete Rafael auf seiner Website, Deutschland habe den | |
| Kauf von Technologie für die Eurofighter Kampfjets der Bundeswehr | |
| bewilligt. | |
| ## Augsburger Unternehmen umgeht Waffenembargo einfach | |
| Im Juli 2025 verkündete Israels größter privater Rüstungskonzern Elbit | |
| Systems, Airbus habe im Auftrag der deutschen Luftwaffe Raketen im Wert von | |
| 260 Millionen US-Dollar bestellt. Airbus SE ist Europas größter Luft- und | |
| Raumfahrtkonzern sowie zweitgrößtes Rüstungsunternehmen und das drittgrößte | |
| Luft- und Raumfahrtunternehmen der Welt. Elbit freute sich im März auf | |
| seiner Website über den Boom auf dem europäischen Markt, der zwischen 2021 | |
| und 2024 um 106 Prozent gewachsen sei. | |
| Deutsche und israelische Rüstungskonzerne sind vielfach verflochten. Für | |
| das [5][Augsburger Unternehmen Renk], das unter anderem Getriebe für Panzer | |
| herstellt, ist Israel ein wichtiger Handelspartner. Mitte August erklärte | |
| Geschäftsführer Alexander Sagel, dass er ein Exportembargo umgehen werde: | |
| „Wenn wir sie nicht in Deutschland produzieren können, werden wir diese | |
| Mengen in ein anderes Werk verlagern, zum Beispiel in die USA. Das könnte | |
| vielleicht 8 bis 10 Monate dauern“, sagte Sagel auf einer Telefonkonferenz, | |
| [6][berichtete die Nachrichtenagentur Reuters.] | |
| Nicht nur Rüstungsfirmen profitieren von Israels Kriegswirtschaft. | |
| UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese prangerte Anfang Juli in | |
| ihrem Bericht [7][„Von der Besatzungswirtschaft zur Völkermordwirtschaft“] | |
| die vielen Verstrickungen internationaler Unternehmen an. Der Bericht trägt | |
| Recherchen aus der Zivilgesellschaft und Wissenschaft zusammen. Er nennt 48 | |
| Unternehmen, darunter auch drei aus Deutschland. Die USA reagierten auf den | |
| Bericht, indem sie gegen Albanese Sanktionen verhängten, während Israel ihr | |
| Voreingenommenheit und Verharmlosung vorwarf. | |
| Zur Finanzierung des Gazakriegs gab Israel zwischen dem 7. Oktober 2023 | |
| und Anfang 2025 Staatsanleihen im Wert von 19,4 Milliarden US-Dollar aus. | |
| Große Banken wie die Deutsche Bank griffen zu, ebenso der Allianz-Konzern | |
| über seine Tochter Pimco. Der UN-Bericht wirft dem Münchner | |
| Versicherungsunternehmen vor, als „Befähiger“ den Krieg in Gaza zu | |
| finanzieren. | |
| Darüber hinaus würde der Allianz-Konzern durch Versicherungspolicen Risiken | |
| abdecken, „die andere Unternehmen zwangsläufig eingehen, wenn sie in Israel | |
| und den besetzten palästinensischen Gebieten tätig sind. Dadurch würden | |
| Menschenrechtsverletzungen begünstigt und das operative Umfeld „risikofrei“ | |
| gemacht. Allianz steht auch in der Kritik, weil es in den israelischen | |
| Rüstungskonzern Elbit investiert und diesen versichert. | |
| ## Booking.com- und Airbnb-Wohnungen im Westjordanland | |
| Eine Sprecherin der Allianz wies die Vorwürfe gegenüber der taz zurück: | |
| „Wir prüfen relevante Fälle individuell und ergreifen, wenn notwendig, | |
| entweder Maßnahmen zur Risikominderung oder verzichten auf die jeweilige | |
| Transaktion oder Geschäftsbeziehung.“ Allerdings gebe das Unternehmen | |
| „grundsätzliche keine Stellungnahme zu einzelnen Kundenbeziehungen oder | |
| Investitionen ab“. | |
| Der Bericht kritisiert auch andere Konzerne. Microsoft liefert Technologie | |
| für israelische Gefängnisse und Infrastruktur in besetzten Gebieten. | |
| Palantir soll mit künstlicher Intelligenz bei der Zielauswahl für | |
| militärische Angriffe helfen. Booking.com und Airbnb bieten Unterkünfte in | |
| illegalen Siedlungen im Westjordanland an. Vier | |
| Menschenrechtsorganisationen haben deshalb Anzeige gegen Booking.com | |
| erstattet. | |
| Ein [8][Gutachten des IGH] vom Juli 2024 stellte klar, dass Staaten Israels | |
| völkerrechtswidrige Besetzung nicht unterstützen dürfen. Israel treibt die | |
| Besiedlung der Gebiete im Westjordanland seit Jahrzehnten voran, etwa durch | |
| Straßennetze mit Kontrollposten und die systematische Ablehnung | |
| palästinensischer Bauanträge. Palästinenser*innen werden enteignet, | |
| vertrieben oder von Siedlern getötet – oft ohne Konsequenzen. | |
| Der UN-Bericht kritisiert auch den deutschen Zementhersteller Heidelberg | |
| Materials. Dessen Tochterfirma Hanson Israel baue im Steinbruch Nahal Raba | |
| im Westjordanland Dolomitgestein auf Land ab – auf Land, „das | |
| palästinensischen Dörfern weggenommen wurde“. Heidelberg Materials erklärt | |
| auf Anfrage der taz: „Seit November 2023 ist der Komplex Nahal Raba – | |
| einschließlich Steinbruch, Asphaltwerk und Betonwerk – geschlossen. Alle | |
| Aktivitäten wurden eingestellt.“ | |
| Die Sprecherin weist auch den Vorwurf zurück, das Unternehmen liefere | |
| Baumaterialien, die zum Siedlungsbau in den besetzten palästinensischen | |
| Gebieten eingesetzt werden. Allerdings können palästinensische Familien | |
| dorthin auch nicht zurückkehren. Ein israelisches Gericht beschied, das | |
| Land habe zuvor keine Eigentümer gehabt. | |
| ## Für Konsequenzen fehlt der politische Wille | |
| Doch was folgt daraus? „Um einer strafrechtliche Haftung nachzugehen, | |
| braucht es mehr konkrete Beweise, als in diesem Bericht und auch häufig | |
| sonst vorliegen“, sagt Miriam Saage-Maaß, Geschäftsführerin der | |
| Menschenrechtsorganisation European Center for Constitutional and Human | |
| Rights (ECCHR). Ähnliches gelte für zivilrechtliche Haftung. | |
| Der Bericht zeige jedoch, wo sich Ermittlungen und weitere Untersuchungen | |
| lohnten. „Der Albanese-Bericht macht klar, dass auch Wirtschaftsakteure an | |
| völkerrechtswidrigen Handlungen beteiligt sind und zur Verantwortung | |
| gezogen werden müssen.“ Juristische und politische Akteure müssten das | |
| aufgreifen. | |
| Dafür fehlt es jedoch am politischen Willen, sagt Saage-Maaß, und zwar im | |
| doppelten Sinne: „Es fehlt der Wille, sich mit möglichen Verbrechen, die in | |
| Israel begangen werden, und der Beteiligung deutscher Akteure zu | |
| beschäftigen.“ Darüber hinaus bestehe überhaupt wenig Interesse, „sich m… | |
| der Verantwortung von Wirtschaftsakteuren grundsätzlich zu beschäftigen“. | |
| Gesetze, die Firmen zur Einhaltung von Menschenrechten verpflichten, werden | |
| in Deutschland und Europa zurückgedreht. „Im Hinblick auf mutmaßliche | |
| Völkerstraftaten hat die Generalbundesstaatsanwaltschaft bislang sämtliche | |
| Fälle, die mit Israel zu tun haben, eingestellt“, sagt Saage-Maaß. Der | |
| ECCHR hatte selbst in Eilverfahren versucht, Waffenlieferungen an Israel zu | |
| stoppen. | |
| Ende Juli schlug die EU-Kommission erstmals vor, Sanktionen gegen Israel zu | |
| verhängen – allerdings nur für einen kleinen Bereich. Demnach sollten | |
| israelische Start-ups und kleine Unternehmen vom EU-Förderprogramm Horizon | |
| Europe ausgeschlossen werden, wenn sie in den Bereichen Drohnen, | |
| Cybersicherheit und künstliche Intelligenz tätig sind. Mehrere EU-Staaten | |
| fordern zudem, das Assoziierungsabkommen mit Israel auszusetzen, das | |
| Handelsvorteile gewährt. Bislang stellt sich insbesondere Deutschland | |
| strikt dagegen. | |
| 3 Sep 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Fragen-und-Antworten-zur-Pegasus-Affaere/!5787113 | |
| [2] /Voelkermord-Verfahren-gegen-Israel/!5985407 | |
| [3] https://www.bmvg.de/de/aktuelles/bundeswehr-beschafft-arrow-3-luftverteidig… | |
| [4] https://soldat-und-technik.de/2024/10/mobilitaet/40435/leopard-2-a7a1/ | |
| [5] /Panzerzulieferer-Renk-geht-an-die-Boerse/!5991063 | |
| [6] https://www.reuters.com/world/germany-israel-sign-formal-commitment-berlins… | |
| [7] https://www.ohchr.org/sites/default/files/documents/hrbodies/hrcouncil/sess… | |
| [8] https://www.icj-cij.org/sites/default/files/case-related/186/186-20240719-a… | |
| ## AUTOREN | |
| Leila van Rinsum | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Gaza | |
| Westjordanland | |
| Israel | |
| Deutschland | |
| Handel | |
| Rüstung | |
| Waffen | |
| GNS | |
| Gaza-Krieg | |
| Rüstungsindustrie | |
| Benjamin Netanjahu | |
| Rüstungsexporte | |
| Greta Thunberg | |
| Israel | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Israel | |
| Belgien | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Wieder deutsche Waffen für Israel: Bundesregierung hebt Teil-Exportstopp auf | |
| Nach einer dreimonatigen Pause möchte Deutschland künftig wieder Waffen | |
| nach Israel exportieren. Ein Wissenschaftler kritisiert das als | |
| „kurzfristig“. | |
| FDPler wechselt zu Rüstungsfirma: Vom Verteidigungspolitiker zum Rüstungslobb… | |
| Marcus Faber heuert bei deutscher Tochter des israelischen Rüstungskonzerns | |
| Elbit an. Im Bundestag war er Vorsitzender des Verteidigungsausschusses. | |
| Sanktionen gegen Israel: Spanien sollte Vorbild sein | |
| Obwohl immer mehr Experten von Genozid in Gaza sprechen, scheut sich | |
| Deutschland vor Maßnahmen gegen Israel. Spanien zeigt uns, wie es gehen | |
| könnte. | |
| Rüstungsgüter für Krieg in Gaza: Staatssekretär wollte Waffenexporte für I… | |
| 2024 erlaubte die Bundesregierung große Rüstungsexporte nach Israel – | |
| entgegen massiver Bedenken im Wirtschaftsministerium, wie taz-Recherchen | |
| zeigen. | |
| Gaza-Flotilla: Mehr als nur Selfie-Yachten | |
| Ja, die Aktion der „Global Sumud Flotilla“ ist eine Show. Sich deshalb über | |
| sie lustig zu machen, greift aber deutlich zu kurz. | |
| +++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Israel gerät immer stärker unter Druck | |
| EU-Kommissionsvizepräsidentin Teresa Ribera spricht erstmals von Genozid in | |
| Gaza. Israelis fordern derweil weiter Kriegsende und Geiselfreilassung. | |
| +++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Israel fordert Hamas zur Kapitulation auf | |
| Die Hamas erklärt erneut, zu einem Friedensabkommen bereit zu sein. Israel | |
| sieht darin nichts Neues – und erhöht den Druck. | |
| Kritik an Israels Vorgehen: Annexion des Westjordanlandes ist „rote Linie“ | |
| Die Vereinigten Arabischen Emirate kritisieren die mögliche Annexion des | |
| Westjordanlandes: Es sei „das Ende der Vision einer regionalen | |
| Integration“. | |
| Israels Krieg in Gaza: Forscher sehen einen Genozid | |
| Führende Experten sehen Kriterien für einen Völkermord in Gaza erfüllt. Die | |
| israelische Regierung reagiert scharf auf die Resolution. | |
| Bei nächster UN-Vollversammlung: Auch Belgien will Palästina anerkennen | |
| Die belgische Regierung will Palästina als Staat anerkennen – und neue | |
| Sanktionen verhängen. Deutschland ist mit seiner Haltung zunehmend | |
| isoliert. |